Leben unterm eigenen Himmel

Susan Sarandon und Dustin Hoffman suchen den kleinen Frieden

Das Mädchen zieht den Pullover aus, legt ihre Brust an die des Jungen und weint. Sie weint ihre letzten Tränen um Cal, der seit drei Jahren in Vietnam ist, missing in action, und sie weint, weil sie ihn nun mit Jo endgültig beerdigen wird. Ist das die Trauer des Endes oder das Glück des Anfangs? Wer weiß das schon. Vielleicht, dass es beides ist und vielleicht, dass es so sein muss.

So schwebend wie diese traumhaft schöne Szene ist der Film von Brad Silberling. Der Mann weiß, wovon er spricht, vor einigen Jahren wurde seine Freundin ermordet. Mag sein, dass dies den Film gleichsam so privat geraten lässt, so warm, so unpathetisch und freilich auch deshalb so unaufwühlend. Auf eine hoch sympathische Weise klein. Als sagte einer, ich erzähle Ihnen jetzt einmal eine Geschichte. Einfach so.

Joes (Jake Gyllenhaal) Verlobte wurde erschossen, einfach so, kurz vor der Hochzeit. Ben, ihr Vater und Jo, ihre Mutter, würden den Jungen gern behalten, er nimmt ihn ins Geschäft, von dem der Junge nichts versteht, Vater, Mutter Kind. So gehen sie zur Beerdigung.

Der Fahrer, es ist der Weg zum Friedhof, betätigt versehentlich das Radio, es wird ziemlich laut. Peinlich, er korrigiert. Dann drückt jemand bewusst die Taste, die Mutter, und es wird wieder laut. Auf der Trauerparty bemerkt eine Dame, selbst der Hund sei traurig. Der Hund, er heißt Nixon, wie der aktuelle Präsident, kotzt der Dame auf die Schuhe.

Brad Silberlings Thema ist ungefähr Dein Leben geht weiter. Dazu gehören allerlei Skurrilitäten, die die Trauer nicht mindern, nur ihr Pathos dämpfen. Die Frau wirft das Buch Trauerarbeit für Erwachsene in den Kamin und es ist, als schaffe sich Silberling damit Raum für seine Geschichte. Denn die beiden Kinder hatten die Hochzeit schon abgesagt, nur die Eltern wussten es nicht und nun hat der Junge Angst, es ihnen zu sagen. Er spielt ihnen, was sie brauchen für ihre Vater-Mutter-Kind-Geschichte, er hat ein schlechtes Gewissen, als er sich verliebt, er schleicht sich zu ihr aus dem Fenster.

Der Film hat das Design der frühen siebziger Jahre und den Sound und sogar eine Jukebox. Moonlight Mile heißt ein Song der Rolling Stones. Ich schlafe unter fremden Himmeln, klagt da einer, aber über die Moonlight Mile kommt er schließlich nach Hause. Davon erzählt Brad Silberling, von dem schweren Weg, der unter den eigenen Himmel führt, zum eigenen Leben. Und er erzählt es unspektakulär, mit einer leisen Sanftheit, einer Zärtlichkeit, die wärmt, ganz ohne Tränen.

Und er erzählt es mit zwei wunderbaren Schauspielern. Susan Sarandon und Dustin Hoffman traten letzthin als Aktivisten der Friedensbewegung hervor. Hier leben sie diese Sehnsucht nach Harmonie. Sarandon dominiert die Szene, indem sie ihre Trauer verdrängt mit der Haltung einer souveränen Frau bis sie zusammenbricht, weil sie die Zusammenhänge begreift. Hoffman ist ein netter Kerl, der keinem Telefon ausweichen kann, der sich schützt durch Aktivismus. Und dann lächelt er ein leises verlorenes, ein unendlich trauriges Lächeln, das ihn begräbt wie einst den Handlungsreisenden Willy Loman. Auch dieses mal stirbt Willy Loman Ben tötet, was von diesem in ihm ist, den Selbstbetrug.

Einmal wundert sich Ben, dass es nun Schnürsenkel und Milch in einem großen Shop geben soll da merken wir, wie alt diese Geschichte ist.

Autor: Henryk Goldberg

Text geschrieben April 2003

Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine