Nun ist wirklich Schluss. Heute ist Weihnachten auch offiziell vorbei und morgen wird abgerüstet.

Der Stern wird wieder nicht auseinandergebaut werden: Aus seinen Einzelteilen wäre wohl nie wieder ein Ganzes zu fügen, und dabei stammt er von einer Oma. Auch die Pyramide wird wieder für ein Jahr in der kleinen Kammer für Dieses & Jenes verschwinden, ebenso der beinahe vollautomatische Weihnachtsbaumständer.
Nur der Baum selbst ist ein Problem. Irgendwann wird er irgendwo abgeholt. Die genaueren Angaben stehen vermutlich im Abfallkalender. Nur, dass dieser Haushalt nicht so verfasst ist, dass irgendeines seiner Mitglieder zu sagen wüsste, wo dieser Kalender zu finden wäre.
Also werden wir die Nachbarn beobachten und die umliegenden Straßen. Wo sich eine größere Ansammlung trauriger Weihnachtsbäume zeigt, werden wir den unseren hinzufügen. Immer in der Hoffnung, dass die Nachbarn aus Kenntnis handeln.
Irgendwie ist der Abschied vom Baum auch immer etwas melancholisch. Wie Abschiede überhaupt, zum Beispiel von der Schwester, die heute auf eine sehr, sehr lange Reise geht. Und der ich etwas mit auf die Reise gebe, was zu sagen ich mich nicht traute: Die Spezialsocken, die sie mir schenkte, sind eine Nummer zu klein. So muss ich sie nicht benutzen und kann sie in Ehren halten.

Henryk Goldberg

erschienen in Thüringer Allgemeine (05.01.2012)

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