Arnold der Verstörer

Es gibt nichts, was an diesem Mann nicht erstaunlich wäre: Der Körper, mit dem er sich zur Skulptur erhob, das Gesicht, mit dem er Schauspieler werden konnte, der Wille, mit dem er Gouverneur wurde. Nun geht es nur noch darum, ob der Österreicher die amerikanische Verfassung zu ändern vermag.

Wir neigen dazu, Menschen, die sehr klein sind oder sehr groß, sehr stark oder sehr schwach, zu unterschätzen. Der byzantinische Feldherr Narses war kleinwüchsig, er verjagte die Ostgoten aus Italien. Der Steiermärker Arnold Schwarzenegger war ein Mann mit sehr viel Muskeln, die beweglicher schienen als sein Gesicht, das machte die Intellektuellen grinsen. Arnold grinste mit. Als er auf einer Pressekonferenz gefragt wurde, ob dies Wahlkampf oder Zirkus sei, grinste er mit. Dann war er Gouverneur und die Welt war verstört. So wurde aus Conan, dem Zerstörer: Arnie, der Verstörer.

Mag sein, der Sunshine State, in dem der Stadtteil Hollywood liegt, ist ein gutes Pflasters, für Menschen aus dem Showbuisness, die nicht die Branche, aber die Bühne wechseln wollen, der mittelmäßige Schauspieler Ronald Reagan begann, indem er von Los Angeles nach Sacramento wechselte, eine weiterführende Karriere. Mag sein, im Land der Surfer und der Hedonisten wissen sie einen Mann zu schätzen, der etwas anfangen kann mit seinem Körper und der dennoch eine gute Zigarre schätzt. Mag sein, im liberalen Kalifornien wissen sie einen republikanischen Kerl zu schätzen, der seinen eindrucksvollen Body nebst Hand der demokratischen Nichte John F. Kennedys antrug und sich dieser Erhebung in den Adelsstand als würdig erwies. Aber das muss man alles erst einmal können, und dass es ausgerechnet Arnold Schwarzenegger können sollte, das war nicht abzusehen.

Geboren am 30. Juli 1947 in Graz, Steiermark, erlebte Arnold Schwarzenegger eine Jugend wie von Thomas Bernhard erfunden. Schlicht, einfach, umgeben von Nationalismus und den mentalen Restbeständen des Nationalsozialismus in der einstigen Ostmark. Als er 15 wird, beginnt er sein Training als Bodybuilder. 1968 geht er in die USA, fünfmal Mr. Universum, siebenmal Mr. Olympia, Gewichte, Wille und anabole Steroide. Er studiert, man muss etwas wissen beim Geldverdienen, Wirtschaftswissenschaften. Er schreibt erfolgreiche Bücher über Bodybuilding und verdient Millionen als Immobilienmakler. 1981 startet die Karriere als Schauspieler, Conan, der Barbar, 1984 die Termimator-Serie. Später, schon das hatte man ihm nicht zugetraut, einige selbstironische Filme wie Last Action Hero und Komödien. Achtmal wird er, mit Recht, für die Goldene Himbeere als schlechtester Darsteller nominiert – und lächelt. Er weiß, er ist kein Schauspieler. Sein Gesicht ist nicht der Spiegel komplizierter Seelen, nur der eigenen: Freundlich und hart, nett, wenn er will und unbeirrbar wenn es sein muss. Maria Shriver, die Kennedy-Nichte, ist davon beeindruckt und heiratet ihn 1986. Die Kanten in diesem Gesicht sind so scharf konturiert wie sein Wille, den einzigen Weg zu gehen, den er kennt: den nach oben. So beendet der Weltstar, der an keinem Stadttheater Ibsen und Tschechow spielen könnte, 2003 seine Darstellerei und betritt eine andere Bühne.

Im liberalen Kalifornien kann man nur in Maßen republikanisch sein. Schwarzenegger verärgert seine Partei und seinen Präsidenten, er ist wenig fundamental und sehr pragmatisch. Die Umweltpolitik im Sunshine State fördert erneuerbare Energien und die Reduzierung der Treibhausgase. Die Debatte über die versagte Begnadigung eines zum Tode Verurteilten hat überdeckt, dass Schwarzenegger keineswegs dem Klischee eines republikanischen Hardliners entspricht.

In Deutschland wäre eine solche Karriere undenkbar. In den USA wird Show und Politik selbstverständlich in eines gedacht, gilt eine gute Performance gleichsam offiziell als ein qualifizierendes Kriterium. In Deutschland verhindert das die kulturelle Hierarchie. Und es gibt keinerlei Belege, dass der Gouverneur Schwarzenegger seinen Job grundhaft schlechter mache als ein anderer.

Jetzt arbeitet er an einigen Zeilen der Verfassung, die verbieten, dass ein Einwanderer Präsident wird. Arnold Schwarzenegger verfügte nie über die schauspielerischen Möglichkeiten, den Präsidenten der USA zu spielen. Er verfügt nur über die persönlichen Möglichkeiten, es zu sein.

Henryk Goldberg, 2007

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