Von Zeit zu Zeit tut es einem Kritiker gut, einen Film statt mit seinesgleichen mit dem echten Publikum anzusehen. Dann mag man gelegentlich erkennen, dass sich nicht nur der „Meinungsaustausch“ der Kritiker, sondern auch die Mechanismen des Bilder-Marktes als Regelkreise nicht unbedingt mit der konkreten Wirkung eines Films zur Deckung bringen lassen. Und Filme verkaufen sich uns nicht nur durch das, was sich vor unseren Augen abspielt.

Ich war ziemlich fest entschlossen, den Film „(T)Raumschiff Surprise“ nicht nur frohen Herzens und jenseits aller Bedenken gegenüber dem Übermaß an McDonalds-Merchandising, Medien-Multiplikation und Marktgängigkeit zu genießen, und dafür auch jene guten Gründe wieder zu finden, die mir beim „Schuh des Manitu“ das zum Frohsinn tendierende Herz geöffnet haben: Die handwerkliche Kompetenz, mit der das alles gefertigt wurde, das spürbare Vergnügen aller Beteiligter dabei, die Detailliebe, und dann natürlich der gesamte Vorgang: Ein Bauchklatscher in die sich mählich trübenden Wasser der deutschen Pop-Mythologie. Aber dieses allfällige Wohlgefühl des Amüsements, dessen man sich nicht zu schämen braucht, wollte sich diesmal nicht so recht einstellen, obwohl doch alles, was beim Vorgänger so prächtig funktionierte auch hier reichlich geboten wird.

Es war eine Nachmittagsvorstellung. Das Publikum: vor allem Teenager, kurz vor Ferienbeginn, Familien à la Vater/Mutter/Kind oder Vater/Kinder/Nachbarskinder, überraschenderweise auch ein paar Menschen im Rentenalter. Alle mindestens so entschlossen, sich gut zu amüsieren wie ich. Doch irgendwie ging es nie richtig los. Und spätestens nach der Hälfte des Films schien mir diese Stille, selbst bei todsicheren Gags, fast unheimlich. Das langsam nur sich aufbauende Gemeinschaftsgelächter schien eher pflichtschuldig, und das unsichere Umsehen meines Nachbarn, ob dies oder jenes nun auch beim Rest der Zuschauerreihe nicht doch zum Brüller erklärt werden müsse, machte mich, indem es mich so irritierte, darüber hinaus darauf aufmerksam, dass auch ich von „(T)Raumschiff Surprise“ nicht wirklich gefesselt war. Der Ruhm dieses Films ist scheinbar größer als seine Wirkung. Und am Ende waren die Gesichter nicht so glücklich, wie man es an einem solchen badeuntauglichen Sommernachmittag vielleicht hätte erwarten dürfen. Was war geschehen? Das Publikum mochte sich das nicht so genau sagen – und vielleicht ist es am Abend ja ein ganz anderes und zwar genau das richtige für diesen Film. Soll ich behaupten, dass gute Mainstream-Filme auch am Nachmittag funktionieren müssen? Ich will lieber ein paar Gründe dafür anführen, die möglicherweise erklären warum dieser Film möglicherweise gar nicht so gut funktioniert wie möglicherweise viele glauben (und ihn dann bei all der Medienverstärkung möglicherweise doch lieber für gelungener halten als sie es tief im Inneren tun).

Das fängt bereits mit den Vorlagen an. „Raumschiff Enterprise“, „Star Wars“, die „Orion“, „Zurück in die Zukunft“ und all die Genre-Perlen entstammen, anders als unser Winnetou, einem vergleichsweise offenen mythischen System. Wenn sie nicht schon ihre eigene Parodie waren, dann zogen sie einen Kometenschweif der Travestien, des Klamauks und der Satiren hinter sich her, und manches davon war, so zwischen Mel Brooks und den Simpsons, gar nicht mal so schlecht. Nun mag die Gag-Dichte bei „(T)Raumschiff Surprise“ für unsere Verhältnisse vergleichsweise hoch sein, die Pointen sind doch Stück für Stück serviert und weniger ineinander komponiert – die schnelleren und heftigeren Genre-Parodien sind in diesem Fall schon gedreht. Und Lakonie werden wir hier ohnehin nicht erwarten. So kommt recht selten etwas wirklich unvorbereitet, und noch seltener funktionieren komische Konstruktionen auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Wir im Zuschauerraum müssen uns also auf ein gemeinsames komisches Niveau einigen (anstatt ein lustvolles Durcheinander unserer Seelen-Grammatik zu erleben). Dagegen ist nichts zu sagen, es birgt aber die Gefahr, dass dieses Publikum so zusammengesetzt ist, dass es diese Arbeit einfach nicht schafft oder sie zumindest als ein bisschen mühsam erlebt.

Die Helden einer Genre-Konstruktion als spielende Kinder zu enttarnen, die wiederum in ihrem sexuell unklaren Spiel etwas forciert Tuntenhaftes produzieren, ist als Erzählhaltung nun auch garantiert nicht mehr neu. Doch das funktioniert hier nun auch wieder von der komischen Technik her nur sehr bedingt. Dem Kid/Idiot/Tunte-Trio, das etwas unmotiviert rasch auf ein Duo zusammenschrumpft, steht mit Til Schweiger zwar ein ganz ansehnlicher straight man gegenüber, doch der hat eigentlich nur rein äußere Berührung mit den Rollen der Dummen Auguste. Er rauscht ansonsten durch eine ganz andere komische Galaxis.

Spucky und Kork sind auf zu gleichem Level, um eine fruchtbare komische Spannung, eine Laurel & Hardy-Tiefe zu erreichen. Nur in wenigen Augenblicken erreichen sie es, dass man hinter dem Affektierten etwas Anrührendes entdeck. Für die Kids gibt es also keine rechte Einstiegsmöglichkeit zwischen Befremdung und Denunziation, für die „Erwachsenen“ im Publikum ist das tuntige Gehabe der Hauptdarsteller nach einiger Zeit eher peinlich als komisch. Man weiß nicht recht, wer oder was dadurch getroffen werden soll. Und für alles dazwischen fehlt es an Ambivalenz.

Was also bei „Der Schuh des Manitu“ ein Spiel mit der Unklarheit der sexuellen Rollen war, mit einer Drohung, jederzeit aus dem Spiel auszuscheiden (und wobei das Tuntige, offensichtlich eine Obsession des Autors/Regisseurs, recht geschickt auf eine Verdopplung als Nebenfigur gelenkt war), das zerschellt hier an seiner karikaturhaften Überdeutlichkeit: „Doofe Tunten im Weltraum und auf Zeitreise“ trifft aber nicht den Kern der Sache. (Denn dass, so zwischen Sex und Gender irgendwas an unseren Helden und ihrer Beziehung zueinander und zum Rest der Welt nicht ganz so ist, wie es die offizielle Fanclub-Seite will, das erahnten wir ja schon vorher.)

Auch die ästhetische Ebene scheint mir von einem ganz ähnlichen Bruch bestimmt. Die Special Effects dieses Films, ebenso wie der flüssige Schnitt und, jawohl, auch Herbigs Mise en scene sind durchaus bewundernswert. Nur scheinen die großen und die kleinen Szenen aus gänzlich anderen Filmen zu stammen, so als hätte jeweils ein anderer Ehrgeiz die Oberhand. Genre-Parodie und Typen-Komik, Sex Comedy und Kinderfilm, Ausstattungsstück und Dialog-Komödie, transgressiver Humor und feelgood-Elemente, Trick-Animation und Zitat-Technik. Alles passt, nur passt es nicht wirklich zusammen, und schon gar nicht wird etwas Neues daraus. Es ist ein Film, der nicht funktioniert, obwohl er von einem hübschen Maß an guten Einfällen und solidem Handwerk getragen wird. Vielleicht sollte man daher auch weniger von einem Film sprechen, der nicht funktioniert, als von einem, der nirgendwohin führt. Nur ein bisschen amüsiert und ein bisschen unzufrieden zurück in einen verregneten Sommernachmittag.

Autor: Georg Seeßlen