Die Hauptfigur des Thrillers „Angst“ von Robert Harris, Dr. Alexander Hoffmann, ist promovierter Physiker und Eigentümer eines Hedgefonds.

Da ist wohl eine literaturgeschichtliche Dissertation mit dem Titel „Das Bild des Physikers in der Schönen Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts“ fällig. Vielleicht gibt es sie schon.

Den Beginn könnte Brechts „Galilei“ machen. Später ließ sich der Dichter zu einer Pöbelei über den „berüchtigten Einstein“ herbei. Dürrenmatt schrieb das Drama „Die Physiker“. In einem apokalyptischen deutschen Film der fünfziger Jahre schreit eine Figur ihr Entsetzen darüber hinaus, dass die besten Gehirne an der Vernichtung des Erdballs arbeiteten. Viele haben Heinar Kipphardts Drama „In der Sache J. Robert Oppenheimer“ gesehen.

Gemeinsamer Bezugspunkt war die Gefahr des Atomkriegs. Physikern war eine gesellschaftliche Funktion zugeschrieben worden, die sie in der Regel – eine Ausnahme mag Edward Teller gewesen sein – nicht gewollt haben.

Erstsemester des Studienfachs Physik berichteten Anfang der neunziger Jahre von der Melancholie einiger ihrer Professoren, die über einen Bedeutungsverlust ihrer Arbeit klagten – gemessen an den Sensationen vergangener Jahrzehnte. Alexander Hoffmann – um auf ihn zurückzukommen – hat Ähnliches erlebt: einem wissenschaftlichen Großprojekt in den USA, an dem er arbeitete, waren die Mittel gestrichen worden. Dann ging er zum CERN, fand dort aber zuletzt auch nicht die Unterstützung für seine Idee einer lernenden und sich selbst programmierenden Maschine. Dass er einem Finanzmann in die Hände fiel, der ihm mit einem Hedgefonds neue Horizonte öffnete, ist vielleicht zeittypisch. Ron Sommer, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telecom, ist promovierter, Dirk Jens F. Nonnenmacher, der die HSH Nordsbank an die Wand fuhr, habilitierter Mathematiker. Es wird berichtet, dass in den vergangenen Jahren Absolventen der Fächer Mathematik und Physik in wachsendem Maße Spitzenpositionen im Management einnehmen.

Welcher falsche Schluss liegt hier nahe? Die Antwort wäre auch eine Kritik an Robert Harris.

Georg Fülberth (in: Forum Wissenschaft)