Leicht gereizte Anmerkungen zu Florian Henckel von Donnersmarck, dem Oscar für „Das Leben der Anderen“ und deutschtümelndem Medien-Hype

Klar erzielen deutsche Filme immer mal wieder zuhause und international Erfolge, und klar sind es nicht immer die künstlerisch und politisch originellsten Werke, denen das widerfährt. Klar sind Filme nicht bloß Kunstwerke, sondern auch Exportgüter, Werbemittel und Verständigungshilfen. Aber mit dem Film „Das Leben der Anderen“ und seinem Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck ist doch etwas ganz eigenes passiert: Der Film wurde zum nationalen Symbol und der Regisseur zu (beinahe) everybody‘s darling.

Die Biografie dieses Regisseurs ist auch durchaus beeindruckend: In New York, Berlin, Frankfurt und Brüssel aufgewachsen; internationales Abitur gemacht; Russisch-Studium in (damals noch) Leningrad, dann Oxford-Studium von Politik, Philosophie und Volkswirtschaftslehre. Bis dahin sieht das nach Karriere in der „Wirtschaftselite“ oder in der Politik aus. Aber nach einem Regie-Praktikum bei Sir Richard Attenborough, dem Kontroll-Fetischisten des Ausstattungsfilms, kommt die Hinwendung zum Film, erneutes Studium, diesmal an der Hochschule für Film und Fernsehen in München. Schon mit den Studentenfilmen wie „Mitternacht“ (1997) und „Doberman“ (1999) Erfolge bei nationalen und internationalen Festivals; die Auftragsarbeit „Les Mythes Urbains“ (2001) wurde an sieben TV-Sender verkauft. „Der Templer“ erhielt 2003 unter anderem den Preis der Produzentenjury bei „Sehsüchte Babelsberg“ und wurde von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden zum „Kurzfilm des Monats“ gewählt. Für seinen ersten langen Spielfilm gelang es Florian Henckel von Donnersmarck einige der Stars des deutschen Kinos, Ulrich Mühe, Sebastian Koch, Ulrich Tukur und Martina Gedeck, für ein Projekt zu gewinnen, bei dem die gewohnten Gagen natürlich nicht gezahlt werden konnten. Aber dafür hatte der Stoff nicht nur Potenzial für einen großen Erfolg – die deutsche Filmkultur wartete ja, nach etlichen mehr oder weniger „treffsicheren“ Komödien, noch auf den großen dramatischen Film zum Leben in der DDR im allgemeinen und zum Stasi-System im besonderen, et voila, großes, menschliches Werk vom Überwacher, der am eigenen System irre wird – sondern auch große Entfaltungsmöglichkeiten für Schauspieler. Wie erfolgreich der Film dann wurde, wie er sich von einem Preis zum anderen steigerte, um schließlich nicht etwa beim Oscar für den besten ausländischen Film zu enden, sondern bei der Ankündigung eines Hollywood-Remakes, das musste dann doch für alle Beteiligten überraschend sein. Andrerseits scheint in der Geschichte des deutschen Films noch nie eine Karriere und noch nie der Erfolgszug eines einzelnen Films so großartig geplant gewesen zu sein.

Bis dahin konnte man sich mit dem (nicht mehr ganz so) jungen Regisseur freuen, auch wenn man sich über einen Film wie „Das Leben der Anderen“ doch gerne ein wenig Auseinandersetzung gewünscht hätte. Schließlich machen handwerkliche Perfektion, gute Schauspieler, detailkundige Ausstattung und eine perfekte Erfüllung der fünfaktigen Dramaturgie des Hollywoodfilms allein noch nicht den großen Film zu einem Thema aus. Aber die Erfolgsgeschichte von „Das Leben der Anderen“ verselbstständigte sich; irgendwann konnte, wer „Das Leben der Anderen“ nicht für seligmachend hielt, nur noch ein von Neid und Missgunst zerfressener Kritiker sein, einer von den intellektuellen vaterlandslosen Gesellen, denen der Produzent Günther Rohrbach im Spiegel aber so was von die Leviten las. „Das Leben der Anderen“ wurde zu einem nationalen Ereignis; der Film, ob er das nun wollte oder nicht, versorgte zuerst Deutschland und dann den Rest der Welt mit einem buchstäblich geschlossenen DDR-Bild. Das Paradox eines aufrüttelnden Konsens-Films, ein Feelgood Movie für den Kultur-Winter nach dem Fußball-Sommermärchen. Und die Preiskrönung wurde zum nationalen Ereignis stilisiert; Bundespräsident Köhler gratulierte persönlich, dass wir zuerst Papst, dann (beinahe) Fußballweltmeister, dann Handballweltmeister geworden waren, und jetzt für den deutschen Film auch noch den Oscar geholt hatten, das wurde ausgiebig und vor allem von jenen Medien gefeiert, die den deutschen Film jenseits von „Traumschiff Enterprise“ oder Porno-Vergangenheiten einer Schauspielerin mit Nichtbeachtung strafen; die Bild-Zeitung („schwarz-rot-geil“) setzte wohl zum ersten Mal den deutschen Film nicht wegen irgendwelcher Sex-Skandale aufs Titelblatt. Der Regisseur freilich bediente die nationalen Gefühle auch nach Kräften: Den Oscar wollte er, meinte von Donnersmarck im Vorfeld „für Deutschland gewinnen“, und „am 25. Februar werde ich die WM zumindest in meinem Bereich doch noch für uns entscheiden können“. Umgekehrt freute man sich in den Internet-Foren, etwa so: „hab den Film zwar nicht gesehen, bin natürlich trotzdem stolz das Deutschland den Oscar gewonnen hat“.

Als Filmkritiker möchte man da nur sagen: „Na, wenn‘s euch dann besser geht.“ Und sich entschuldigen bei den Ernst Lubitschs und Fritz Langs, bei den Fassbinders und Konrad Wolfs, die sich im Grabe umdrehen. Dann wurde die Sache schließlich doch noch ein bisschen peinlich, teils weil niemand in der nationalen Betroffenheit mehr seine Worte genau kontrollierte, teils weil die Selbstdarstellung des Regisseurs auch seinen Bewunderern auf die Nerven zu gehen begann, teils wegen solcher Geschichten wie der Nicht-Einladung von Martina Gedeck, teils schließlich wegen Herrn Henckels Bildungshuberei – aber wenn er schon so angelegentlich Schiller ins Spiel bringt: Da könnten wir vielleicht doch wieder auf einen seriösen filmkritischen Zweig kommen…

Nein, können wir natürlich nicht. Denn der Erfolg von „Das Leben der Anderen“ ist längst schon zu einem Argument in einem unterschwelligen Streit in der deutschen Filmkultur geworden. Es geht nämlich um die simple Frage, welche Art von Filmen wir in Zukunft haben wollen und wie wir mit ihnen in der Öffentlichkeit umgehen wollen.

Ein neuer Typ von Regisseur scheint da aufzukommen, vor allem aber eine neue Art seiner medialen Vermarktung. Wir erfahren, dass Florian Henckel von Donnersmarck aus einer der reichsten Familien des deutschen Reiches stammt, mit welchselbiger Information wir unter anderem in der Zeitschrift „Vanity Fair“ beglückt werden, wo man als Interviewer gleich den Bruder von Gloria von Thurn und Taxis wählt, Alexander von Schönburg (klingt wie aus einer dieser Adelsschmonzetten, mit denen unser öffentlich-rechtliches Fernsehen uns derzeit so gern beglückt). Aber auch in anderen Blättern, die angeblich nur bei Friseuren und Zahnärzten gelesen werden, wird der adelig-industrielle Großbürger-Familienroman gern genommen. Tut erstmal nichts zur Sache. Für seine Familie kann man ja nichts. Wie sich jemand inszeniert und wie er sich inszenieren lässt, dafür kann man schon etwas. Florian Henckel von Donnersmarck lässt sich derzeit wohl als Staatsfilmemacher feiern, und versucht dabei so viele als möglich rechte Klischees zu bedienen. Seine Dankesrede an Arnold Schwarzenegger mag einem in der ideologischen Raffinesse noch den letzten Rest der naiven Bewunderung für die steirische Migrationseiche nehmen, beim Aufspringen auf den nationalistischen Zug der Zeit aber hört dann der Spaß auf. Und eine Selbstdefinition „in einer Tradition von Leistungsträgern“ ist so scheußlich gesprochen wie sein Frauen-Bild, na sagen wir: problematisch.

Und je unangenehmer einem diese Nationalisierung eines Filmpreises vorkommt, desto genauer möchte man dann einen Film anschauen, der ja immerhin von sich behauptet, ein gültiges Bild deutscher Geschichte, Geschichte eines deutschen Teils zu zeigen. Gutes Schauspielerkino, passabel ausgestattet, handwerklich kompetent aber ohne Stachel inszeniert. Jeder mittelmäßige Regisseur kann seinen Stoff und sein Publikum manipulieren. Ein schlechter Regisseur kann es nicht. Ein guter Regisseur will es nicht.

Aber das klingt ja schon wieder nach Kritik. Und die soll ja, geht es nach Günther Rohrbach, in Deutschland verboten werden. Hatten wir doch auch schon mal.

Quelle: Georg Seeßlen [Filmspiegel GmbH]