Filme als posttraumatische Visionen der Kriege in Irak und Afghanistan

Der Krieg und das Kino, das ist eine lange Geschichte einer prekären Beziehung. Das Kino war immer das beste Propagandainstrument für den „modernen“ Krieg, für Männerkörper in Stahlgewittern, das Pathos des Sterbens und Tötens. Das Kino veränderte sich durch den Blick des Krieges, und der Blick des Krieges änderte sich durch das Kino und seine Nach-Medien (nichts vermag einen so sehr zu erschrecken als die Ähnlichkeit zwischen einem realen Bombenangriff und einem Computerspiel, außer die gefühllosen Kommentare, die man bei beidem gegenüber dem Wegschießen von Menschen zu hören bekommt). Aber es sind auch Filme, die den entschiedensten Protest gegen das organisierte Töten formulieren, die gerade den kriegerischen Blick, den das Kino sogar in seinen zivilisierteren Formen noch liebt, im Fantasy-Film oder dem Western zum Beispiel, gebrochen und widerlegt haben: Von „Im Westen nichts Neues“ bis zu „Letters from Iwo Jima“, von Godards „Die Karabinieri“ bis zu „Im Tal von Elah“ erhob, auf die unterschiedlichste Weise, das Kino Einspruch im Namen der Menschlichkeit und versuchte die Maschinerie und die Ikonografie des Militarismus zu entlarven. Und dabei verhält es sich mit dem Kriegsfilm wie mit dem Krieg selber: Es gibt furchtbare Konstanten, die ewige Wiederkehr einer Dramaturgie der Aggression und des Leidens, die immer gleiche Inszenierung des Militärischen. Zugleich aber ist jeder Krieg und jeder Kriegsfilm unvergleichlich, auf immer neue Art zugleich barbarisch trivial und unerklärlich. Niemand hat bis heute behauptet, den Krieg „verstanden“ zu haben.

Im Westen nichts Neues, © Universal

Ungleich scheint auch die Beziehung zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren; so sehr der Nationalsozialismus auf einer radikalen Militarisierung der Gesellschaft basierte, so wenig kam in seinem Kino der Krieg vor. Der Vietnamkrieg war lange Zeit, sieht man von einem Propagandastück wie John Waynes „Green Berets“ ab, für Hollywood ein Tabu-Thema. Man sprach allenfalls verschlüsselt, zum Beispiel in Western, davon. Dann aber, so sagt ein (vereinfachendes) Geschichtsbild, waren es gerade die Bildmedien, welche die Bevölkerung zu Abkehr und Abscheu brachte, und wenn das amerikanische Kino schon unfähig schien, diesen Krieg zu verstehen, so bemühte es sich immerhin, die psychischen und sozialen Wunden der Nachkriegszeit zu behandeln.

Bei den späteren Kriegseinsätzen zögerte man in der Traumfabrik und jenseits von ihr weniger. Grenada (Clint Eastwoods „Heartbreak Ridge“ aus dem Jahr 1986), der Einsatz in Somalia, (Ridley Scotts „Black Hawk Down“ von 2001) und der erste und zweite Einsatz im Irak („Three Kings“ 1999 von David O. Russell, „Jarheads“ 2006 von Sam Mendes inszeniert) wurden durchaus kritisch, wenn auch nicht gerade politisch-analytisch im Kino verhandelt. Die meisten dieser Filme fragten wenig nach den Ursachen und Auswirkungen der neuen Kriege als vielmehr nach dem, was sie mit dem einzelnen Menschen anstellen. In „Courage Under Fire“ (Mut zur Wahrheit,1996, Regie Edward Zwick) geht es um die Pilotin Karen Walden (Meg Ryan), die als erste Frau in der Geschichte der US-Army mit der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet werden soll – allerdings posthum. Colonel Serling (Denzel Washington), selber nicht ganz in persönlicher Balance, nachdem er einen der eigenen Panzer abgeschossen hatte, muss darüber entscheiden. Der Sanitäter Itario (Matt Damon) sagt aus, Walden habe trotz eigener Verwundung den Feind nach dem Absturz des Hubschraubers abgewehrt, um die eigenen Leute zu retten, doch der Schütze Monfriez (Lou Diamond Phillips) gibt ein ganz anderes Bild: Die Soldatin habe die Nerven verloren und sogar auf die eigenen Leute gefeuert. Serling kommt immer mehr darauf, dass die wahren Umstände ihres Todes von den Vorgesetzten verschleiert werden sollen. Ein realer Fall beim Somalia-Einsatz diente als Vorlage. Dass der Film in seiner Haltung dann eher unentschlossen bleibt, gibt das Verhältnis der meisten Zuschauer wieder: Man war von erheblichen Zweifeln gegenüber der offiziellen Kriegsgeschichte gepackt, wollte sich indes nicht vollständig von gewissen patriotischen Grundüberzeugungen trennen.

Auch gegenüber „Jarheads“, der Geschichte eines jungen Rekruten, der die Folgen des Krieges wiedergibt, auch wenn er selber keinen einzigen Schuss abgegeben, den Feind nie gesehen hat, lässt sich eine ähnliche Unentschlossenheit konstatieren, wie es die New York Times sarkastisch formuliert hat: „Es ist ein Film, der einige der dringlichsten und schmerzlichsten Probleme unserer heutigen Verhältnisse aufzeigt, sich laut räuspert und, mit gelegentlichen Schnörkeln von eindrucksvoller Rhetorik, nichts sagt.“ Aber eben dies kann man auch als Vorteil ansehen, er zeigt eine existentielle Situation der Zurichtung und Veränderung, lange vor den traumatischen Begegnungen mit Feinden und mit dem Elend des Krieges. Der Film seit den neunziger Jahren, der sich den Schrecken des Krieges durchaus zu stellen vermag, ist auch skeptisch gegenüber dem rhetorischen Pathos des Pazifismus.

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In Deutschland gibt es noch keinen Film, der sich der Tatsache,

dass wir eine Gesellschaft im Krieg sind, mit Intelligenz und Mut gestellt hätte.

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Auch der dritte Irak-Krieg brachte einige klassische „Flagwaver“, militärische Propaganda nur allzu bekannter Art wie „American Soldiers“ von Sidney J. Furie (2006) hervor, ein geradezu modellhafter Durchhaltefilm um eingeschlossene Soldaten, die der Übermacht des Feindes trotzen. Aber solche Filme wollte das Publikum nicht mehr sehen; trotz des „embedded journalism“ und der neuerlich angeworfenen Propagandamaschinerie wusste man einfach zu viel von der Realität, als solche heroischen Todesbilder noch zu genießen.

Wieder einmal zeigt sich am eindringlichsten das wahre Gesicht des Krieges dort, wo jeder es sehen kann, wenn er nur die Augen aufmacht, in der Geschichte der gezeichneten und traumatisierten Heimkehrer. „Home of the Brave“ (2006, Regie Irwin Winkler) etwa verfolgt die seelischen und körperlichen Nachwirkungen des Kriegseinsatzes bis hin zu jenem Ex-Soldaten, der sich absichtlich von Polizisten erschießen lässt, weil ihm eine Rückkehr in ein „normales“ Leben nicht mehr möglich ist. So blind und aggressiv eine Gesellschaft im Krieg gegenüber dem „Feind“ sein mag, so unbarmherzig und kalt zeigt sie sich auch gegenüber den eigenen Opfern. Ein besonders intensives Heimkehrerdrama wie „In the Valley of Elah“ (2007, Regie Paul Haggis) überforderte dann auch den Willen zur Selbsterkenntnis: Er schildert die Suche eines patriotisch gesinnten Vaters nach den Hintergründen für den Tod seines Sohnes kurz nach seiner Rückkehr vom Kriegsschauplatz, und im Verlauf seiner Recherchen muss er erkennen, dass dieser junge Mann sich in ein wahres Monster verwandelte. Im Tal von Elah kämpfte einst David gegen Goliath; das biblisch-historische Gleichnis endet damit, dass der Vater (eindringlich von Tommy Lee Jones dargestellt) die amerikanische Fahne verkehrt herum hisst, das Zeichen für größte Not und Rettungsbedürftigkeit.

Wenn Filme wie „Jarhead“ oder Katheryne Bigelows Film um die Bomben-Entschärfung als verzweifeltes Todesspiel „The Hurt Locker“ gleichsam existentialistische Filme sind, die den Menschen angesichts der vollkommenen Absurdität des Krieges auf sich selbst zurück geworfen zeigen, streifen viele der Heimkehrer-Filme eine metaphysische Dimension: Diese Menschen können sich in ihrer Verzweiflung selber nicht mehr helfen, ihr (stummer) Schrei nach Erlösung verhallt indes ungehört. Wie „The Valley of Elah“ so ähnelt auch die furchtbare Passion des Kriegsheimkehrers in „Badland“ (2007) von Francesco Lucente. Ein Mann, dem die Wiedereingliederung nach dem Krieg nicht gelingen will, tötet seine Familie, flieht mit der überlebenden Tochter durch das Land, scheint noch einmal Heimat zu finden, aber das Töten geht weiter, nicht obwohl, sondern gerade weil sich seine Mitmenschen durchaus um ihn kümmern. Die Heimkehrer in den Post-Vietnam-Filmen mussten an der Gleichgültigkeit ihrer Zeitgenossen verzweifeln und pflegten sich dann, wie „Rambo“, in monströse, revanchistische Einmann-Armeen zu verwandeln; nach dem Irak-Krieg ist das Verhältnis zwischen den Kriegsheimkehrern und der Heimat komplizierter. Es geht nicht mehr darum, dass die Gesellschaft den Heimkehrer nicht mehr will, es geht darum, dass sie zueinander nicht mehr finden können. So tragen die Heimkehrer die Schuld, die sie im Krieg auf sich laden mussten, in die eigene Gesellschaft, und sie kennen kein anderes Mittel der Erlösung als die Gewalt.

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Wieder einmal zeigt sich am eindringlichsten das wahre Gesicht des Krieges dort,

wo jeder es sehen kann, wenn er nur die Augen aufmacht,

in der Geschichte der gezeichneten und traumatisierten Heimkehrer.

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Es scheint in der Tat als würden diese Kriege am ehesten an der Heimatfront zu erklären sein, und so wurde auch „The Messenger“ (2009, Regie Oren Moverman) zu einem Schlüssel: Im Irakkrieg schwer verwundet wird der Staff Sergeant Will Montgomery (Ben Foster) dazu abkommandiert, die letzten Monate seines Militärdienstes bei der „Casual Notification“ zu verbringen, das heißt er hat die traurige Pflicht, den Angehörigen die Nachricht vom Tod eines Soldaten oder einer Soldatin mitzuteilen. Sein Partner Tony Stone (Woody Harrelson) hat sich mit stoischer Distanz an diesen Job gewöhnt. Er bringt dem Neuling die „eisernen Regeln“ bei: Schnell sein, möglichst noch „vor den Fox News“, nicht Klingeln sondern Klopfen, kein Körperkontakt mit den Trauernden, keine überflüssigen Worte und schnell wieder gehen. „Wenn Sie Hilfe brauchen: Die Angehörigenbetreuung kümmert sich um sie.“ Aber Will fällt es schwer sich an dieses Protokoll zu halten und durchbricht die vorgeschriebene Distanz, und bald erkennt er auch, dass Stones vermeintliche Ruhe nur eine psychische Verwundung überdeckt. Wie Bigelows „The Hurt Locker“ zeigt auch dieser Film einen professionellen Umgang mit der Situation, der keineswegs die emotionalen Tragödien überdecken kann. Und er zeigt, dass die Gesellschaft den Krieg, den sie am Ort vielleicht nicht verloren hat, spätestens zu Hause verliert. Es ist eine trostlose Welt, die den Krieg mit zu verantworten hat; von einem der gefallenen Soldaten erfahren wir, dass er in den physischen Krieg zog, weil er den psychischen „Krieg“ in der Familie nicht mehr aushielt. Aber zugleich rechtfertigt der Film auch die Macho-Posen; wieder mochte man den Vorwurf erheben, dass ein Film verabsäumt, eine entschiedene Position einzunehmen (Sidney Pollack, ein kritischer Filmemacher der „alten Schule“, der ursprünglich die Regie übernehmen sollte, verließ aus diesem Grunde das Projekt: Es missfiel ihm, vom Krieg zu erzählen und zugleich von der Politik abzusehen, die ihn hervorgerufen hat.)

Die Medialisierung des Krieges spiegelt ein Film wie „Redacted“ (2007) von Brian de Palma wieder. Mit einer Handkamera in gleichsam dokumentarischer Manier verfolgt er einige amerikanische Soldaten der „Alpha Company“ im Irakkrieg: Angel Salazar nimmt seine Kameraden mit der Videokamera im Einsatz auf, während sie einen Kontrollpunkt bewachen und zivile Passanten und Fahrzeuge kontrolliern. Bei einer Hausdurchsuchung nehmen sie einen Familienvater fest; zwei von ihnen, Flake und Rush, kehren kurze Zeit später zurück und vergewaltigen die 15-jährige Tochter. Salazar filmt auch diese Tat, die mit der Ermordung der gesamten Familie endet. Einige Tage später wird er selbst verschleppt und als Rache für das Verbrechen vor laufender Kamera enthauptet. Der Film endet einigermaßen sarkastisch; eine wirkliche „Aufarbeitung“ der Kriegsverbrechen findet offensichtlich nicht statt.

Mehr appellativen Charakter hat da schon „Stop-Loss“ (2008, Regie Kimberley Pierce), die Geschichte eines Mannes, der hoch dekoriert aus dem Irak in seine texanische Heimat zurück kehrt. Mit Hilfe seiner Familie und einem Freund scheint ihm zu gelingen, was so vielen verwehrt bleibt, eine Rückkehr zur sozialen Normalität. Doch da wird er, im „Stop-Loss“ genannten Verfahren, zurück in den Krieg geschickt. Dem entzieht er sich durch die Flucht, aber statt einer einfachen Desertion geht es ihm und seiner Freundin darum, einen politischen Appell zu realisieren. Sie erreichen nach einer Reise durch Amerika und der Begegnung mit anderen Irak-Veteranen beim Senator in Washington, der ihm einst seine Auszeichnungen verlieh, die Aufhebung der Einberufung und der „Stop-Loss“-Taktik.

The Hurt Locker (Tödliches Kommando), © Concorde Filmverleih

„PTBS“ (für posttraumatische Belastungsstörung) ist auch in der deutschen Gesellschaft als Folge von Kriegseinsätzen nichts Ungewöhnliches mehr. Es ist eine psychische Erkrankung, die sich in der Regel drei bis sechs Monate nach einem Einsatz zeigt, manchmal auch erst nach Jahren. Sie ist begleitet von „Flashbacks“, blitzartigen Rückerinnerungen an Situationen, in denen der Betroffene hilflos der psychischen, physischen und auch moralischen Überforderungen ausgesetzt war und kann durch scheinbar nebensächliche Sinneseindrücke (sogenannte „trigger“) ausgelöst werden. Eine mögliche Reaktion ist etwa eine „Flucht aus der Wirklichkeit“, wie sie der Film „The Jacket“ (2005), eine deutsch-britische Co-Produktion unter Regie von John Maybury, zu zeigen versucht: Der Golfkriegsheimkehrer Jack (Adrien Brody) wird beschuldigt, einen Polizisten ermordet zu haben und wird in die psychiatrische Anstalt gebracht, wo ein fanatischer Psychiater (Kris Kristofferson) ihn mit Isolationsexperimenten quält, bei denen er in einer Zwangsjacke und einer Kühlbox stundenlang allein bleiben muss. Dort träumt er sich in ein zweites Leben; die beiden Ebenen der Wirklichkeit begegnen sich stets dort, wo Jack seinen „eigentlichen“ Tod bei einem Angriff im Irak erlebte, als man ihn für tot hielt. Der Ausgangspunkt für die posttraumatische Belastungsstörung ist auch hier ein Moment der radikalen Einsamkeit: Die gesellschaftlichen Kräfte, die diesen Krieg erzeugt haben, und der einzelne Mensch, der ihn „führen“ und erdulden muss, haben miteinander kaum etwas zu tun. Noch mehr als der Schmerz ist diese Erfahrung der vollkommenen Hilflosigkeit, welche sich auf den Verlust der Wirklichkeit, den Verlust auf ein menschliches Leben überhaupt, auswirkt.

Diese Erfahrung prägt auch das Verhältnis der Deutschen zum Krieg in Afghanistan: Der Einsatz deutscher Soldaten und Soldatinnen am Hindukusch dauert bereits länger als der Zweite Weltkrieg, und Verteidigungsminister Franz-Josef Jung bereitete mit einem „robusten Mandat“ die Öffentlichkeit darauf vor, er könne noch „Jahrzehnte andauern“. Umfragen belegen, dass die Mehrheit der Deutschen diesen Krieg ablehnt, der offensichtlich die Lage eher schlimmer als besser macht und der obendrein auch völkerrechtlich höchst umstritten ist. Bislang aber ist eine Art von Konsens vorherrschend, aus der Trauer über diesen verfehlten Krieg wird kein öffentlich artikulierter Zorn.  Kein Wunder, dass auch der deutsche Film das Thema höchst vorsichtig behandelt und sich erst jetzt, mehr als zehn Jahre nach dessen Beginn zaghaft mit den Folgen auseinandersetzt.

Wie empfindlich man dabei dennoch reagierte, zeigt der Fall des ARD-Films „Willkommen zu Hause“ über einen aus Afghanistan zurückgekehrten Bundeswehrsoldaten im Jahr 2008. Zunächst wurde er vom ursprünglichen Starttermin um ein viertel Jahr verschoben, zu weniger brisanter Sendezeit. Dabei ist die Geschichte von Ben (Ken Duken), der in Afghanistan einen Bombenanschlag mit mehreren Toten erlebt und nach seiner Rückkehr in die heimatliche Pfalz mit dem Geschehen nicht zurechtkommt, kaum politisch und durchdrungen vom Wunsch nach Aussöhnung.

Im Jahr 2008 war auch der thematisch verwandte Film „Nacht vor Augen“ von Brigitte Maria Bertele auf dem Forum der Berlinale uraufgeführt worden. Auch hier geht es um die Heimkehr eines traumatisierten Soldaten in seine Heimat, nun ist es der Schwarzwald. Und wie Ben wird auch David (Hanno Koffler) zunächst von seiner Familie, den Freunden und der Freundin Kerstin (Petra Schmidt-Schaller) zwar freundlich begrüßt, aber niemand interessiert sich ernsthaft für die Erlebnisse „dort drüben“. Und das in „gemütlicher“ Geselligkeit verdrängte muss sich hier wie dort in „unkontrollierten Ausbrüchen äußern, die zum bürgerlichen Milieu nicht passen und auf vollständiges Unverständnis stoßen. Die Drehbuch-Autorin Johanna Stuttmann bekannte freimütig: „Das Schwierigste daran ist für mich immer noch, dass ich Fragen aufwerfe, auf die ich selbst keine Antworten habe“.

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So tragen die Heimkehrer die Schuld, die sie im Krieg auf sich

laden mussten, in die eigene Gesellschaft, und sie kennen

kein anderes Mittel der Erlösung als die Gewalt.

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„Heilung“ versprechen da schon eher die entsprechenden Serien; Kriegsheimkehrer müssen in der „Lindenstraße“ vom Kollektiv und bei „Bloch“ vom schwergewichtigen Psychologen-Helden therapiert werden. Eine wirklich kritische Haltung nehmen alle diese Filme nicht ein, die sich eher therapeutisch als analytisch verstehen. Sowohl „Tod eines Freundes“ als auch „Willkommen zu Hause“ versichern, in „enger Kooperation mit der Bundeswehr“ entstanden zu sein. Daher kommen die traumatisierten Soldaten, die von der Gesellschaft wieder aufgenommen und „aufgerichtet“ werden sollen, auch nur als Opfer vor, ihr Potential als Täter im fremden Land, was die meisten amerikanischen Filme nicht ausklammern, kommt hier nicht vor.

Der Debütfilm „Waffenstillstand“ von Lancelot von Naso zeigt sich da ein klein wenig mutiger. Er untersucht das Verhalten einer Gruppe von deutschen Journalisten und Ärzten unterwegs von Bagdhad ins Kriegsgebiet von Faludscha. „Nur weil es im Irak spielt“, so der Regisseur, „heißt es ja nicht, dass es nicht auch Fragen behandelt, die für uns in Deutschland wichtig sind. Jetzt die Situation in Afghanistan zum Beispiel ist die gleiche Situation, die wir damals im Irak hatten. Es artet in einen Bürgerkrieg aus, und wir wissen eigentlich nicht, was wir da machen sollen“. Es ist die Ratlosigkeit, nicht nur der Soldaten, sondern auch jener, die berichten und die helfen wollen, die die Unwirklichkeit des Geschehens noch erhöht.

Auch in den USA hat sich das Fernsehen mit dem Stoff auseinanderzusetzen versucht und ist dabei am Ende an der Gleichgültigkeit des Publikums und den Interessen der Wirtschaft und der Politik gescheitert. „Over There“, eine Produktion des Kanals FX, zeigte in 13 Folgen im Jahr 2005 sowohl Erfahrungen von Soldaten an der Front im dritten Irak-Krieg als auch das Leben ihrer Angehörigen in der Heimat. Anders als die üblichen Serien und sogar die kritischen Heimkehrerfilme wirft diese Serie auch einen Blick auf die irakische Zivilbevölkerung und ihr Leiden durch den Krieg und lässt ihre Sicht der Dinge zu. Trotz allerbester Kritiken wurde die Serie im November 2005 „wegen sinkender Einschaltquoten“ eingestellt.

Aber ohnehin ist fraglich, wie weit man mit den Mitteln der Fiktion der Wirklichkeit der Kriege im Irak und in Afghanistan beikommen kann, zumal wenn die Bilder- und Erzählmaschinen wirtschaftlich und politisch so kontrolliert sind. Der direkte dokumentarische Blick erst zerstört die Reste von Propaganda, Rationalisierung und Helden-Pathos. Sebastian Junger und Tim Hetherington folgen in „Restrepo“ (2010) dem jungen Soldaten Juan Restrepo in den Einsatz in Afghanistan. Er ist begeistert und freut sich regelrecht auf seinen Einsatz: „Das wird verrückt!“, jubelt er und filmt sich selbst und seine Kameraden mit der Handy-Kamera: „Wir lieben das Leben! Und wir ziehen in den Krieg“. Nur noch kurz dauert dieses Leben: Im Korengal-Tal stößt Restrepos Patrouille auf einen Hinterhalt der Taliban, er wird von zwei Schüssen in den Hals getroffen und verblutet, bevor der Helikopter ihn ins Hospital bringen kann. In Erinnerung an ihren toten Kameraden haben die Soldaten der 173rd Airborne Brigade ihrem Gefechtsposten über dem Korengal-Tal den Namen „Restrepo“ gegeben. Das Leben lieben fällt hier schwer. Überleben ist alles was bleibt.

Noch rücksichtsloser und genauer schildert der dänische Dokumentarfilm „Armadillo“  von Janus Metz die Wirklichkeit in diesem Krieg, es ist vor allem die Gefühlsroheit, die hier erzeugt wird, was uns den Atem raubt: „Was kümmert mich, wenn hier ein Mädchen stirbt. Pech, wie verschüttete Milch. Es sterben so viele Leute.“, so sagt es einer der dänischen Soldaten in Afghanistan, die Metz Monatelang bei ihrem Einsatz begleitet hat. „Fuck, war das fett! Da lagen vier und röchelten. Taktaktaktak, wir halten drauf, 30, 40 Schuss in den einen. Da kriecht keiner mehr weg, wenn wir da waren. Fucking fett! Jetzt ist man im Krieg gewesen!“ Wer so redet hat nicht einmal den Unterschied zwischen einem Computerspiel und einem „richtigen“ Krieg begriffen. Und wer so redet befindet sich bestimmt nicht in einem Einsatz für den Frieden.

Filme wie dieser, nebst ein paar Bildern in YouTube und Wickileak, mögen zeigen, dass nicht einmal das Bild von Menschen stimmt, die durch den Krieg kaputt gemacht werden. Offensichtlich schicken die westlichen Armeen bedenkenlos schon sehr kaputte Menschen in diesen Krieg. Das ist eine sehr unangenehme Wahrheit, die nur Filme so deutlich zeigen können.

Die Anzahl jener, die so etwas sehen wollen, hält sich indes in Grenzen. Stattdessen hält der Games-Shop um die Ecke schon Afghanistan-Ballerspiele bereit, und die Trashmovie-Produktion liefert „warnography“ wie „Afghan Knights“ (Afghanistan – Die letzte Mission) für den DVD-Abend. Der Krieg am Hindukusch kehrt nicht nur in Form von traumatisierten und verwundeten Menschen in unsere Gesellschaft zurück, er wurde hier schon produziert. In Deutschland gibt es noch keinen Film, der sich der Tatsache, dass wir eine Gesellschaft im Krieg sind, mit Intelligenz und Mut gestellt hätte. Auch das sagt etwas über uns aus.

Text: Georg Seeßlen