„Seelenverwandt“ nannten sich Robert Frank, der weltberühmte Fotograf aus New York, und Gundula Schulze Eldowy, die junge Frau aus Erfurt. Sie war in den 1970er Jahren nach Ost-Berlin gekommen und wild entschlossen eines Tages mit ihren Fotografien, wie ihr Vorbild Diane Arbus, im MOMA zu „landen“. Dass dieser Traum Wirklichkeit werden sollte ist einer eigentlich unmöglichen Freundschaft geschuldet. Und dem Umstand, dass 1989 die Mauer fiel.

Robert Frank hatte Gundula Schulze Eldowy 1985 in Ost-Berlin kennengelernt. Fortan wurden Postkarten und Briefe über einen West-Berliner Kontakt geschmuggelt und ausgetauscht. „Du hast so viel Sympathie fürs Leben und Leiden, für die Menschen, die ahnen, dass mit deinen Fotos etwas von ihnen übrig bleiben wird“, schrieb ihr der Mann, der mit seinem Fotoband „The Americans“ (1958) die Bildästhetik revolutioniert hatte. So wie die Fotografien Robert Franks ein Amerika jenseits von „Happiness“ zeigten, so hielt auch Gundula Schulze Eldowy eher diejenigen in ihren Bildern fest, die zu den Verlorenen, Kranken, Alten und Übersehenen zählten. Schonungslos und zugleich sensibel, so ließe sich vielleicht in zwei Worten der Akkord beschreiben, welcher die Fotografien beider Künstler bestimmt.

Bis Gundula Schulze Eldowy der Einladung Robert Franks nach New York folgen konnte, hieß es: „Keep a Stiff Upper Lip“, „Halt die Ohren steif!“, ein Zitat aus einem der Briefe. 1990 war es dann endlich soweit. In den Häuserschluchten der Mega-City änderte sich jedoch der Blick von Gundula Schulze Eldowy grundlegend. Die Künstlerin greift jetzt zu anderen Techniken, fotografiert und filmt mit gleich drei Kameras – klassische Fotokamera, Polaroid- und Hi8-Video Kamera – experimentiert mit dem Material, nutzt Doppelbelichtungen und Unschärfen. Fotografien entstehen, die teilweise wie Gemälde wirken. Beeinflusst wird sie dabei nicht zuletzt auch durch die Nachwehen der Beatniks- Bewegung, deren spielerisch, poetischem und experimentellem Umgang mit der Welt. Sie lernt über Robert Frank u.a. Allen Ginsberg und Peter Orlovsky kennen, Cindy Sherman oder Ted Croner, sie liest die Schriften C.G. Jungs und beschäftigt sich mit spirituellen Themen. Nicht mehr das unmittelbar Sichtbare, die Realität, ist das, wofür sie sich fürderhin interessiert, sondern es sind die fluiden und verborgenen Bewusstseinsschichten, die sie faszinieren.

Auf diesen „Traumbildern“ liegt einer der Schwerpunkte der feinsinnig kuratierten Ausstellung in der Akademie der Künste am Pariser Platz. Insgesamt werden über 200 Fotografien von Robert Frank und Gundula Schulze Eldowy gezeigt, einige davon das erste Mal. Besonders eindrücklich sind auch diejenigen Aufnahmen, die beide Künstler zusammen zeigen – bildgewordener Ausdruck ihrer Nähe und Vertrautheit. Auch kann man einige Filme von Gundula Schulze Eldowy in einer leider sehr engen Vorführ-Box kennenlernen, u.a. „Tamerlan“. Der Film zeigt den „Kreuzweg“ einer einst schönen und vermögenden Frau (Tamerlan), der erst die Zehen und dann beide Beine amputiert werden. Der 30-Minütige Film ist eine Leidensgeschichte, eine Anklage auch, hart montiert, mit original eingesprochenen Kommentaren, definitiv nichts für zarte Gemüter.

Demgegenüber ist der Diptychon-Film von Helge Misselwitz im Eingangsbereich leichte Kost. Schön ist er allemal. Atmosphärisch dicht wird hier die Geschichte dieser ungewöhnlichen Freundschaft nachvollziehbar gemacht.

Robert Frank ebenso wie Gundula Schulze Eldowy wußten sich vom Kunstbetrieb, von der Vermarktung ihrer Werke, zeitlebens fernzuhalten. Sie, die bis heute weltabgewandt am Fuße der Anden in Peru ein, wie sie sagt, paradiesisches Leben führt, und Robert Frank, der sich in die Stille von Mabou in Novia Scotia zurückzog. Die Ausstellung ist eine geglückte Hommage an zwei ungewöhnliche, nie angepaßte, ihre Freiheit über alles stellende Künstlerpersönlichkeiten, eine Wiederentdeckung Robert Franks und nicht zuletzt eine Aufforderung über die Kraft von Freundschaften nachzudenken.

Daniela Kloock

AUSTELLUNG

25.1. – 1.4.2024

2. und 3. März Filmprogramm in der ADK am Hanseatenweg.

Hier werden in insgesamt sechs Kinovorstellungen die äußerst selten gezeigten Filme Robert Franks zu sehen sein, u.a. der „Cocksucker Blues“, ein Film über die Rolling Stones bzw. deren Backstage -Realität.