Ach, altes Lied: alle passablen Kinogeschichten sind schon erzählt, alle guten Filme sind, wie Peter Bogdanovich sagt, schon daraus gemacht, und von den schlechten gibt es sowieso genug. Bleiben also Variation, Imitiation, Spiegelung und Brechung, bleibt, unter anderem, das Sequel.

Sequels haben, wenn überhaupt, den Reiz eines Spiels mit einmal etablierten Vorgaben, einer Suche nach Verschiebungen, Variationspointen, Bedeutungswechsel. Sequels sind so etwas wie Mischungen aus einer Serie (die gleichen Helden erleben unterschiedliche Geschichten) und Remakes (dieselbe Geschichte wird, modernisiert, noch einmal erzählt); nur wenige von ihnen sind wirklich „Fortsetzungen“.

Bezieht das Sequel nun seinen Reiz aus der Variation, so erzeugt es automatisch ein Mehr oder ein Anderes an Medienbewußtsein; wir sehen es zugleich als eine Geschichte und als cineastischen Kommentar zu einer anderen Geschichte. Solche Sequels zu verstehen, bedeutet, nicht mehr an das Kino glauben, sondern sich in einem Spiel mit dem Medium zu amüsieren, das dabei erheblich an mythischer Geschlossenheit verliert und vielleicht ein wenig Freiheit vermittelt.

John Badham hat 1987 in STAKEOUT ein Polizistenpaar, Bill und Chris (Richard Dreyfuss und Emilio Estevez), auf eine gefährliche Beschattungsmission geschickt, bei der sich Bill, der ältere von beiden, in das Objekt der Observierungen verliebt. Das gab zu einigen Thrill-Motiven Anlaß (der verliebte Polizist wurde von seinen Kollegen als vermeintlicher Täter gejagt und wurde nur von seinem Kumpel Chris gerettet), ermöglichte hübsche komödiantische Elemente und ganz nebenbei auch eine kleine Untersuchung über Männerphantasien, Kinoblicke und Polizeimacht. Badhams Comedy-Thriller, mit entsprechenden, aber nicht überdrehten Actionelementen angereichert, erwies sich damals als einigermaßen erfolgreich, vielleicht deswegen, weil er sein Publikum mit allzu schmerzenden Erfahrungen über die Gewalt der Blicke verschonte.

Nun also sind in ANOTHER STAKEOUT die beiden wieder im Einsatz. Bill lebt unterdessen mit der Frau aus dem vorherigen Fall zusammen, aber weil er sie nicht heiraten will, gibt es für den zweiten Fall eine Art romantischer Klammer. Der Fall wird diesmal kompliziert durch die Anwesenheit einer dritten Person in der Beschattungssituation, der Staatsanwältin Gina Garrison.

ANOTHER STAKEOUT wiederholt aus dieser Konstellation heraus eine Anzahl der Motive des Vorgängers und versucht ihnen jeweils einen kleinen Twist zu verpassen: In STAKEOUT prügelt man sich in einem Container mit ekligem Fisch, in ANOTHER STAKEOUT in einem Müllwagen mit noch ekligeren Essensresten, und beide Male muß der Jüngere der beiden den Kollegen befreien, wie überhaupt ein kleiner Gag-Nebenstrang daraus entsteht, daß sich der Jüngere im allgemeinen reifer und abgeklärter verhält als der andere, schließlich ist er auch gut bürgerlich verheiratet. In beiden Filmen versuchen die Polizisten, sich die unangenehmsten Aufgaben zuzuschanzen. Und in beiden Filmen müssen Chris und Bill in reichlich derangiertem Zustand vor ihrem Vorgesetzten erscheinen, der sie angewidert anschaut und ihnen verbietet, sich auf seine sauberen Bürostühle zu setzen.

Ein paar Dinge kommentieren einander auch auf einer etwas tieferen Ebene: In STAKEOUT tragen die beiden Polizisten Schnauzbärte (und der von Chris hat offenkundig die Funktion, ein kindliches Gesicht nicht ganz so kindlich aussehen zu lassen), in ANOTHER STAKEOUT muß Chris den Bart abnehmen, weil er bei der Beschattungsaktion Bills Sohn spielen muß: doppelte Beleidigung. Auch eine Auseinandersetzung im Wasser mit der einen oder anderen Nebenbedeutung hat in beiden Filmen Entsprechungen, und der Blick durch die Jalousie als Leitmotiv wiederholt sich. Während im ersten Teil der Hund eines Kollegen die Ermittlungen durcheinander bringt, ist es im zweiten der Hund ihrer Begleiterin (der am Ende, wir haben es geahnt, zum Retter in der Not wird). Der Männerblick in den intimen Bereich des Badezimmers, die Phantasie von der komischen dicken Frau – all das wird aus STAKEOUT im Sequel an meistens ähnlichen dramaturgischen Stellen variiert.

Etwas großartig Neues ist dabei ebensowenig herausgekommen wie ein Spiel mit den etablierten Motiven, das im mehr oder minder intelligenten Referenzsystem selbst Vergnügen – oder gar Erkenntnis – vermitteln könnte. Durch die Anwesenheit der Frau in der Männerkumpanei der Überwacher, durch die Verlagerung der Handlung von der Großstadt in die Provinz und durch das Fehlen des Kollapses zwischen dem beruflichen und dem privaten Leben der Helden ist es ein gemächlicherer, ein etwas humanisierter Film geworden, die Akzente im Comedy-Thriller sind nun mehr auf die Comedy gelegt. Das ist aber auch schon wirklich alles: ANOTHER STAKEOUT ist ansonsten so etwas wie ein „leeres“ Sequel, in dem der Verweischarakter der einzelnen Elemente weder für die Story noch für den Blick Bedeutung erlangt.

Übrig bleibt dann ein ganz hübsch gemachter komödiantischer Polizei-Buddy-Film, den man wahrscheinlich umso mehr mag, je mehr man seine Hauptdarsteller mag. Einen kleinen Extrabonus bekommt ANOTHER STAKEOUT noch durch den Auftritt von Miguel Ferrer, auf dessen erste Hauptrolle man gespannt sein darf. Badham hat sich darüber hinaus um die eigentliche Brisanz seines Themas herumgedrückt und einen Film abgeliefert, der nicht hätte sein müssen, aber in unserer Kinolandschaft auch nicht besonders stört.

Autor: Georg Seeßlen

Text: veröffentlicht  in epd film