Meisterklasse Ute Mahler und Ingo Taubhorn – Ostkreuzschule für Fotografie |

Eine Ausstellung in der Kommunalen Galerie Berlin |

Künstler und Künstlerinnen der berühmten Ostkreuzschule für Fotografie stellen derzeit in der Kommunalen Galerie Berlin ihre Werkserien vor. Es ist die fünfte Meisterklasse für Fotografie unter der Leitung von Ute Mahler und Ingo Taubhorn.
Gezeigt wird unter dem Titel Hi How Are You ein breites Spektrum an fotografischen Auseinandersetzungen mit der Welt in der wir leben – auffallend undogmatisch und offen, was für die Schule und ihre Lehrer spricht. Die meisten der Bilder sind keine Eyecatcher, nicht auf Überwältigung, Provokation oder eindeutige Interpretation angelegt, wenn man von den spät-stillenden Müttern (Steffi Drerup) absieht.

Katharina Poblotzki, Fever Sea, 2021, © Katharina Poblotzki

Es überwiegen (selbst)-reflektierende Arbeiten zu Familie, Heimat, zum „Male and Female Gaze“, zu Sehnsuchtsorten oder Erinnerungsspuren. Vieles wird vorsichtig, quasi herantastend hinterfragt, wie in den Serien von Katharina Poblotzki oder Judith Weber, die sich mit Weiblichkeit und Maskulinität beschäftigen.

Judith Weber, Bluebird, 2021

Judith Weber, Bluebird, 2021

Auch die Hügellandschaften von Richard Rocholl sind eher bildgewordene Fragezeichen als anklagende Statements zu den in die Natur eingebetteten Mülldeponien. Die häufig collageartigen Präsentationsformen fallen auf, lassen Raum für eigene Assoziationen.
So zeigt Frank Schirrmeister, bekannt geworden mit seinen beeindruckenden Großbildkameraserien Beyond Crisis oder Leere Stadt, eine Auswahl teilweise rätselhafter Fotografien unterschiedlicher Formate zu seiner späten Vaterschaft. Eine Hand im Wasser, ein toter Vogel, ein magisch wirkender Baum flankieren zwei Kinderportraits.

Karolin Klüppel, No Room of one`s own, 2021, © Karolin Klüppel

Karolin Klüppel, No Room of one`s own, 2021

Ähnlich methodisch verfährt Karolin Klüppel in No Room of One´s Own. Ihre Serie hinterfragt die bildgewordene Absurdität des Mutterseins, indem z. B. auf einem Foto die Nachgeburt mit einer in einer Blumenwiese versinkenden Frau kombiniert wird. Fotografie im Dienste der Selbstvergewisserung oder Selbstfindung ist auch ein Thema Peter Pietschmanns, der sich mit malerischen Mitteln quasi von der klassischen Portraitfotografie abwendet. Mit gestisch wildem Pinselstrich und weiß-grauer Farbe verfremdet er die Gesichter seiner Portraitierten, bearbeitet sie bis zur Unkenntlichkeit. Schade, dass dieser ungewöhnliche Versuch weit voneinander getrennt präsentiert wird.

In La Casa de Oma begibt sich Jan Velez auf die Suche nach DEM Bild eines verlorenen Gefühls für Glücksmomente seiner Kindheit. Hierfür bedient er sich analoger schwarz-weiß Abzüge mit auffallend viel Schwärzen. Schon allein das Fotopapier und die Art der Bilder stehen für eine medial untergegangene Welt. Es werden quasi produktionstechnische Bedeutungsebenen angestoßen, ohne explizit zu sein. Verstärkt wird der Eindruck durch ein ausliegendes Fotoalbum mit handschriftlich verfassten Texten des Künstlers. Eine sehr eigene, intime und dadurch berührende Arbeit.
Wie lässt sich Fern- und Heimatweh künstlerisch fotografisch verarbeiten? Diese Frage treibt auch Sabine Jaehnke um, und sie hat sehr persönliche, originelle, teilweise spielerische Antworten darauf gefunden. Ein posthum liebevoll gemachtes Fotobuch Funafuti (Fotohof-Verlag) hält die poetisch-leichte Spurensuche der Künstlerin für die Zukunft fest. Einigermaßen komplex spielerisch zeigt sich die Serie von Fred Hüning, der Fundstücke oder Alltagsgegenstände anhand der Grundfarben verfremdet und neu arrangiert.

Ganz andere Spuren verfolgt Kommen Sie aus Europa?. Auf solche sich ständig wiederholenden Fragen – Hi How are you ist auch eine solche – lernt der aus Afghanistan stammende Mohammed stereotype Antworten. Diese montiert Diego Reindel zu seinem Film und seinen Fotografien, die die komplizierte Flucht- und Exilgeschichte der auf brutale Weise getrennten Familie dokumentieren. Erstaunlich wie der ursprünglich als Modefotograf arbeitende Reindel sich hier einem komplexen Sujet auf den unterschiedlichsten Ebenen nähert. Man braucht Zeit, um das Arrangement aus Bildern und Tönen auf sich wirken zu lassen. Das ist mit Abstand das politischste Statement in der Ausstellung, abgesehen von der wandfüllenden Serie One Chicken von Manuela Braunmüllers. 144 Fotografien halten jeden einzelnen Knochen eines Huhns fest. Für 2022 wird ein Konsum von 100 Millionen Tonnen Hühnerfleisch weltweit prognostiziert. Dabei kam dieser „Vogel“ vor Tausenden von Jahren nur im südostasiatischen Dschungel vor. Manuela Braunmüller gelingt mit ihrer Serie ein ganz neuer fotografischer Zugang zur Frage der Wertigkeit von Tieren. Ihre Bilder sind keine Dokumentationen, die die Grausamkeit der Tierhaltung anklagen oder den Verbrauchern moralisch kommen. Vielmehr wirken die weißen, wie geschliffenen und schwebenden Knochenteile vor dem tiefschwarzen Hintergrund skulptural. Sie scheinen hochgradig ästhetisch und gleichzeitig, da man weiß was sie zeigen, extrem befremdend. Wie diese kunstvollen Fotografien wandfüllend präsentiert werden, sind sie inhaltlich wie formal ein Höhepunkt der Ausstellung.

Daniela Kloock

Foto oben: Manuela Braunmüller, One Chicken, 2021, © Manuela Braunmüller 

 

AUSSTELLUNG

Teilnehmende Fotografen und Fotografinnen:
Manuela Braunmüller, Steffi Drerup, Fred Hüning, Sabine Jaehnke, Karolin Klüppel, Peter Pietschmann, Katharina Poblotzki, Diego Reindel, Richard Rocholl, Frank Schirrmeister, Jan Veléz, Judith Weber


21. November 2021 bis 30. Januar 2022

Öffnungszeiten:

Di bis Fr 10-17 Uhr, Mi 10-19 Uhr, Sa und So 11-17 Uhr
Eintritt frei

Kommunale Galerie Berlin
Hohenzollerndamm 176
10713 Berlin
www.kommunalegalerie-berlin.de