Herzogliches Hoftheater Meiningen, historische Aufnahme

Als das Meininger Theater am 17. Dezember 1909 nach dem großen Brand mit „Wallenstein“ wiedereröffnet wurde, da war die große Zeit der Meininger schon Geschichte. Doch was diese Bühne leistete ist der, nach Klassik und Bauhaus, dritte große Kulturimpuls, der von Thüringen in die Welt ging.

Als 1866 von Königsgrätz Impulse für Deutschland ausgingen, da gingen von Meiningen Impulse aus für die Welt: Der Theaterherzog Georg II. übernahm die Macht und wurde so zum Paten eines neuen Begriffes von Theater. Die Meininger Theaterästhetik hat mit ihrer Betonung des Ensembles gegen ein Virtuosentum, das sich selbst erzählt, mit ihrem visuellen Realismus, das Welttheater stimuliert. So wurden der Deutsche Otto Brahm, der Franzose André Antoine und der Russe Konstantin Stanislawski zu ihren Reformen angeregt, über eine historische Stafette der Amerikaner Lee Strassberg, dessen Method Acting Schauspieler wie Marlon Brando hervorbrachte. Diese Reform war für die Kunst des Theaters bedeutender als alles, was in Weimar geschah. Das Theater ist die flüchtigste der Künste, so hängt sein Überdauern in der Nachwelt von den Impulsen ab, die es hinterlässt. Das Meininger Hoftheater war ein solcher Impuls. Die Initialzündung für einen Prozess, an dessen Ende sich die Bühne selbstbewusst als eigenständige Kunst von der Literatur emanzipiert hatte. In gewisser Weise wurde hier die Grundlage geschaffen für das, was später Regietheater heißen würde.

Georg II. ließ mit einem ästhetischen, nicht konzeptionellen, Blick auf die Wirklichkeit spielen. Bühnenbilder und Kostüme, die detailgenau den Ton der Zeit zu treffen suchten, wovon die erhaltenen Prospekte noch heute zeugen. Der eine ganze Entwicklung prägende Gedanke des Ensembles ging von Meiningen in die Welt. Das war, in einer Zeit des ungeregelten Virtuosentums, keine Selbstverständlichkeit, das war nicht weniger als eine gravierende Reform des bis dahin bestehenden Begriffes von Theater. „Die Meininger“ sind keine heimatkundliche Folklore, sie sind die Paten des europäischen Theaters.


Text: Henryk Goldberg