Tizian, Botticelli, Michelangelo, die berühmtesten Künstler der Renaissance sind in Florenz beheimatet. Millionen Besucher pilgern jedes Jahr in die Uffizien, in diese weltberühmte Sammlung der Medicis, um die Bilder im Original zu bewundern. Seit einigen Jahren jedoch haben die „Oldies“ Besuch bekommen. Moderne Kunst hat Einzug in das altehrwürdige Museum gefunden. Und überhaupt weht ein neuer Wind durch die heiligen Hallen. Für viele Italiener ein unvorstellbarer Epochenbruch, ausgelöst ausgerechnet von einem Deutschen, von Eike Schmidt.

Den „Direttore“ über zwei Jahre hinweg bei seiner Arbeit zu begleiten, diese Chance hatten Enrique Sánchez Lansch und Corinna Belz. Ihr Film zeigt nicht nur einen Mann, der sich mit Leib und Seele der Kunst verschrieben hat, sondern auch einen cleveren Manager und Museumschef. Eike Schmidt weiß mit Mitarbeitern, zeitgenössischen Künstlern und Förderern gleichermaßen umzugehen. So ist es äußerst vergnüglich zu beobachten, wie er eine Gruppe US-amerikanischer Ladys zum Öffnen ihrer Portemonnaies animiert, oder wie er eine Entscheidung über die Gestaltung neuer Visitenkarten fällt – inmitten eines Büros voller überquellender Papiere, Bücher und Kataloge. Doch dies sind eher kurze Blicke durchs Schlüsselloch, randständige „Schmankerln“. Denn der Film verfolgt vor allem die inhaltlichen Belange und Veränderungen des Direktors. Zehn Ausstellungsräume mit Kunst des 16. Jahrhundert sollen neu konzipiert werden. Schnell wird klar, hier sucht jemand die Konfrontation. Eher unbekannte Werke treffen beispielsweise auf die „Dauerbrenner“ des Museums. Die Kamera läßt die Zuschauer daran teilhaben, wie sich ungewohnte Perspektiven eröffnen, neue Blickachsen entstehen und die Bilder plötzlich anfangen miteinander zu korrespondieren. Auch scheinbar einfachere Vorgänge wie beispielsweise veränderte Hängungen und neue Wandgestaltungen werden festgehalten. Dabei werden Irritationen in der Rezeption von Eike Schmidt bewußt mitgedacht, bzw. willentlich inszeniert. Wie diese genau aussehen, veranschaulicht eine längere Passage, die den komplizierten und kontrovers verlaufenden Aufbau einer Skulptur des englischen Bildhauers Antony Gormley verfolgt. Hier gelingt im besten Fall die beabsichtigte Störung der Wahrnehmung: Es entsteht ein Moment der Irritation und des Nachdenkens und nicht zuletzt ein Dialog zwischen moderner Kunst und Werken der Renaissance.

Doch der Film ist nicht nur eine „One-Man-Show“. Zahlreiche andere Erzählstränge führen dazu, dass man phasenweise die Orientierung verliert. Unter anderem kommen einige Mitarbeiter des Museums vor, wie etwa eine Restauratorin oder Museumswärter. Gerade das subalterne Personal vermittelt dabei eine erstaunliche Liebe und Leidenschaft für „ihr“ Museum. Über all die dienenden Hände, die diesen komplexen Kosmos zusammenhalten, hätte man gerne mehr erfahren.

Besonders Aufschlussreiches zur Geschichte der Uffizien weiß ein sympathischer Bibliothekar und Archivar zu erzählen. Auf ihn kommt der Film immer wieder zurück. Daß nach dem 2.Weltkrieg in den zerbombten Gebäuden Flüchtlinge untergebracht waren, ist heute unvorstellbar. Auch die Informationen über die ursprünglich geplante Nutzung als Ministerial- und Bürobau ist interessant. An Hand von Fotografien aus dem Archiv erfährt man etwas über die Kriegs- und Raubkunst. Ganz beiläufig fließen in diese Interviews die tiefsinnigsten Gedanken und Fragen ein. Schauen die vielen Portraitierten nicht verachtend auf uns herab? Oder bemitleiden sie uns, wie wir gefangen sind in unseren Alltagssorgen? Während an ihnen doch längst Jahrhunderte vorbeigezogen sind. Welche Antworten haben wir mit unseren Instagram-Gesichtern, und wie verorten wir uns als behauptete Kinder der Renaissance?

Aus und mit diesen Fragen hätte sich ein ungewöhnlicher Essay-Film ergeben können. Stattdessen begleitet die Kamera immer wieder Besucherströme, zeigt jede Menge Hinterköpfe und leuchtende Displays. Mal verfolgt sie Schulklassen und Gruppen mit erklärenden Kommentaren, oder hält mehr oder weniger belanglose Gespräche und staunende Blicke fest.

Irgendwann wird spürbar, sehr viel Material und Ideen müssen vorhanden gewesen sein, die leider nicht in 96 Minuten Film passen, bzw. in der Montage keine nachvollziehbare Umsetzung fanden. Auch der Rückgriff auf die Kunstwerke selbst will nur manchmal gelingen. Die Kamera schwenkt zu häufig auf den Bildoberflächen hin und her, der Fokus bleibt ungenau. So entsteht leider eine formale und inhaltliche Unruhe und Unwucht.

Trotz allem aber hat der Film seine Momente. Mitzubekommen, dasß und wie es möglich ist ein Museum aufzufrischen, allein dies ist schon Botschaft genug, ganz besonders auch Richtung Berlin.

Daniela Kloock

Bild oben: © Verleih