In diesem Film gibt es sehr viel Weißes. Es ist in der Kleidung der Protagonisten, in den edlen Innenarchitekturen, in den Film- und Bilddokumenten, im Neonlicht, es ist hell, es ist sauber, es ist teuer, und es geht noch tiefer. Das Weiß grundiert das Portrait eines Mannes, der sich entschlossen hat, im Augenblick und für sich selbst zu leben.

Rolf Eden, Nachtclub-König aus Berlin, Playboy, einer, der fast immer in den Klatschspalten war, und reich wurde mit Glitter-Zeug, Sex und Champagner, wo doch Wiederaufbauzeit war und das Wirtschaftswunder erarbeitet werden musste. Eine komische Hassliebe hatte die populäre Kultur der fünfziger und sechziger Jahre zu diesem Mann entwickelt, der dieses und jenes hatte, aber nicht gerade einen gediegenen Geschmack. Rolf Eden blieb gegenwärtig in den Niederungen des deutschen Journalismus noch bis ins neue Jahrtausend, wenn auch mehr als Gespenst einer sehr vergangenen Zeit. Jüngst – im Film wird es erwähnt, und Rolf Eden freut sich prächtig darüber – ist er zum „peinlichsten Berliner“ gewählt worden. Das überdeckt eher, dass einem einer wie Rolf Eden und seine Zeit peinlich geworden ist. Genau der, der sich kein bisschen schämt, seiner selbst nicht und der Zeit nicht, der er seinen immer noch beträchtlichen Reichtum verdankt.

Ist das nicht merkwürdig? Auf einmal sagt einem so ein Kerl wieder was, der in den siebziger Jahren stecken geblieben ist, in einer ewigen Pubertät sowieso, einer der das Leben genießt, Geld und Frauen liebt, der sich freimütig zu seinem Exhibitionismus bekennt und sich noch immer darüber freut, wenn er in der Zeitung steht, egal wegen was. So einer passt so sehr in die Zeit von Schuldenkrisen und sinkenden Reallöhnen wie ein Punk ins Eden Hotel, nämlich prächtig. Denn so einer ist plötzlich, auch und gerade weil ihn die Medien so gern zum unwürdigen Greis und zu einem jener Has-Beens machen, denen es für ein bisschen Aufmerksamkeit vor gar nichts graust, eine Aufforderung zum Widerstand. „The Big Eden“ ist der Film eines Kameramannes, und der schaut genauer hin.

Rolf Eden also ist ein Stück deutscher Kulturgeschichte. Und ein Stück jüdischer Kulturgeschichte. 1930 als Sohn eines Kistenmachers in Tempelhof geboren, kam er schon mit drei Jahren auf der Flucht vor den deutschen Faschisten nach Palästina, und wuchs dort in einem elterlichen Cafe auf, verdiente aber schon in jungen Jahren als Musiker Geld, schloss sich mit 16 der Untergrundarmee der Haganah an, die um die Unabhängigkeit des Landes kämpfte und überlebte mit viel Glück. Man mochte ihn als Helden gesehen haben, aber das wurde ihm fremd: „Ich war so dämlich, ich bin immer als erster nach vorne gelaufen. Heute würde ich als erster nach hinten laufen“.

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filmkritiken 2010-13-300Georg Seeßlen: Filmkritiken 2010 – 2013
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getidan Verlag; ca. 169 Seiten; 6,59 EUR

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Mit Leidenschaft für den Film und mit Liebe zum Kino

52 Filmkritiken, geschrieben und veröffentlicht in den Jahren 2010 bis 2013, bieten Einblicke und Ansichten, vermitteln Zusammenhänge und Perspektiven.
Das Thema der Filmkritik ist das Filmesehen. Und Filmesehen ist eine Kunst. Und Georg Seeßlen versteht davon eine ganze Menge. Seine kompetente Übersetzung des audiovisuellen Mediums Film in Sprache ist tiefgründig, vielschichtig und bezieht aktuelle gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen mit ein.
Gehen Sie mit Georg Seeßlen auf eine Reise in die Filmgeschichte. Eine Reise in Zeit und Raum.

 

 

 

Bilder: Senator Home 

The Big Eden
Peter Dörfler
Format: Dolby, PAL, Widescreen
Sprache: Deutsch (Dolby Digital 5.1)
Bildseitenformat: 16:9 – 2.35:1
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
Studio: Universum Film GmbH
Erscheinungstermin: 11. Mai 2012
Produktionsjahr: 2011
Spieldauer: 89 Minuten

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