Zur Debatte um die Thesen von Thilo Sarrazin

Vielleicht sollte man einfach von ihm absehen. Absehen von den medialen Wellen, die er schlägt. Absehen von dem missverstehbaren und zum Teil provozierenden Ton. Absehen sogar von dem Umstand, dass der NPD-Vorsitzende gestern verkündete, Sarrazins Thesen würden seine Partei „salonfähig“ machen.

Es gibt viele Gründe, den Staat Israel zu kritisieren, ohne dass der, der es tut, ein Antisemit sein muss. Aber er hilft Antisemiten. Soll man deshalb Israel nicht kritisieren dürfen?

Gewiss, Thilo Sarrazin wird auch die deutschen Stammtische armieren, nur: Wenn diese Argumente aus solchen Gründen reflexartig als rassistisch diskriminiert werden, dann macht das die Luft über den Stammtischen nicht sauberer, im Gegenteil. Nur, wer sich einer Debatte stellt, nur wer sie führt, hat die Chance, ihre Richtung wenigstens mitzubestimmen.

Und Sarrazin hat in vielem recht, ohne jeden Zweifel. Natürlich ist der Islam ein kulturelles System mit Werten und Normen, die sich zu Teilen einer Integration verweigern. Natürlich wird durch den Islam, wo er diese Normen lebt, ein Teil der europäischen Aufklärung zurückgedrängt. Natürlich muss man intolerant sein, wenn es etwa um Zwangs-Ehen geht. Natürlich sollte, das Wort wird hier mit Bedacht gebraucht, die Leitkultur in Deutschland deutsch sein. Und natürlich fördert das immer noch großzügige deutsche Sozialsystem die Leistungsbereitschaft weniger als das harte amerikanische.

Die daraus resultierenden Probleme belasten diese Gesellschaft, und man wird sie nicht lösen, indem man sie beschweigt. Thilo Sarrazin, mag er sein, wie er will, hat einen wichtigen Impuls gegeben. Und man darf es nicht dem rechten Rand überlassen, darüber zu reden.

Henryk Goldberg in TA 31.08.2010