Kein Ausweg, nirgends

Ein außergewöhnlicher Film über das Ausgeliefertsein des Menschen im Krieg

Der Mann zuckt mit der Schulter und trinkt ein Glas Wodka. Schicksal, sagt er nur. Seine Frau gibt ihm Speck und Zwiebeln. „Soll ich einen Spaten mitnehmen?“ fragt er die beiden Männer, die auf ihn warten. Sie wollen ihn erschießen, und er weiß es. Und wehrt sich nicht. Was soll man machen, es ist Krieg.

Dieser Film des Weißrussen Sergej Loznitsa nach einem Buch von Wassili Bykow ist eine Kostbarkeit und eine Anstrengung. Doch wer bereit ist, sich auf eine sehr langsam erzählte Geschichte einzulassen, der wird mit zwei so intensiven wie bedrückenden Stunden belohnt.

Das ist die Geschichte dreier Männer, Weißrussland 1942. Sushenya wird verdächtigt, Saboteure an die deutschen Besatzer verraten zu haben, doch er ist unschuldig. Die Partisanen Burov und Voitik wollen die Todesstrafe vollziehen. Doch es kommt anders und irgendwann wird der Mann, der erschossen werden sollte den Mann, der ihn erschießen wollte auf dem Rücken tragen wie Christus das Kreuz. Und sie werden versuchen, im Nebel des Krieges die Wahrheit zu finden und es wird ihnen nicht helfen.

Sushenya will nicht im Moor sterben, so führt ihn Burov zu den Kiefern. Sushenya gräbt sein Grab und irgendwann sagt Burov, es reicht, er muss es schließlich wieder zuschaufeln, dann. Was bringt einen Mann dazu, sein eigenes Grab zu schaufeln? Die zehn Minuten Leben? Die beiden Männer gehen miteinander um wie zwei, die ein Geschäft miteinander haben: So selbstverständlich, so resigniert, so die Situation hinnehmend. Es ist Krieg, es gibt keinen Ausweg.

Sergei Loznitsa kommt vom Dokumentarfilm, das sieht man. Es ist, als schaue die Kamera einfach nur zu, in extrem langen Einstellungen, die kaum geschnitten sind. Fahle, blasse Farben, und eine Tonspur, die einen eigenen Preis verdient hätte. Das Knarren der Türen, das Arbeiten des Holzes, das Quitschen der Stiefel, das Geräusch des Messers im Brot. Als wolle uns die kunstvolle Sprache des Filmes auffordern, genau hinzuschauen, was der Krieg macht mit Menschen, wie hilflos der Einzelne hinzunehmen hat, was ihm bestimmt scheint.

Im Grunde ein Film für drei Schauspieler, deren Geschichte in je einer langen Rückblende erzählt wird. Wie ein Kammerspiel im Kriege, eine überwältigende Intensität, es gibt Szenen, die könnte ein gutes Theater nicht besser, so ermöglicht der Regisseur seinen Schauspielern eine glänzende Arbeit.

Am Ende, da könnte Sushenya fliehen. Jedoch: Wohin? Und vor allem: Warum? Die Wahrheit verschwindet im Nebel des Krieges und der Mann auch.

Henryk Goldberg, Thüringer Allgemeine

Bilder: Neue Visionen