Am Anfang und am Ende dieses Filmes stirbt ein Kind. Dazwischen liegt der Versuch, eine halbwegs freundliche, ein wenig rhetorische Geschichte über amerikanische Punks zu erzählen.

Sie beginnt mit der Schilderung eines Jungen, der es zu Hause nicht mehr aushält, weil seine Mutter aus Hass gegen ihren Mann, der sie mit den zwei Söhnen alleingelassen hat, zur betrunkenen Hexe geworden ist. Er findet Aufnahme bei einer Gruppe von Kids, die sich in einem verlassenen Haus am Rande der Vorstädte eingerichtet haben. Sie alle sind entwurzelt in diesem Suburbia, das von manchen Erwachsenen noch als Paradies betrachtet wird, während die Kids in ihm bereits „die Slums von morgen“ erkennen.

Da ist das Mädchen, das von seinem reichen Vater geschlagen wurde, als sie sich seinen Annäherungsversuchen widersetzte. Da ist der Junge, der es bei seinem homosexuellen Vater nicht aushält. Da sind behinderte Kinder, die hier mehr Solidarität finden als in ihren Familien. Da ist ein anderer, dessen Stiefvater Polizist, mehr noch: ein schwarzer Polizist ist.

Diese Kinderbande lebt von gelegentlichen Einbrüchen, tobt sich bei Punk-Konzerten aus und provoziert die guten Bürger mehr durch das Aussehen und die Sprache als durch manifeste Gewalt.

Doch offensichtlich stimmt es bei diesen guten Bürgern von Suburbia hinten und vorne nicht. Wirtschaftlich und erotisch ist das jedenfalls kein Paradies. Zwei von ihnen haben es besonders auf die Punks abgesehen. Sie machen Stimmung gegen sie, wo es nur geht. Nur der schwarze Polizist zeigt Besonnenheit und erklärt freimütig, daß ihn schießwütige Bürger mehr ängstigen als eine Handvoll Teenager, die kein Zuhause mehr haben.

Nach etlichen Zusammenstößen aber wagen diese Bürger den Angriff. Die Punks, die sich T.R. – The Rejected – nennen, weigerten sich, die Beerdigungsfeier zu verlassen, nachdem sich das Mädchen das Leben genommen hatte. Es kam zu einer Schlägerei in der Kirche. Statt auf den Rat des schwarzen Polizisten zu hören und die Stadt zu verlassen, bleiben die Punks in ihrem Haus und verteidigen sich. Es gelingt ihnen, die Gegner in die Flucht zu schlagen. Doch das Auto kehrt zurück und die Bürger töten einen von ihnen, den jüngsten, ein Kind, das in kriegerischer Bemalung Kreise mit seinem Dreirad zieht.

Ein Nebenmotiv der Geschichte erzählt von einer Horde wilder Hunde, die ebenfalls am Rand von Suburbia lebt. Am Anfang tötet einer der Hunde ein Kind. Einer der Punks hat einige Hunde eingefangen und gezähmt. Die Bürger machen zuerst Jagd auf die Hunde; sie schießen sie vom fahrenden Auto aus ab. Danach sind die Punks dran. Doch es sind gerade die Hunde, die sie in einer entscheidenden Situation verteidigen. Durch diese zweite, nur angedeutete Geschichte kommt eine Spur Phantastik ins Spiel; in einem entstehenden sozialen Niemandsland verwischen sich die Grenzen zwischen dem Wilden und dem Kultivierten. Dieses Motiv ist es auch, das uns der leidigen Aufgabe enthebt, die Geschichte an der Wirklichkeit zu messen. Es ist ein parteiisches Drama, das von Gesten, auch von filmischen Gesten lebt.

Dabei vermeidet die Drehbuchautorin und Regisseurin Penelope Spheers alle die Exaltationen, die in der Schilderung von Punks gang und gäbe geworden sind. Das traute Nebeneinander von Punks, Skinheads des Oj!-Movements und schlaffen Junkies ist zwar eher unwahrscheinlich, und die Bemühung, die Sehnsucht der Rejected nach Geborgenheit herauszustellen, ist gelegentlich etwas penetrant. Aber andererseits sind so geradlinige und wenig ausbeuterische Filme zu diesem Thema einigermaßen selten.

Das kommt vielleicht auch daher, dass Penelope Spheers, ohne je etwas anderes vorzuhaben als eine Geschichte zu erzählen, deren Protagonisten sie mag und für deren ferne Vorbilder in der Wirklichkeit sie das erklärende Epos liefern will, ihre Figuren für sich sprechen lässt. Die „Führung“ der Geschichte übernimmt eine Figur von der anderen, jede hat ihre eigenen Zeichen, ihre eigene Geschichte.

Dazu muss sie, das ist der zweite Vorteil dieses kleinen Films, der Versuchung widerstehen, in „Punk-Ästhetik“ zu drehen. Das Tempo des Films ist eher ruhig; aus den Fragmenten wird, ganz konservativ, etwas sehr Ganzes zusammengesetzt. Die Kamera macht sich nur selten an die Menschen heran, bewahrt die Form des Dramatischen; sie versucht Beziehungen darzustellen und eine „Bühne“. Einmal in Bewegung, versucht sie ein kollektives Pathos im Sinne der Kids herzustellen.

Roger Corman war eher im Hintergrund an dieser Produktion beteiligt. Und doch hat dieser kleine Film „Corman-Eigenschaften“.

Worauf sehr viel größere Produktionen längst verzichten: überlegte Schnitte, Kamerabewegungen, die nicht so aussehen, als würden zwei Assistenten versuchen, mit der Kamera als Football durch eine schlampig zusammengeramschte Szenerie zu brechen, eine Geschichte, an der offensichtlich alle Beteiligten Interesse haben, Fehler – das findet man in diesem altmodischen Film. Was ich sagen will: Es gibt schlechtere als SUBURBIA.

Autor: Georg Seeßlen

Tex tveröffentlicht in epd Film 4/86