Die deutsche Öffentlichkeit war in die RAF verliebt   

Über die Schwierigkeit, Kino, Mythos und Wirklichkeit zusammenzubringen

Was da geschah, im deutschen Herbst, was politische Geste und was persönliche Pathologie war, dafür gibt es in der kollektiven Erinnerung weder Bild, noch Begriff, noch Erzählung. Wir erinnern uns, welchen Schock die Bluttaten und die Bilder der Bürgerkinder, die dahinter steckten, auslösten. Wir erinnern uns aber auch, welche Jagd- und Mordlust mitten in der Gesellschaft aufkam, und mit welchem Elan der angegriffene Staat zum Kampf gegen den „Sumpf“ rüstete. Was aber lag dazwischen? Eine grotesk gescheiterte Revolte? Ein Amoklauf? Verbrechen? Wahnsinnstaten? Jedenfalls etwas, das Erinnerung, womöglich Trauer, schwer macht: Eine wahrhaft ungeheure Faszination auf allen Seiten.

Trauer, das wäre die Erinnerung an Menschen, die leiden und die sterben mussten, es wäre aber auch die Erinnerung an öffentliche Inszenierungen der Barbarei. Wer erinnert sich noch daran, dass der Vater von Holger Meins das Grab seines Sohnes mit Beton schützen musste, weil damit gedroht wurde, dass der Leichnam ausgegraben und aufgehängt werden sollte, von den guten Bürgern dieses Staates?

Der Terror gehört zu jenen Aspekten der Geschichte, die den Aufklärer verzweifeln und den Zyniker triumphieren lassen. Alles, was der Terror sagt, sagt er körperlich und visuell. Je „gelungener“ die Tat, desto grotesker die Worte, die sie begleiten. Die Verwirrung des Textes ist nicht nur eine Begleiterscheinung des Terrors, sondern sein Ziel. So erzwingt sich der Terror seine Bildergeschichte. „Genug geredet“ ist seine Geste, nun erzeugen wir unwiderlegbare Bilder.

Aufklärung des Terrors also kann sich nicht mit einer diskursiven Widerlegung zufrieden geben, sie muss in die Bilder und Gegenbilder reichen. Was also hat die deutsche Bilderkultur mit dem Terror gemacht, und was könnte sie heute, in dreißig Jahren Abstand und Nicht-Abstand, tun?

Noch ist die RAF nicht Guido-Knopp-kompatibel; noch wird wohl kein Degeto-Eventfernsehen daraus. Aber Bernd Eichinger hat schon seit einem Jahr seine Pläne für einen „großen“ RAF-Film unters Volk gestreut, für den als Grundlage das Buch Der Baader-Meinhof-Komplex dienen soll, das Stefan Aust 1985 veröffentlichte. Man will sich da, so heißt es, konzentrieren auf die Entführung und Ermordung Schleyers und die Entführung der „Landshut“ sowie den Selbstmord von Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Wir müssen auf das Schlimmste gefasst sein: Stirb langsam – Jetzt erst recht an deutscher Geschichte, mit Stars und echt geilen pyrotechnischen Effekten.

Dass umgekehrt nur die Mittel der Kunst den Mythos aufbrechen würden, und das genau daran kein gesellschaftliches Interesse besteht, das zeigte die Ausstellung Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF, die im Januar 2005 in Berlin eröffnet wurde. Der Kurator Klaus Biesenbach konnte die vorhersehbar aufgeregte Diskussion auch mit seiner Feststellung nicht beruhigen, die Ausstellung zeige nicht die RAF, sondern „die Wahrnehmung und die Bilder der RAF“. Die Kritiker beharrten darauf, der Mythos werde durch seine museale und ikonografische Sammlung erst recht eigentlich geschaffen, und in dieser Schaffung des Mythos vergesse man, der Opfer zu gedenken. Bei der Ausstellung konnte beobachtet werden, wie eine konzertierte Aktion von Medien, Politik und Kulturbetrieb in der Inszenierung vorauseilender Skandalisierung einen gesellschaftlichen Verständigungsprozess verhindern kann.

Die Auseinandersetzung um die Begnadigung von Christian Klar wirkt dabei ein bisschen wie eine Neuauflage der Streitereien um einen Satz, der 2003 vom „Unreinen“ des ursprünglichen Ausstellungskonzepts an die Öffentlichkeit gelangte: „Welche Ideen, Ideale haben ihren Wert durch die Zeit beibehalten und können nicht als naiv abgetan werden?“ Eine panische Furcht vor einem Rest von Legitimierung und Kontinuität scheint da am Werk; allein die Frage nach einem politischen diskursiven Kern wird als obszön betrachtet. Hinterbliebene der Opfer protestierten in einem Brief an den Kanzler gegen mögliche „Legendenbildung und Glorifizierung“. Letztlich liefe das freilich auf ein Verbot der Abbildung hinaus, denn von der RAF ist nicht zu erzählen ohne die Legende und auch nicht ohne die, wenn auch bizarre, Glorifizierung, die von ganz unerwarteter Seite kam.

Das Scheitern eines größeren Projekts der gesellschaftlichen Erinnerung bei gleichzeitiger unübersehbarer Virulenz des Themas in den Jahren nach dem Jahrtausendwechsel machte den Film zum wichtigsten Medium der Erinnerung. Das Kino hat überdies vielleicht eine besondere Verantwortung gegenüber der RAF-Geschichte, weil die RAF selber so viel Kino enthielt. Filmbilder wirkten im Inneren der „Terror-Szene“. Das amerikanische und italienische Gewaltkino, das „vietnamisierte“ Kino der Zeit spukte in den Selbstvergewisserungen im Untergrund, und in den Erinnerungen taucht immer wieder die Vorstellung auf, man habe das alles erlebt, „wie im Kino“. Halb in der Welt und halb im Traum. Eine radikale Distanzierung wollten und konnten die Filme, die als direkter Reflex auf die Geschehnisse entstanden, nicht vornehmen. Sie offenbarten Zerrissenheit wie etwa Deutschland im Herbst, eine Gemeinschaftsarbeit unter anderem von Volker Schlöndorff, Rainer Werner Fassbinder und Alexander Kluge. Der Selbstmord der Häftlinge von Stammheim bot später eine andere, radikale Lesart an. Unwichtig, was davon „geplant“, was „erzeugt“ wurde; die Dialektik von Attentat und Selbstmord funktionierte. Nun war jedenfalls auch der Staat als Mörder aus dem Bereich der abstrakten Zahlen getreten. Die Filme, die das wiedergaben, Reinhard Hauffs Stammheim (1985) etwa, skandalös noch auf den Festivals, nahm den Gestus der Anklage und der Verteidigung auf. In der Form eines Kammerspiels rollt der Film die Gerichtsverhandlung auf, und schon darin ist angelegt, dass er die politische Dimension des Terrors ernst und noch nicht den späteren Konsens übernimmt, nach dem das Politische der Terroristen nur Deckmantel, Form für die Psychose, rhetorisches Beiwerk war.

Der von Stefan Aust geschriebene und von Reinhard Hauff inszenierte Film zeichnet die Geschichte des Stammheimer Prozesses als Verdichtung eines Kampfes zwischen einem Staat und seinen entschiedensten Gegnern; eine tragische Eskalation, bei der auf beiden Seiten versäumt wird, die Möglichkeiten zur Umkehr zu erkennen. Und er akzeptiert die Widersprüchlichkeit beider Seiten: Der Staat, der seine Rechte verändert, um sich gegen den Angriff zu wappnen, und die Gegner, die den bürgerlichen Staat ablehnen und sich zugleich auf seinen Schutz berufen. Es war ein Versuch, vermittels klassischer Formen „klaren Kopf“ zu behalten. Bis zu einem gewissen Grad gilt das auch von Margarethe von Trottas von mehr Einfühlung geleiteten Film Die bleierne Zeit (1981).

Danach schien die Möglichkeit, Gegen-Bilder zu erzeugen, ohne selber dabei in den „Sumpf“ zu geraten, erschöpft. Als eine neue Generation von Filmemachern das Thema wieder aufgreifen konnte, waren überdies strenge Regeln der Abbildung etabliert. Die Distanzierungsrhetorik gehört ebenso dazu wie das Gebot, kein Bild der Täter ohne das der Opfer zu entwerfen. Die Verhältnisse zeigten sich gänzlich verändert; die Generation der verlorenen Kinder hatte sich aufgelöst und spukte in unseren Erzählmaschinen wie Tatort-Krimis und Endlos-Serien wahlweise als komisches Relikt, als „verbitterter Alt-68er“ oder als dunkle Vergangenheit, die zum Beispiel Maria Furtwänglers TV-Kommissarin bei ihrem Tatort-Einstand einholte.

Heinrich Breloers Fernseh-Arbeit Das Todesspiel (1997) bezeichnet wohl am deutlichsten den Perspektivwechsel – nicht nur weil er sein Mitgefühl dem Opfer, Hans Martin Schleyer, widmet, sondern auch weil er Identifikation mit den Vertretern des Staates schafft. Er verknüpft in mittlerweile gängiger Manier Dokumentarisches und Spielfilm, beginnend mit dem Überfall auf den Wagen von Schleyer und endend mit dem Tod von Baader, Ensslin und Raspe, und er gibt alledem die denkbar strengste Chronologie, so dass es am Ende so wirkt, als sei es ein in sich logisches strategisches System: ein Spiel, bei dem Regeln und Teilnehmer bekannt sind.

Aus der Entschlossenheit des Staates entstand schließlich mit der GSG 9 ein neues Bild: zusammen mit den Männern im Krisenstab ergibt das Väter (kenntlich in der Mehrzahl als ehemalige Offiziere des Weltkriegs) und Söhne (schwarz vermummte und hoch technologisierte Helden der Aktion). Heute wird die GSG 9 in einer TV-Serie gefeiert, die den Titel mit ausdrücklicher Genehmigung des Bundesinnenministers Schäuble trägt. Der Kampf gegen den Terror, nicht mehr als eine historische Tragödie, sondern als die gewohnte serielle Seifenoper-Wirklichkeit: Privates Chaos wird durch öffentliche Gewalt geregelt, das ist das elende Ende des deutschen Herbsts im Fernsehen.

Es folgten neue Versuche der fiktionalen Bearbeitungen, nun als Rückblick auf die Täter aus neu gewonnener Perspektive. Diese neue Welle der RAF-Filme begann im Jahr 2000 mit Schlöndorffs Die Stille nach dem Schuss, der die Bemühungen der Terroristen zeigt, in der DDR ein „normales“ Leben zu führen. Der radikalen Geste der Distanzierung bei Breloer steht hier eine fast schon väterliche Geste der Anteilnahme gegenüber – vielleicht auch deswegen hat sich das wirkliche Modell, Inge Viett, gegen diese fürsorgliche Übernahme ihres Lebens gewehrt, die nach ihrer Biographie Nie war ich furchtloser entstanden war. Schlöndorff scheint, vereinfacht gesagt, den Menschen um den Preis seiner politischen Souveränität zu retten.

Christopher Roth versuchte sich in Baader (2001) dagegen an einem Mytho-Porträt. Der Protagonist ist hier nach dem Outlaw-Modell zu fassen, in dem Lebensgier und Todessehnsucht verknüpft sind, ein radikaler Anderer, dessen Lebensentwurf mehr mit dem Marquis de Sade als mit Karl Marx zu tun hat: Das radikale Subjekt, das das System gar nicht wegen seiner Ungerechtigkeit, sondern als Widerpart seines Selbstgenusses angreift – der Filmheld par excellance. Der Film wiederum versucht dieses Konzept des Menschen in der Revolte zu psychologisieren, was misslingen muss, denn der authentische DeSadeismus setzt sich nicht nur gegen alle Rücksicht, sondern auch gegen Psyche selbst in Szene.

Die Faszination, wie bei allem, was nicht zu Ende erklärt ist und sich um Bild- und Begriffsverbote rankt, war nun der historischen Legende zugewandt. Aber auch die neuen RAF-Filme entstanden, 25 bis 30 Jahre danach, in einer hysterisch durchwirkten Atmosphäre, voller merkwürdiger Maskierungen und noch merkwürdigerer Allianzen.

Es ist eine Wiederholung. Die deutsche Öffentlichkeit nämlich, gleichgültig ob rechts oder links, Kultur oder Pop, war in die RAF verliebt. So wie in Django, in Bonnie & Clyde, in die Droogs der Clockwork Orange und dann in Dirty Harry oder Bruce Lee. Ein Zorn musste da heraus, ein Bruch bezeichnet werden, durch die Gesellschaft, durch die Familie, durch die Seele, einerseits, und andrerseits musste ein anderes Leben erprobt werden, ein sozusagen futuristisches Leben im außerhalb: das radikale Subjekt, das über die Welt der „Gemütlichkeitsrepublik“, des Kleinbürgerkapitalismus, der öffentlich-rechtlichen Langeweile triumphierte. Die Filme und die Taten der Terroristen waren unter anderem eine Antwort auf die Frage, die Georg Lukács 1948 stellte: „Wozu braucht die Bourgeoisie die Verzweiflung?“. Sie ist das Gegenmittel gegen die Langeweile, und was das eine mit dem anderen verbindet ist „Faszination“. Auch wer zum Kampf gegen die RAF rüstete, so oder so, übernahm Elemente dieses Outlaw- und Verzweiflungs-Mythos.

Eine seltsame Geilheit steckte in der Medienbearbeitung und im alltäglichen Austausch von Worten und Bildern. Die RAF war nicht die böse Kraft, die Ruhe und Ordnung störte, sie lieferte das Bild zum Verlust von Ruhe und Ordnung. Der deutsche Herbst war, wenn man so will, die gemeinsame Realisierung eines Entzivilisierungsprozesses, einer Archaisierung, Vereinfachung und Verkörperlichung durch die Gewalt. Die „klammheimliche Freude“ war keineswegs ein Privileg von „Sympathisanten“; an vielen deutschen Stammtischen phantasierte man sich in die Rolle von Terroristen, wenn man auch andere Ziele ins Visier zu nehmen pflegte.

Umgekehrt mag es wohl sein, dass gerade dieses fatale Moment der „Faszination“ die Sache so unverfilmbar macht. Das Bild bleibt immer zwiespältig – so wie man vom Krieg kein Bild machen kann, ohne die „Faszination“, die von ihm ausgeht, mit zu zeigen, einschließlich der Möglichkeit, auf sie hereinzufallen.

Wenn der RAF-Film in den Jahren nach 2000 zu einem „Genre“ wurde, wie man hier und da argwöhnte, dann fehlt ihm jedoch die gemeinsame Ikonografie: Geschichte wird eher zersplittert als zusammengefügt.

Christopher Roth geht es in Baader nicht allein darum, hinter den Taten und Mythen die Menschen kenntlich zu machen, sondern Mythos und Legende bewusst ins Bild zu setzen, bis hin zu einem Punkt, wo sich die Phantasie von den historischen Vorlagen mehr oder weniger loslöst, wie es der Regisseur in dankenswerter Offenheit beschreibt: „Ich habe mich schon mit Leuten getroffen und recherchiert. Aber irgendwann habe ich das einfach über den Haufen geworfen, mir ein eigenes Bild gemacht und eine eigene Geschichte erzählt, weil ich die Realität nicht mehr so interessant fand“.

Darin dreht Baader gleichsam Fassbinders Die dritte Generation auf den Kopf, indem er dem mörderischen Pop-Outlaw mit dem BKA-Chef Krone (Vadim Glowna) einen „Linken“ entgegensetzt, der sie „versteht“ bei seiner Verfolgung (wie alle Verfolger im Kino ja auch „Väter“ sind, die ihre Kinder verstehend jagen), und so findet er zu einem Höhepunkt, als Baader und Krone sich eines Nachts gegenüberstehen, wie die Vater-Sohn-Gestalten eines melancholischen Gangsterfilms von Jean-Pierre Melville. Statt auf die Wirklichkeit jenseits des „Kinematografischen“ zu gelangen, macht Baader mit dem Kino ernst. Baader und Ensslin schauen sich im Kino Klaus Lemkes Film 48 Stunden bis Acapulco an, und der Todestanz ist eine direkte Variation von Bonnie & Clyde.

Der kinematografische, der politische, der psychologische und der mythische Aspekt des Geschehens sind offensichtlich mit den Mitteln der herkömmlichen Dramaturgien nicht miteinander in Einklang zu bringen. Christian Petzolds Die innere Sicherheit (2001) allerdings findet zu einer Klarheit und Genauigkeit, die es vordem bei dem Thema nicht geben konnte, vor allem weil er dem Drama keine melodramatische Sinn-Struktur unterstellt. Der Film beschreibt, sehr einfach gesagt, den Zustand einer deutschen Familie Jahre nach den Tagen des Terrors. Die RAF wird so wenig benannt wie einzelne Biografien von Tätern und Opfern. Der Film ist ein Versuch den Nachklang festzuhalten. Wie in Andres Veiels Black Box BRD (2001) geht es in erster Linie um Ernüchterung, aber ganz anders als bei Schlöndorffs Die Stille nach dem Schuss geht es auch darum, dass dies alles nicht „irgendwie vorbei“ ist.

Die Familie in Die innere Sicherheit findet anders als Schlöndorffs Inge Viett keine wirklich neue Existenz. Die terroristische Vergangenheit und die Sphäre der Revolte ist ihnen selbst fremd geworden, doch so wenig sie sprechen, so viel verraten sie in ihren Gesten und Blicken. Mit der klassischen „Verinnerlichung“ wie es in den biografischen Versuchen Die bleierne Zeit oder in den metaphorischen wie Hauffs Messer im Kopf betrieben wurde, hat das weniger zu tun als mit der Erforschung eines inneren Universums: Die Fremdheit zwischen den Menschen und der Gesellschaft. Sie ist weder „privat“ noch ist sie „politisch“; das Private ist das Gespenst des Politischen, das Politische ist das Gespenst des Privaten. Der Nachklang des Terrors liegt darin, dass die Täter sich als Menschen nicht retten lassen wollen, wenn man ihnen das Politische abspricht, und darin, dass die Erinnerung umgekehrt auf der strikten Trennung besteht.

Die Vergangenheit des Terrorismus steht den Darstellungen des „Unmöglichen“ der Revolte in der Gegenwart gegenüber. Und das betrifft nicht nur eine äußere Unmöglichkeit, sondern vor allem eine innere: Es gibt keinen Menschen mehr, der einen solchen Mythos entwickeln könnte. Die Geschichte der verlorenen Kinder wird sich nicht wiederholen. Glücklicherweise. Deshalb sehen wir Filme wie Bungalow oder Falscher Bekenner, wo eine terroristische Tat und ein Subjekt nur eine vage Beziehung miteinander eingehen. Oder Die fetten Jahre sind vorbei, wo die Selbstaufklärung dazu führt, dass eine wirklich terroristische Tat nicht ausgeführt werden kann. Nun gibt es keinen Kurzschluss zwischen Politik und Biographie mehr, keine „große Erzählung“. Eine Gruppe Jugendlicher bricht in Berliner Villen ein, nicht um zu stehlen, sondern um das Mobiliar zu verrücken und Nachrichten zu hinterlassen: „Sie haben zu viel Geld“ oder eben „Die fetten Jahre sind vorbei“. Und sie „unterzeichnen“ ihre Aktionen mit „Die Erziehungsberechtigten“. Eine Art von öffentlichem Kunstprojekt mit, eben, „erzieherischer“ Nebenabsicht – eine humanistische Selbstbefragung des Menschen in der Revolte.

Georg Seeßlen

Dieser Text ist zuerst erschienen am 23.3.2007 in: Freitag