In der mehr oder weniger großen Erzählung des Kapitalismus ist der plot point einer Selbstüberschreitung bereits Geschichte; man mag sich allenfalls darüber streiten, in welchem Kapitel er stattgefunden hat, und seit wann er absehbar war. Seitdem jedenfalls leben wir in einer Negativgeschichte des Kapitalismus. Er erzählt sich nicht nur, postmodern genug, nach rückwärts. Er brutalisiert sich auch in seinem äußeren Weiterleben nach dem inneren Tod. Auch deshalb nennen wir das System, in dem wir (noch) leben, den Zombie-Kapitalismus.

Der Zombie-Kapitalismus findet keine Welt mehr, die er erobern, unterwerfen und kapitalisieren kann, deswegen muss er selbst eine Gespensterwelt erschaffen, mit der er diesen Prozess der Landnahme simulieren kann, um einen simulierten Wert zu erzeugen. Der Wert kann in der (digitalen) Welt, in der Arbeit am wenigsten zur Produktion benötigt wird, nur noch durch seine zwei Negationen erzeugt werden. Durch eine willkürliche „untote“ Setzung und durch die Entwertung. Alles außer dem Kapital (einschließlich des Menschenlebens selbst) muss entwertet werden, damit sich das Kapital selbst künstlich aufwerten kann: Es drückt gleichsam nur noch sich selber aus, und in diesem Selbstausdruck spielen gerade jene, die es nicht haben, eine entscheidende Rolle. Dass die „Schere zwischen den Reichen und den Armen immer weiter aufgeht“, wie selbst die wohlwollendsten Kritiker bemängeln müssen (es ist eine Frage der schlichten Evidenz), ist demnach kein lästiger Nebeneffekt, es ist vielmehr eines der zentralen Elemente der Transformation des lebenden in den untoten Kapitalismus. Wenn es wirklich „Wohlstand für alle“ geben könnte, dann wäre das Kapital ja kaum noch etwas wert. Das Kapital ist so viel wert, wie es Elend produzieren kann.

Der untote Kapitalismus produziert nicht mehr krisenhaft, er produziert Krisen; die Krise ist sein eigentliches Produkt. Nach jeder dieser Krisen ist die Arbeit weiter entwertet und das Kapital zugleich weiter (fiktiv aber unwiderruflich) aufgewertet. Dem „kleinen Sparer“ droht die Bank schon seit geraumer Zeit mit einer Negation seines, nun ja, „Kapitals“. Das ist nicht nur ein weiterer Schritt in der Umverteilung des Vermögens von unten über die Mitte nach oben. Es besagt auch, dass ein untotes Kapital unter keinen Umständen und an keinem Ort „zur Ruhe kommen“ darf. Zombies schlafen nicht …

Den gesamten Text lesen Sie hier: Das Georg-Seeßlen-Blog

 

Pyramid of Capitalism-680

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Artist not credited. Published by International Pub. Co., Cleveland, Ohio. – Uni Hamburg
The 1911 cartoon
A 1911 Industrial Worker (IWW newspaper) publication advocating industrial unionism that shows the critique of capitalism. It is based on a flyer of the „Union of Russian Socialists“ spread in 1900 and 1901 (the File:Capitalist pyramid 1900.png)