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Die Kunst der Verwandlung

Es gibt manchen Filmschauspieler, dem es schwer würde, sich an einem mittleren deutschen Stadttheater zu behaupten. Robert De Niro wäre auch ein berühmter Schauspieler, wenn er nur Theater spielte. Heute hat er Geburtstag.

Wenn der Mann Jeans und alte Unterhemden trug, dann wusste man, es wird hart werden. Als er aber begann, gut geschnittene Anzüge zu tragen, da wurde er gefährlich auf eine lauernde Weise, eine Zeitbombe, bei der niemand weiß, wann ihre Zeit kommen wird. Aber sie wird kommen, man weiß das, wenn man den Mann sieht. Robert De Niro ist, neben Pacino, Hoffman, Redford und Nicholson, einer der herausragenden amerikanischen Charakterschauspieler, er ist wohl so etwas wie der Marlon Brando seiner Generation. Und wie dieser hat er am Actors Studio von Lee Strassberg gelernt und betreibt seither, was sie dort Method Acting nennen: Die vollkommene Auslieferung an eine Figur, ihre authentische Präsentation bis in die kleinste Nuance. Dustin Hoffman sprach vor Rain Man mit Autisten, De Niro machte vor Taxi Driver einen Taxischein und für den alten Boxer in Raging Bull erfraß er sich 50 Pfund Übergewicht. Sein wichtigster Regisseur ist Martin Scorsese, acht Filme machten sie zusammen, einer seiner Oscars verdankt sich Scorseses Wie ein wilder Stier, den anderen gab es für Der Pate, eine Filmtrilogie, die mit De Niro, Marlon Brando und Al Pacino ein Museum der Schauspielkunst bleiben wird.

Auch in Deutschland gibt es herausragende Schauspieler internationalen Formates  auf dem Theater. Filme, die international kommunikationsfähig sind, gibt es kaum. Da zeigt sich ein Vorzug des System Hollywood: Das bruchlose, selbstverständliche Verbinden von Kunst und Kommerz. Der Ehrgeiz der Method-Schauspieler liegt darin, als Person gleichsam vollkommen hinter der Rolle zu verschwinden, in ihr aufzugehend sich in einen Anderen zu verwandeln. Doch Robert De Niro ist durch seine künstlerische Präsenz ein solcher Star geworden, dass ihn keine Kunst mehr zu verbergen mag.

Text: Henryk Goldberg

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