Ein ganz und gar amerikanischer Roman über eine bestimmte Lebensart

Aus den USA ist diesem Buch ein vernehmliches Raunen vorausgeeilt: Der Bestseller wurde von der New York Times unter die Top Ten des Jahres 2011 eingereiht. Dabei wurde Chad Harbachs Debüt von vielen Verlagen abgelehnt, erhielt dann aber angeblich den enormen Vorschuss von 650.000 Dollar. Ganz nachvollziehbar ist weder das Zögern der Verlage, noch der große Erfolg, denn Die Kunst des Feldspielsist ein recht konventioneller Roman um ein College und die dortige Baseballmannschaft mit dem jungen Helden Henry Skrimshander im Mittelpunkt. Henry ist „Shortstop“, und wenn man nicht weiß, was ein Shortstop tut und worum es im Baseball geht, dann ist das schon ein Handicap. Denn es gibt einige langwierige Schilderungen von Spielen, die man lesend überstehen muss. Baseball ist nun mal für Nicht-Amerikaner die langweiligste Sportart der Welt. Daran kann auch Chad Harbach nichts ändern.

Zum Glück geht es aber nicht nur um Baseball oder vielmehr: Baseball ist das Milieu, das deshalb so genau gezeigt wird, um eine bestimmte Lebensart zu beschreiben, die im Sport ganz besonders deutlich wird: Der Glaube, alles immer besser und immer perfekter hinzubekommen, mit Disziplin, Ausdauer, täglichem Training und Proteindrinks für die Muskeln. Außerdem braucht man, wie Henry, viel Talent oder Genie, um vielleicht eines Tages tatsächlich die Stufe der absoluten Perfektion zu erreichen. Diese Gewissheit, die ihn lange trägt, wird ihm schließlich durch einen fatal verunglückten Wurf geraubt, der seinen Glauben an die eigene Unfehlbarkeit zerstört.

Dass das so kommen muss, ist absehbar. Der Roman ist auf diesen Krisenmoment hin angelegt. Stärker ist er da, wo er von der präzisen Bahn des Handlungsverlaufs abweicht und mit seinen Nebenfiguren Nebengeschichten etabliert. Am eindrucksvollsten ist die Liebesgeschichte zwischen dem Rektor des Colleges und einem Studenten. Dabei hielt der Rektor, der kurz vor der Pensionierung steht, sich bis dahin keineswegs für schwul. Ähnlich wie Henry gerät auch er durch diese Liebe aus der Bahn und ist gezwungen, ein ganz neues Bild von sich selbst zu entwerfen.

Die Kunst des Feldspiels ist ein ganz und gar amerikanischer Roman, der nicht zufällig auch von Jonathan Franzen hoch geschätzt wurde. Harbach nimmt sich viel Zeit, alle Szenen breit auszumalen, hat eine Vorliebe für lebensnahe Dialoge und schreibt so, als hätte er alles schon auf die Verfilmung hin entworfen. Der Autor möchte, ähnlich wie sein Held, möglichst perfekt sein. Das ist ihm durchaus gelungen. Aber bei einem Roman, der abläuft wie ein Uhrwerk, kann Perfektion auch ein Nachteil sein.

Jörg Magenau, kulturradio (10.01.2013)

 

Chad Harbach: Die Kunst des Feldspiels
gebundene Ausgabe: 607 Seiten
Verlag: Dumont Buchverlag; Auflage: 2 (21. August 2012)
ISBN-10: 3832196269
ISBN-13: 978-3832196264

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