Richard Preston hat in seinem Tatsachenroman „Hot Zone“ davon erzählt, wie in den siebziger Jahren der tödliche Ebola-Virus aus Afrika plötzlich, übertragen von grünen Meerkatzen, in Europa und Amerika auftauchte und unbemerkt von der Öffentlichkeit und unter Opfern schließlich ausgerottet werden konnte. Eine Art biologischer GAU, den Militär und Politik beinahe erfolgreich vertuscht hätten. Gleich zwei Hollywood-Produktionen, CRISIS IN THE HOT ZONE von Ridley Scott und OUTBREAK von Wolfgang Petersen, nahmen sich des Stoffes an. Scotts Film, der sich an Prestons Roman und damit an die historische Wirklichkeit halten sollte, kam über das Stadium der Planung nicht hinaus; Petersens Film, eine Dramatisierung, die gleichwohl noch zu Genüge auf die wirklichen Ereignisse hinweist, kommt nun in einer Zeit in die Kinos, wo drei Zeitstimmungen aufeinandertreffen, die dem Film die Aufmerksamkeit des Publikums garantieren sollten:

Von Aids bis zum Rinderwahnsinn mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Produktion, Übertragung und Ausbreitung tödlicher Krankheitserreger auf den Eingriff der Menschen in immer tiefere Schichten der natürlichen Abläufe zurückzuführen ist. Der Zusammenbruch des Sozialismus und der globale Bürgerkrieg haben die Phantasie von einem äußeren Gegner obsolet gemacht und eine unbestimmte Vorstellung von der Bedrohung aus dem Innern an seine Stelle gesetzt. In der jüngsten Medialisierungswelle sind mit der Flut von Information und Unterhaltung die Ängste gestiegen, daß, so sehr sich bestimmte Bereiche des gesellschaftlichen Lebens einem gnadenlosen medialen Zugriff ausgesetzt sehen, andere medial ausgegrenzt, dem öffentlichen Wissen entzogen werden könnten (und es gibt nach den Erfahrungen der jüngsten Zeit kaum Grund, daran zu zweifeln, daß zur Manipulation des öffentlichen Wissens auch Gewalt gegen unliebsame Zeugen angewandt wird). In diesem späten Stadium der freien Marktwirtschaft zersetzen sich die Erlösungsphantasien; die Institutionen, die früher für die Synchronisierung individueller, gesellschaftlicher und staatlicher Impulse sorgten, vermitteln nun das größte Unbehagen. Die populäre Kultur findet keine rechten Bilder mehr dafür, die Ängste, das größte Unbehagen, mit denen sie laboriert, wieder aufzulösen. Sie pendelt zwischen Zynismus und Metaphysik.

Wolfgang Petersen hat einen in mehrerlei Hinsicht harten Thriller geschaffen. Er bleibt, was die Voraussetzungen anbelangt, ganz im Faktischen, bleibt zugleich dem mehr oder minder modernen Konzept der Verknüpfung von Aufklärung und Unterhaltung und dem Erzählprinzip von Aufgabe und Lösung, vom Spannungsbogen der last minute rescue treu, und schließlich setzt er den Zuschauer von Anfang an optisch, akustisch und emotional so unter Druck, daß keine Chance bleibt, die im wesentlichen viel eher melodramatische als aufklärerische Konstruktion des Plots zu verlassen.

Aus Afrika wird ein Virus-Ausbruch gemeldet und der Armee-Experte Colonel Sam Daniels (Dustin Hoffman) reist im Auftrag seines vorgesetzten Generals (Morgan Freeman) zusammen mit einem jungen, noch unerfahrenen und einem bewährten Kollegen an den Ort des Geschehens. Daniels‘ Warnungen vor dem Ausbreiten des Virus werden abgeschmettert; man versucht, ihn von dem Fall fernzuhalten.

Dann taucht, nachdem ein Mann illegal einen Affen aus Afrika zu verkaufen suchte und eine Reihe von unglücklichen Zufällen zu Übertragungen geführt haben, die Krankheit in einem kalifornischen Städtchen auf. Ford und die Wissenschaftlerin Keough (Rene Russo), von der er sich gerade hat scheiden lassen (das ist die private Seite der Geschichte) tun ihr möglichstes, den Virus zu bekämpfen. Aber das Militär behindert sie dabei, und unter dem Befehl eines ranghohen Militärs (Donald Sutherland) soll schließlich der ganze Ort und seine Bewohner, die kranken wie die noch nicht angesteckten, durch eine Bombe vernichtet werden. Ist es besser, tausende Menschen zu töten, um Millionen zu retten? Darf sich eine solche Frage überhaupt stellen? Dustin Hoffman muss in der verbliebenen Zeit den tierischen „Wirt“ des Virus finden, aus dessen Körper ein Gegenmittel gewinnen, die Militärs an der Ausführung des Bombardements hindern, herausfinden, daß die Army das Problem durch ihre Anstrengungen zur biologischen Kriegsführung selbst geschaffen hat, Hubschrauber-und Autojagden hinter sich bringen und schließlich seine Ex-Frau, die sich im aufopferungsvollen Einsatz infiziert hat, in letzter Minute retten. Das ist ein bißchen viel, zumal Dustin Hoffman schon zu Beginn des Films reichlich geschafft aussieht.

Wolfgang Petersen ist ein kompetenter Handwerker, der dem Genre zu geben weiß, was des Genres ist, und der zugleich den Zuschauer als ein denkendes Gegenüber ernst nimmt. Sein Eastwood-Film IN THE LINE OF FIRE ist perfektes, intelligentes Actionkino. Aber seinen Arbeiten haftet oft auch etwas ungeheuer angestrengtes und hermetisches an, kein Augenblick der Ruhe, keiner des selbstgenügsamen Spiels, keiner, in dem Raum wäre für das Unerwartete. Wolfgang Petersen erfüllt die Regeln besser als die meisten anderen, er ist der vollkommene Inszenator, der hinter der Inszenierung verschwindet, der unsichtbarste unter den unsichtbaren Regisseuren. Das ist kein Fehler, es beschreibt nur Grenzen.

In der 65-Millionen-Dollar-Produktion OUTBREAK hat Petersen nicht eine Möglichkeit ausgelassen, aus dem Stoff das Optimum an Spannung und Effekten herauszuholen. Über zwei Stunden ist immer etwas los, man verliert den Zusammenhang nicht, und die Geschichte läuft mit mechanischer Präzision ab. Gelegentlich unterliegt der Regisseur dabei auch der Faszination eben jener Dinge, die der Thriller an seiner Story-Oberfläche zu kritisieren unternimmt. Kamera und Musik scheinen gar zu verliebt in stationäre, fahrende und fliegende Kampfmaschinen, in dunklen Stahl, Hubschrauber über dem Fluß, zackige Kommandos. Und als Lösung für das, was als Zeitbombe in unseren Gesellschaften arbeitet, bietet sich vor unseren Augen wieder der Kampf der Guten gegen die Bösen, und die Halbbösen entscheiden sich im dramatischen Augenblick für das Gute. So klappt’s. Und so funktioniert der Film auch als grandiose Absolutionsmaschine; die Bilder und moralischen Volten des Drehbuches fressen sich beständig auf, Reminiszenzen, etwa an den Atombombenabwurf von Hiroshima und Nagasaki brechen sich am Widerspruch zwischen Patriotismus und Menschlichkeit (sind es „Amerikaner“ oder Menschen, die die beiden Bomberpiloten schließlich doch nicht exterminieren?) und am Ende hat man nichts von einem falschen System verstanden, sondern nur einen, zugegeben: von Donald Sutherland einmal mehr hinreißend verkörperten Bösewicht eliminiert, der stellvertretend für die schlechte Seite der Organisation bezwungen wird.

Wolfgang Petersens Film ist vollkommen durchdacht; jede Nebenrolle treibt die Hauptlinie der Handlung voran, hat ihr eigenes Gewicht und reicht hinein in eine Mythologie von nationaler Entzweiung und Versöhnung zwischen den Klassen, Rassen und Geschlechtern, jeder Schnitt steigert den bizarren Impuls eines Hasses gegen ein Ding, das wir nur von einem Computerbild her kennen. So beginnt sich auch die Suche nach dem Bösen im Kreise zu drehen. Können wir einen Virus hassen? Stacheldraht? Milchgesichter an den Hebeln von Vernichtungswaffen? Donald Sutherland? Daß die Rekonstruktion des Feindbildes letztlich scheitert ist einerseits sympathisch; und andererseits mündet der Film in die hilfloseste Bestätigung des Status quo, die man sich denken kann. OUTBREAK ist waghalsig kritisch und muffig reaktionär zugleich. Die Dramatisierung und zugleich Selbstaufhebung von Gesellschaftskritik zu betreiben, sie mehrfach lesbar und ideologisch polyvalent zu machen, war schon immer eine Spezialität des Hollywoodfilms. Und das ist nicht nur eine Sache des Drehbuchs, es reicht bis in die einzelne Einstellung. Wolfgang Petersen erweist sich auch darin als später deutscher Meisterschüler.

Autor: Georg Seeßlen

Text veröffentlicht in epd film 4/95