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Na gut, ich habe es getan und es ist danebengegangen. Nein, ich habe nicht das Haushaltsgeld in Aktien von Bioethanol-Herstellern verzockt. Ich habe gekocht und zwar ein Eiersoufflé.

Die Tochter holte sich gleich den letzten Joghurt aus dem Kühlschrank und verkündete, sie habe sowieso keinen Hunger. Er hatte leider welchen, weshalb er schweigend die gelbe, flüssige Pampe löffelte. Den Rest schütte ich ins Klo.

Ich hätte es wissen müssen. Alle meine Soufflé-Anstrengungen endeten bis jetzt so. Ich kann trotzdem nicht anders. Ich muss es immer wieder tun.

Schuld ist der ANC. Genauer, seine Frauenliga. Auf einem studentischen Solidaritätsbasar erwarb ich einst eine Broschüre ihrer Herausgeberschaft: Internationale Gerichte. Die Herstellung der meisten Rezepte (z. B. Nasi Goreng) gab die sozialistische Versorgungslage nicht her. Aber immerhin wusste ich dank ihm schon vor der Wende, dass Sambal Olek kein russischer Samba-Tänzer war, sondern eine höllisch scharfe Chilipaste. In das Eiersoufflé, ich glaube es stammte von Winnie Mandela, verliebte ich mich sofort. Ein bisschen Mehl, ein bisschen Senf und eben Eier das war in jedem Konsum zu bekommen. Die Kochanleitung klang risikoarm. Sogar ein bisschen subversiv: Ein hungriger Mann kann warten, ein Soufflé, wenn es aus dem Ofen kommt, nicht.

Den kämpferischen Beistand der ANC-Frauen im Rücken, lasse ich seitdem in regelmäßigen Abständen die hungrige Tischmannschaft warten während im Ofen ein aktuelles Soufflé misslingt. Entweder verbäckt seine Oberfläche zu einer Kruste hart wie Asphalt, fällt in sich zusammen oder verweigert den Übergang in den festen Aggregatzustand. Der anfänglichen Experementierfreude ist mittlerweile eine Art trotziger melancholischer Ehrgeiz gewichen.

Aus genau dem selben Ehrgeiz ruiniere ich alljährlich am Karfreitag zwei bis drei teure Edelstahltöpfe beim Versuch, einen ukrainischen Osterkuchen zu backen, wie ihn meine Großmutter hinbekommen hat. Watteweich und quittengelb. Mit den steinharten Ergebnissen hätte man schon ein halbes Eigenheim mauern können.

Ist ja bald wieder soweit. „Lass es doch, weißt doch, es wird nichts.“ Ich höre ihn schon reden beim Versuch, mir den Osterkuchen auszureden. Oder wie neulich nach dem Soufflé: Er fand, sprach er, der Aufwand habe jetzt nicht direkt in einem spürbaren Bezug zum Ergebnis gestanden. Ein ehrliches Rührei hätte es auch getan.

So sind Männer. Pragmatisch und unsensibel. Sie werden nie verstehen, dass es, wenn sie in der Küche steht, nicht immer um ihn geht. Sondern um Werte wie Tradition, liebevolle Rituale, Selbstverwirklichung. Aber erklären sie das mal einem hungrigen Mann.

Ich bin da nicht allein. Ich weiß, auch andere haben ihr Päckchen zu tragen. Bördepäckchen zum Beispiel. Meine beste Freundin überrascht mit nicht nachlassendem Eifer Familie und Freunde immer wieder gern mit diesen Dingern. Ein Relikt aus ihrer Jugend. In Aluminiumfolie eingewickelte Schweinestücke mit Erbsen und Möhren aus der Büchse. Darüber ein Klecks Ketchup. Irgendwann, als es noch keine Chinesen mit Pekingenten um die Ecke gab und Tomatenketchup ein defizitäres Gut, ging das vielleicht als elitär durch. In Wirklichkeit schmeckt es ziemlich langweilig. Außerdem wird darin nie das Kotelett weich.

Ich schreibe das jetzt nur, weil ich muss. Wir sind in der Fastenzeit und die Kirche hat in diesem Jahr sieben Wochen Ehrlichkeit verordnet. Keine Ausreden, keine Ausflüchte, keine Lügen.

Und nur deshalb werde ich meine Mutter endlich bitten, nie wieder diese merkwürdige vegetarische Lasagne mit den gekochten und geraspelten Möhren für uns zu kochen. Auch wenn sie das schon seit Jahren so macht.

Natürlich werde ich es auch aushalten, wenn mich die ganze Wucht seiner Ehrlichkeit trifft. Wenn er bittet, nie mehr Osterkuchen, nie mehr Soufflé.

Aber irgendwann ist diese versöhnlerische Fastenzeit vorbei. Dann werde ich ihm die Pfanne in die Hand drücken und den Kochlöffel. Soll er sich doch sein langweiliges, spießiges, uninspiriertes Rührei selber braten.

 

© Elena Rauch

erschienen in Thüringer Allgemeine, 13.03.2011

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