Ein Zeit-Zeichen

Eichingers Hitler-Film: authentisch, leer und nichtssagend

Ehe wir etwas sehen, hören wir etwas. Die Stimme von Traudl Junge, die sich dafür rechtfertigt, dass sie als junge Frau sah, was wir gleich sehen werden: Hitler als Mensch. Und mit ihr rechtfertigt sich dieser Film.

Dabei, das müsste er nicht. Denn noch nie wurde ein deutscher Film so grotesk überschätzt, in seiner Selbstwahrnehmung wie in seiner medialen Präsenz. Denn als Kunst ist dieser Film mittelrangig bis langweilig. Und als Haltung ist er nicht annährend so spektakulär, wie es schien im Vorfeld. Bernd Eichingers Drehbuch basiert auf zwei respektierten Zeugnissen. Traudl Junge, die Hitlers Sekretärin war Bis zur letzten Stunde ist eine authentische Berichterstatterin der letzten Tage im Bunker und Joachim C. Fest schrieb als Historiker die Skizze Der Untergang. Eichinger benutzt und zitiert beide für seinen Film, der als ein Ungeheuerliches annonciert wurde, denn er zeige Adolf Hitler als das, was er zwanghaft war: ein Mensch. Das tut er in der Tat, und wer Bruno Ganz vollkommen hinter Adolf Hitler verschwinden sieht, der wird womöglich leise sagen: Na und? Denn wer nun einmal ein Neonazi sein will, den wird man daran nicht hindern, indem man ihm nicht zeigt, wie zuvorkommend väterlich Hitler einer jungen Frau einen Stuhl zu recht rückt. Und alle übrigen werden die historische Figur Hitler nicht anders bewerten, wenn sie sehen, dass er zuweilen ein freundlicher alter Herr war Die Frage ist nur: was erzählt uns das? Und die Antwort heißt: nichts. Denn dieser Film ist, so zu sagen, nichts-sagend. Eichinger führt uns seinen Hitler gleichsam unbewertet vor (im Umfeld, im Bunker, ist diese Wertung schon enthalten, auch recht didaktisch, beim Tanz auf dem Vulkan etwa oder wenn Goebbels Kinder Kein schöner Land singen). Das meint natürlich nicht, Hitler wertfrei zu sehen, es meint, ein möglichst authentisches, also unbewertetes Abbild zu liefern. Doch was bei Fest eine präzise Beschreibung ist, bei Traudl Junge ein authentisches Erleben, das verflacht hier zum leeren spannungslosen Bild, das nichts erzählt außer sich selbst. Das ist mitunter wie ein Dokumentarfilm, der sich als Spielfilm ausgibt, die beiden grundlegenden Bücher sind dokumentarisch. Dieser Film ist integer, da muss man wirklich nichts böses Deutsches grummeln hören, und er ist im Handwerk sehr gut aber vollkommen uninspiriert.
Bruno Ganz ist ein herausragender Schauspieler, sein Hitler wirkt überraschend authentisch in Bild und Ton. Ganz hat die fahrige Gestik bis ins Detail studiert aber es bleibt hoch stehendes Nachahmungs-Handwerk. Das ist als solches wirklich eindrucksvoll es ist schon eine Kunstanstrengung Hitler & Hund zu zeigen als eine Selbstverständlichkeit, die nicht den Blick der Nachwelt mitspielt. Aber hier gibt es, was das Schauspiel erst zur Kunst macht, keine Figur zu entwickeln, nicht den Entwurf eines Schauspielers von seiner Figur – weil es diesen Entwurf, diese Meinung also nicht gibt, weil dieser uninterpretierte Hitler der eigentliche Sinn dieses Flachfiguren-Filmes ist. So kommt es, dass manche Rollen am Rande interessanter sind, weil ihre Darsteller mehr Luft haben, Corinna Harfouch vor allem als Magda Goebbels und natürlich hat sie auch, als sechsfache Mörderin ihrer Kinder, den stärksten emotionalen Absprung . Für diese Emotionalität wird beim Tod der ältesten Tochter doch über den historischen Sachstand hinaus interpretiert, denn deren Widerstand gegen das Gift ist reine Vermutung. Oliver Hirschbiegel, der Regisseur, steht für die Eigenart dieses Filmes. Hirschbiegel (Das Experiment) war hier wohl nur so etwas wie das ausführende Organ Eichingers der Regisseur als ausführender Handwerker. Das hat schon Konsequenz, der geistige Entwurf Eichingers bestand ja eben darin, einen interpretierenden Ansatz zu vermeiden. So entsteht eine Authentizität voller Leere.
Vielleicht zeigt dieser Film an, dass Hitler, beinahe sechzig Jahre nach seinem Tod, beginnt, historisiert zu werden, dass eine Art Normalität beginnt. So wäre „Der Untergang“ doch ein Zeit-Zeichen.

Henryk Goldberg in filmspiegel