Neulich hatte ich ein schönes Erlebnis. In einer Mappe wo „Rechnungen“ draufsteht, fand ich das Serviceheft für meinen bescheidenen Mittelklassewagen. Völlig überraschend. Eigentlich hatte ich nach Papieren für die fällige Steuererklärung gesucht. Vor der letzten Durchsicht hatte ich vergeblich Wohnung und Auto auf den Kopf gestellt.
Triumphierend wedelte ich damit herum. Hab ich doch gesagt, dass es irgendwann auftaucht. Er hatte mir damals die Folgen dieses Verlustes in schwärzesten Farben ausgemalt. Ich werde schon sehen, wohin ich mit meinem unstrukturierten Lebenswandel komme. Mit meiner Abneigung gegen Ringordner und Terminplaner.
Wenn Ihnen das ein bisschen bekannt vorkommt, leben Sie wahrscheinlich schon länger mit einem Mann zusammen. Am Anfang nämlich ist, sagen wir mal eine Verspätung, noch eine liebenswerte Eigenheit. Frisch verliebte Männer finden so etwas manchmal sogar anziehend. Ach wie erfrischend doch so eine weibliche Unbekümmertheit ist!
Aber wehe, Sie gewähren ihm Zugriff auf Ihren Alltag. Da können Sie mal sehen, wie schnell charmante Nonchalance übersetzt wird mit unglaublicher Schlamperei. Dann sind wir unorganisiert, entscheiden impulsiv aus dem Bauch heraus, verlegen aus unbegreiflichen Gründen urplötzlich Termine, überziehen ständig unser Konto, verspäten uns sowieso immer, vergessen wichtige Unterlagen, gehen ohne Einkaufsliste in den Supermarkt und überhaupt. Wir würden irgendwann im selbstgeschaffenen Chaos untergehen, wenn nicht ab und zu eine ordnende männliche Hand in unseren Alltag eingreift.
Männer brauchen immer die Gewissheit, einen Plan zu haben. Es muss mit dem y-Chromosom zusammenhängen. Wahrscheinlich ist es gespickt von Strategie-Genen. Eins neben dem anderen. Er kann gar nicht anders. Wenn er schon nicht einen Feldzug planen darf oder eine Expedition ins Innere von Papua Neuguinea, dann wenigstens die anstehende Woche.
Dazu bedient er sich verschiedener Hilfsmittel. Ding Dong macht neuerdings das iPhone, wenn Jackets aus der Reinigung geholt werden müssen oder jemand Geburtstag hat. Übrigens völlig folgenlos für ihn. Denn selbstverständlich sind wir es dann, die das Geschenk besorgen. Aber jemand muss uns schließlich daran erinnern, nicht wahr. Was mich betrifft, ich habe noch nie einen Geburtstag meiner Kinder vergessen oder seinen. Ganz ohne Ding Dong. Ich habe auch noch nie ein Kostüm in der Reinigung hängen lassen, jedenfalls nicht länger, als ich es vermisst habe. Und wenn es in der Bibliothek mal teurer wird, dann zahle ich das gern. Jemand muss ja schließlich die städtische Kultur sponsern.
So ein Mann weiß am Montag genau, dass er am Dienstagabend die Mail an xy schreibt, am Mittwochvormittag die Werkstatt anrufen wird für einen Termin übernächsten Monat, am Donnerstag die Unterlagen für das Steuerbüro zusammenstellt und diese am Samstagvormittag vor dem Fitnessstudio im Umschlag zur Post bringen wird. Er kann aus dem Stand seinen aktuellen Kontostand aufsagen und findet schon nach zwei Minuten die Police der vor zehn Jahren abgeschlossenen Hausratversicherung. Mit Durchschlag.
Na und? Macht ihn das zufriedener? Lebt er dadurch ruhiger?
Tut er nicht. Denn da sind immer noch wir. Die ständige Bedrohung seiner Planungen. Eine Frau plant nicht. Jedenfalls nur das Allernötigste. Weil sie sich jederzeit bereithalten muss für die Überraschungen des Lebens. Na gut, manchmal wirkt das vielleicht ein wenig konfus. Aber es hat System! Sie weiß nämlich, dass das Leben ein dynamisches System ist, dessen Entwicklung von empfindlichen Bedingungen abhängt und nur begrenzt voraussehbar ist. Plötzlich geht der Geschirrspüler kaputt oder die Katze muss zum Tierarzt. Schon ist der strategische Wochenplan im Eimer. Deswegen verzichten wir auf Terminplaner und Ringordner. Wir wissen genau, alles fügt, findet sich. So wie sich jeder Stau irgendwann auflöst.
Wir haben vielleicht nicht die Chaostheorie erfunden. Aber wir haben sie schon lange verinnerlicht.

Text: Elena Rauch

Text erschienen in Thüringer Allgemeine, 05.03.2011

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