cc3-350Was gelten will, kann nicht für jeden Einzelnen bzw. Vereinzelten im Überfluss greifbar sein, beispielsweise in der Form des Verwöhngeldes, allerdings sind es nicht die  Knappheitsbedingungen, sondern letztlich die Bedingungen von Ungewissheit im Beschleunigungsmodus, die gegenwärtig zahlbare Preise im Vorgriff auf erwartbare Preise fixieren. Scheinbar unstillbare Bedürfnisse werden von den Trendindustrien erzeugt, die auf das Unbestimmte der Zukunft gerichtet und daher quasi-unendlich sind, und dafür man braucht ja immer Geld, weil man nicht weiß, welche Ansprüche man in Zukunft und die Zukunft stellen wird; und unabhängig davon, wie viel man davon besitzt, erscheint Geld zunächst also knapp, wobei im Kreditgeld die Unberechenbarkeit der Zeit in die Zeit hineinprojiziert wird, Geld für eine in die Zeit hineinprojizierte Verfügbarkeit von Zeit, ge- und verkauft wird (vgl. Elena Esposito: Die Zukunft der Futures. Die Zeit des Geldes in Finanzwelt und Gesellschaft). Entscheidend für die Logik der erweiterten Geldzirkulation erscheint somit nicht nur die Knappheit, sondern die Ungewissheit selbst, die sich u.a. in vdem Konflikt entfaltet, was man von der Zukunft erwarten soll und wie sich Zukunft realisiert.

Der jähen Ereignishaftigkeit von Finanztransaktionen, worin sich in Millisekunden Preisveränderungen und Kursbewegungen vollziehen können, ist die beschleunigende Operativität abstrakter ökonomischer Zeit unter reinen Effizienzgesichtspunkten inhärent (Beschleunigung ist höherer Output pro Zeiteinheit). Sofern Hedging und Spekulation per se  Verfahren der Risikotransformation sind, das heute den Computer handel in Realtime verlangt, werden Investition und Spekulation als symmetrische Seiten ein und derselben Operation wirksam, wobei jede Beschaffung von Liquidität – Zahlungen im Kontext der deterritorialisierten globalen Finanzkapitalströme -, mit der Erwartbarkeit von Erwartungen auf weitere Entscheidungen verknüpft ist. Finanzoperationen müssen kontinuierlich, effizient und ohne Informationsfriktionen verlaufen, gerade weil Informationen Preise generieren, Preisbewegungen sämtliche Kaufentscheidungen und diese wiederum Informationen motivieren; die Berechnung der Preisverläufe zwischen verschiedenen Zeitpunkten fällt heute in das Gebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Stochastik, wobei jede Gewinnchance genutzt werden muss. Sofern jede Operation/ Entscheidung sich sofort in Marktpreisen niederschlägt, erscheinen Preisbewegungen per se aleatorisch, d.h. auf große Preisbewegungen können große Preisänderungen folgen, während auf kleine Preisfluktuationen kleine folgen, so dass sich Preisschwankungen exponentiell verstärken; so gut wie nie kreisen Preise um die von der ökonmischen Theorie geforderten Mittelwerte, beispielsweise dem Graphen der Gaußkurve.

Die Axiomatik des Kreditgeldes inhäriert, dass in der Gegenwart mit der Ungewissheit der Zukunft gehandelt wird, wobei die Kapital- und Kreditgeldströme wiederum regulative Instanzen der Reterritoralisierung benötigen, den Staat und die Zentralbanken. Allerdings sind es nicht die Finanzkapital- und Finanzderivatströme, die legitim oder illegitim (virtuelle) Grenzen überschreiten, um diesseits der Grenze vom Staat wieder eingebunden zu wer den, sondern die Grenze selbst wird durch durch die Strategemisierung der Axiomatiken sowohl der Kapital- als auch der (immateriellen) Arbeitsströme als stets vorgeschobene Relation aufgeschoben. Das imaginäre Zentrum des Kapitals war nie etwas anderes als die vielen Knotenpunkte von Ver dich tung, die weniger denn je der symbolischen Rahmung durch den Staat bedürfen, sondern im Ge gen teil als symbolische und spekulative Managements selbst gewährleisten, dass Anschlussfähigkeit immer durch die Deterritorialisierung der Kapitalströme hindurch in der zu kalkulierenden Zeit erfolgt, um beständig de jure durch das Eigentum und die Politik der Notenbanken reterritorialisiert zu werden. Der Schutz des Eigentums ist entgegen dem von Dritten gegenüber dem Staat relativ (der Staat kann durchaus Enteignungen vornehmen). Der Vereinnahmungsapparat Staat normiert die Bedingungen, unter denen er sich darüber hinwegsetzen kann, wenn er beispielsweise in einem einseitigen Akt Besteuerung vornimmt.

Für Marxisten, die sich an der Arbeitswerttheorie orientieren, sichert seit dem 19. Jahrhundert die Organisationsform Fabrik/zusammengesetzte Maschine diejenigen Operationen, welche die Kapitalakkumulation vorantreiben. Dabei wird jedoch übersehen, dass die Arbeitszeit allenfalls Faktor des Werts ist (und nicht per se mehrwertschaffend), wobei im kapitalistischen Produktionsprozess Produktionszeit in Arbeitszeit und Funktionszeit der Maschinen geteilt ist, und, von beiden Zeiten kann dasselbe ausgesagt werden: Es handelt sich um gekaufte Größen, die als Quelle des Mehrwertes gelten, insofern die hergestellten Produkte auf dem Markt einen Verkaufspreis (Investition in Geldform plus Profit) realisieren. Der Arbeitsvertrag ist dabei ein diachroner Verdingungsvertrag, der die wechselseitige Verpflichtung realisiert, dass die Verrichtung eines Dienstes gegen eine Lohnzahlung erfolgt.

In Wahrheit ist es der Zufall, der die sozialen Akteure reich macht, würde vielleicht ein besonders gewiefter Nietzscheaner sagen, jedoch entscheidet der (keineswegs immer zufällige) Zugang über die ökonomische, soziale und kulturelle Exklusivität einer Person, wobei dieser Zugang natürlich stets an eine Reihe von Bedingungen geknüpft ist, denn könnte jeder dem Club der Milliardäre beitreten, hätten wir ab sofort die kommunistische Utopie realisiert, ganz im Sinne einer imagined community, die normalerweise punktgenau mit dem Tode des Ereignisses stirbt, das die community selbst konstruiert hat und durch das sie konstruiert wird. (Anscheinend setzt das proklamierte Ende der Geschichte einen politischen Mehrwert frei, der darin besteht, den Kommunismus kollektiv zu imaginieren, der mit der Simulation des Endes der Geschichte 1 zu 1 zusammenfällt, wobei vermittels der Generierung eines Anscheins Geschichte endgültig stillgelegt wird. Die Simulation der Völkergemeinschaft ist das (unbewusste) Reale dieser Art von Kommunismus.) Um sich Zugänge zu verschaffen, ist seitens der Individuen mittels unaufhörlicher Operationen ein Netz von vielfältigen Prüfungen zu überwinden, das Propädeutikum zu erlernen, in dessen Rahmungen Bildungszeit und Erfolgszeit im Idealfall immanent in der Lebenszeit konvergieren. Natürlich sind Erbprivileg oder Castingmaschine als Zugangsquelle oder Erfolgsgarantie nicht zu vernachlässigen. Geldbesitzende Agenten erscheinen permanent mit einer beispiellosen Fülle von Optionen ausgestattet, um weitere Optionen zu allokieren, so dass von einer Korrespondenz von Leistung und Vermögen/Kaufkraft in den Konferenzräumen des Hyper-Kapitalismus zu sprechen ein reiner Euphemismus wäre. Zumindest für die neue Superklasse, die geldhortenden Komfort-Bewohner der westlichen Hemisphäre ist das ökonomische Verdikt, dass Geld auf prinzipieller Knappheit beruht, längst außer Kraft gesetzt. Den exklusiven Zugängen korrespondiert die Dienstleistung, in die die Masse der durchschnittlichen Konsumenten hineingetrieben wird: je weniger Arbeit vorhanden ist, desto stärker wird die Nachfrage nach Arbeit die nach der Vernetzung und Kontrolle der Körper im Dispositiv des Dienstes sein, der weder Internierung zwecks Dressur der Arbeitskraft ist (wie zu Beginn der Moderne), noch der Internalisierung des Dienstes zwecks Disziplinierung des Objekts bedarf, welche das Subjekt an sich selbst regelt, wie dies durch die Moderne hindurch gilt, sondern
das Dispositiv des Dienstes verlangt die Informatisierung des Körpers, ein Körper, der nichts mehr hervorbringt, sondern der den Dienst als Information konsumiert. Der klassische Produzent wird durch den Informationswert des Konsumenten ersetzt, von dessen Einkörperung er sich nicht mehr emanzipieren kann. In der Dienstleistung entspricht das zu Leistende zwar seiner Leistung, aber sie entspricht nicht dem Leistenden, nicht dem, woran und womit der Dienst geleistet wird; je weniger der Dienst Dienst an der Arbeit ist, desto mehr wird er zum Dienst an der Information mittels derselben. Dabei wandert die Information über das zu Leistende in den Körper hinein und wird mit dessen Leistung identisch, indem die Nachfrage nach Arbeit, die fehlt, zur Nachfrage nach dem wird, was an ihre Stelle tritt; umgekehrt ausgedrückt: sie wird zur Nachfrage nach dem, was die Arbeit nimmt und ersetzt: die Automation. Immer leistungsfähigere Computersysteme stehen bereit, um sich mit dem Informationswert des Körpers zu verschalten, der durch in die Programme eincodierte Steuerung inhaft genommen wird (vgl. dazu: Gerburg Treusch-Dieter).

Manche nennen den Kredit Himmelsgabe. Geldschöpfung findet statt, wenn Schulden entstehen. Banken entstehen dadurch, dass sie Geld schöpfen, indem sie mit Schulden handeln. Eine Bank leiht einer weiteren Bank/Unternehmen Geld, das sie selbst nicht besitzt, welches sich die Bank also bei einem dritten Agenten zu besorgen hat, der verspricht, es von einem vierten Agenten zu holen und so weiter; Geld, das sowohl durch das (imaginäre) Versprechen auf eine Wertsubstanz als auch durch das Fehlen desjenigen Betrages, den es verspricht, entstanden ist. So die Kurzversion der Geldentstehung. Geldscheine sind vor allem Schuldscheine, Forderungen, welche die Emittenten der Scheine an die Marktteilnehmer haben, und je mehr Geldscheine gedruckt werden, desto mehr Forderungen gibt es, die in Krisenprozessen regelmäßig nicht mehr zurückbezahlt werden können, womit Geld bei ausufernder Verschuldung und steigender Inflation auch immer seine Bezahlfunktion sowie seinen Wertaufbewahrungscharakter verliert. Eigentum, Kapital, Schulden und Geld entstehen immer gleichzeitig. Das Geld, das heute von den Zentralbanken geschaffen wird, formuliert ein Anrecht auf Eigentum gegenüber den Geschäftsbanken. Jeder, der Eigentum besitzt, kann dieses auch als privat emittiertes Geld verleihen. Geld wird somit immer dann geschaffen, wenn ein Eigentümer Ansprüche gegen sein Eigentum einem anderen Eigentümer kreditiert. Der Kreditnehmer zahlt hierfür einen Zins und tilgt die Schuld gemäß einer vereinbarten Tilgungsrate. Die Verwendung eines Zahlungsversprechens als Zahlungsmittel (und nichts weiter sind ja die Schulden der Banken, mit denen sie Kredite vergeben), ist quasi die Einstiegsdroge für die Banken; Banken, die z.B. Wechsel diskontieren, um (früher als der Markt dies tut) Geld zu realisieren, und zwar durch denjenigen, der das Geld braucht und dafür einen Zins zahlt, womit die Bank dem Kreditnehmer Quantitäten schon heute zugänglich macht, die er unter Einsatz dieser Quantitäten in Zukunft erst erreichen will, d.h. mit einer Geldsumme wird dem Kreditnehmer Zeit gegeben, Kapital in der Form eines Aufschubs produktiv zu machen, womit die Zeitbindung des Geldes im Kredit weiter festgezurrt wird. Schließlich ist fast jede Geldsumme, die im Gesellschaftlichen existiert, schon allein dadurch, dass sie Geldsumme ist, Kapital, falls die Banken dies eben garantieren. Das Geld, welches Banken neu schaffen, stammt weder aus ihren eigenen Einnahmen noch aus verwalteten Guthaben, sondern entsteht unmittelbar aus dem Versprechen des Schuldners, einen Kredit zurückzuzahlen. Mit jedem Kreditvertrag kann eine Bank damit neues Geld kreieren, welches wie durch Zauberhand als Minussaldo auf dem Konto des Kreditnehmers erscheint. Durch die Aktivitäten der Bank, Geld zu verleihen und Zinsen zu kassieren, bekommt jede Geldsumme eine neue Funktion, nämlich, Mehr zu werden, zumindest einen Zusatz in der Form vonZins hervorzubringen, ohne dass da zunächst ein Produktionsprozess stattfinden muss, so dass tatsächlich der Schein entsteht, Eigentum an Geld hätte von sich aus die Potenz zu wachsen. Geldkapital als Zugriffsmittel, weniger auf die Waren, sondern auf ein abstraktes Mehr, auf Mehr von Geld, das im Funktionieren die Zugriffsmacht des Eigentums scheinbar völlig verschwinden lässt. Das Kreditverhältnis ist jedoch ein pures Machtverhältnis, bei dem die Gläubiger ihr Eigentum belasten, indem sie Anrechte auf ihr Eigentum, Geld, den Schuldnern aushändigen, die für Tilgung und Zinszahlungen zuständig sind und im Gegenzug ihr Eigentum gegenüber den Gläubigern als Sicherheit verpfänden. Fiktives Geld entsteht sowohl durch das Versprechen/Erwarten einer gewissen Geldsumme wie durch das Fehlen derjenigen Summe, die es verspricht/erwartet. Die Zirkulation eines wesentlichen Fehlens und des endlosen Aufschubs inhäriert der kapitalistischen Kreditökonomie. Jede Zahlung erscheint damit als die Einlösung von Antizipationen und zugleich als die Antizipation von neuen Zahlungen und löst den geschlossenen Kreis binärer Gegenseitigkeit, die Gleichung von Tausch und Gegentausch auf. Zahlungsfähigkeit und Zahlungsunfähigkeit zirkulieren in Realtime heute in unzähligen Kreditverhältnissen, in denen Eigentümer mit anderen Eigentümern oder Nichteigentümern Gläubiger-Schuldner-Kontrakte eingehen, Geld wird also in und uno actu mit einem Kreditkontrakt geschaffen, um damit erst die Spirale von Zahlungsfähigkeit und Zahlungsunfähigkeit in Gang zu setzen. Mit jedem Wertpapier, das die Bank strukturiert und verkauft, steigert das Unternehmen seine Macht zur Kreditvergabe, während die Bank mit jedem Wertpapier, das sie kauft, seine Vermögensbestände erhöht, auf das die Bank wiederum neue Kredite vergeben kann, was auf den Märkten keineswegs zum Nullsummenspiel führt, sondern die gegenseitige Beglaubigung der Banken in ihrer Kreditwürdigkeit exekutiert, d.h. in ihrer Funktion als Schöpfer von Krediten und Wertpapieren, die nichts weiter als Schulden sind.

Mit dem strukturierten, computergestützten Echtzeithandel von synthetischen Wertpapieren (Derivate, Optionen, Swaps etc. werden von Basiswerten wie Aktien, Rohstoffen oder Währungen abgeleitet), die Marx als fiktives Kapital bezeichnet hätte, entsteht der Anspruch auf bestimmte Zahlungen. Allerdings sind die Finanzmärkte keine Spielkasinos, in denen Wahrscheinlichkeiten und Risiken bekannt sind. Ein sehr spezifisches »Spiel« mit der Zukunft steht im Zentrum der ökonomischen Aktivität, als hätte das Finanzsystem nicht nur auf den Erfolgssüchtigen, sondern auch auf den Spielsüchtigen geradezu gewartet, aber es gibt weder für den Typ des Brokers noch des Spielers eine Gewinngarantie, bei der sich womöglich die Disposition des Spielenden und das süchtigmachende Procedere bzw. das Objekt, das auf die Disposition des Süchtigen antwortet, ineinander verschlingen. Aus der Analyse der Funktionsweise der Finanzmärkte und deren Netzwerktopologien lässt sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen Leistung, Kompetenz, Qualifikation und Entlohnung der Akteure folgern, was der liberale Ökonom Friedrich August von Hayek für die wirtschaftlichen Märkte im Allgemeinen annahm. Zunächst wird jedes Individuum nach dem Preis entlohnt, den andere für die speziell von ihm erbrachte Leistungen zu zahlen bereit sind. Auch das nicht. Manchmal wartet auf denjenigen, der auf die Nutzenmaximierung des Selbst mit Hilfe von Innovation & Risikomanagement setzt, indem er eine minutiöse und reflexive Kontrolle der Selbsttechniken betreibt, das größte Unglück. Gerade weil in den Marktbewegungen die Kontingenz regiert, wird die individuelle Leistung als Selbst- und Risikomanagement vehement gefordert.

 Achim Szepanski

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