Ein Zug fährt nach Italien. Im Schlafwagen macht der amerikanische Architekt Stourley Kracklite Liebe mit seiner Frau Louisa. „What a way to enter Italy“, bemerkt sie, die wir über dem Bauch des Architekten sehen. Nach dem Bauch die Architektur: Bahnhöfe, Gräber, historische Monumente. Und dann wieder der Bauch: Es wird, unter den architektonischen Monumenten, gegessen. Kracklite, der in Rom eine Ausstellung über den Architekten Etienne-Louis Boullée durchführen soll, wird willkommen geheißen. Noch sieht man ihn mit gieriger Freude über dem Essen, noch macht es ihm Vergnügen, seine Bauten mit herzhaften Nahrungsmitteln zu vergleichen. Aber am Abend im Hotelzimmer beginnt der Bauch des Architekten zu schmerzen. Er esse zuviel, meint seine Frau, und kommentiert das unterbrochene Liebesspiel: „Don’t start what you can’t finish.“

Kracklite ist in Gestalt des jungen, auf seine Weise ebenso arroganten Caspasian Speckler ein Rivale entstanden, der keine Gelegenheit ausläßt, ihn daran zu erinnern, um wie viel jünger Kracklites Frau ist als der Architekt, der sich auch in seinem Beruf gegen den Jungen durchsetzen muß. Wie die Frau Kuchen esse, meint Caspasian, lasse ihn denken, daß sie eine Affäre sucht. Caspasians Intrige erreicht einen Höhepunkt, als er Kracklite einredet, seine Frau versuche ihn zu vergiften, so wie Augustus einst von seiner Frau vergiftet wurde. In der Nacht zwingt der mißtrauisclte Kracklite Louisa, eine Feige zu essen. Am anderen Tag sucht er einen Arzt auf, der ihm aber versichert, daß er nicht vergiftet wird. Er leide vielmehr unter der ungewohnten Nahrung, zu viel Kaffee und möglicherweise zu viel Geltungsbedüfnis.

Kracklite durchstreift Rom und beginnt damit, Karten an Boullée zu schreiben, den er am Anfang noch mit Monsieur Boullée anspricht, dann aber ein vertrautes „Dear Etienne-Louis“ benutzt. Im Bad erfährt der betrunkene Architekt von seiner Frau, die mit Caspasian verabredet ist, daß sie ein Kind erwartet. Sie hält ihm vor, daß er sich mehr mit Boullée und seinen Magenschmerzen beschäftige als mit ihr.

Während Kracklites Magen weiter schmerzt, wachsen seine Zweifel an Louisa. Schließlich wird er, in einer vergleichsweise grotesken Szene, Zeuge des Ehebruchs seiner Frau. Kracklites Identifikation mit Boullée nimmt zu, je mehr sich sein Zustand verschlechtert: der französische Architekt ein Hypochonder, ein Krüppel, der nicht reisen wollte und nur wenig baute. Caspasians Schwester verfolgt Kracklite mit ihrer Fotokamera; sie hat seinen Rom-Aufenthalt, die offiziellen Auftritte wie seine heimlichen Zusammenbrüche, in faszinierend harten Bildern festgehalten, ebenso seine Frau und ihren Bruder. In Flavias Studio kommt Caspasian hinzu, wie sie sich Kracklite vor der Kamera hingeben möchte. Er verhöhnt ihn wegen seines Verhältnisses zu Louisa. Kracklite schlägt ihn nieder.

Die Krankheit des Architekten läßt es den Sponsoren angelegen sein, die Vorbereitungen der Ausstellung unterbrechen zu lassen. Man denkt, Caspasian könne der Ausstellung einen mehr „römischen“ und optimistischen Ausdruck geben. Der Architekt kämpft um seine Ausstellung, kämpft um sein und gleichzeitig Boullées Leben. Er will das Haus verkaufen, das er für seine Frau gebaut hat, sein Testament ändern. Er bittet sie, ihn nicht zu verlassen, aber es ist zu spät. „I just don’t need you anymore“.

Unabhängig vom Resultat einer bevorstehenden Untersuchung wird Kracklite von seiner Aufgabe entbunden. Er hat seine Frau, sein Kind und sein Lebenswerk an Caspasian verloren. Nach einer Untersuchung erfährt der Architekt von seinem bevorstehenden Krebstod. Er hat einen betrunkenen Auftritt in dem Restaurant beim Pantheon, wo er zu Beginn des Films willkommen geheißen wurde. Bei der Ausstellung gelingt es ihm, einen Wärter zu bestechen, und von einer Empore sieht er der Eröffnungszeremonie zu. Hier setzt er seinem Leben ein schreckliches Ende. Greenaway hat wieder ausgesprochen intensive Bilder für das Thema des scheiternden Künstlers gefunden. In seinem Film ist die Architektur stets zu mächtig, zu gewaltig; sie verändert das Licht, den Gang, die Stimme, sogar die Beziehungen. „Architecture, c’est mettre en œuvre la nature“, sagt Boullée, und der Film sagt genau das Gegenteil: Architektur verführt zum Wahnsinn, an ihr und in ihr müssen die Menschen scheitern, weil diese Schönheit nicht mehr als Behausung des Menschen wirkt. Beide, Caspasian und Kracklite, bezeichnen sich wechselseitig als Faschisten, und in beider Vorwürfe ist ein Kern der Wahrheit.

Aber das ist nur der Rahmen für eine neuerliche psychologische Kriminalgeschichte, die wieder den arroganten, selbstbezogenen Künstler in eine Intrige schickt, der er nicht gewachsen ist. Greenaways Filme sind insofern umgekehrte, romantische Künstlerportraits, sie zeigen eine materialistische Wahrheit, indem sie gegen den Künstler, der mit der Macht und der Gesellschaft spielt, den Künstler setzen, der seine Grenzen um gar keinen Preis, nicht einmal den des Selbstopfers, überschreiten darf. Caspasian, der mehr „Optimismus“ in das Werk bringen soll, ist nicht eigentlich ein Rivale des Architekten als vielmehr der perfekte Agent einer bestimmten Kultur, die den Schmerz nicht zulassen will.

Einige Bilderfolgen im Film führen einen eigenen ästhetischen Diskurs über das Sehen und Bilden (im übrigen ist der ganze Film voll von Szenen gegenseitiger offener oder noch mehr heimlicher Beobachtungen und Abbildungen). Aber zugleich bilden sie auch die McGuffins für eine eigentlich ziemlich simple Geschichte. Und der fehlen dann doch ein wenig die Überraschungen. Der Film verbreitet eine schreckliche Stimmung der Agonie, die ein wenig auch auf die künstlerischen Mittel zurückschlägt. Ein wunderschöner Film, der einen ausgesprochen schlecht gelaunt hinterläßt. Vielleicht hätte ihm ein bißchen Römisches, der eine oder andere Blick hinaus aus der Kunstwelt, die sich zu Tode inszeniert hat, auf das, was ich einmal naiv das pralle Leben nenne, gutgetan.

Autor: Georg Seeßlen

Text veröffentlicht in epd Film 10/87