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Anja Jaenicke

Der berühmte Fragebogen, der in Wahrheit gar nicht von Proust stammt
Das Ausfüllen des nach dem berühmten französischen Schriftsteller Marcel Proust (1871-1922) benannten Fragebogen war um die Jahrhundertwende ein beliebtes Gesellschaftsspiel. Dabei hat der Autor des epischen Jahrhundertromans „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ diesen Fragebogen in Wirklichkeit gar nicht selbst erfunden. Dafür hat Proust ihn jedoch gleich zweimal – im Alter von 13 und 20 Jahren – selber ausgefüllt.

Der Blödelbarde Otto Walkes und die französische Hochkultur
Den Namen der vielseitigen Künstlerin Anja Jaenicke verbinden die meisten sicherlich nach wie vor mit der insbesondere in den 80er Jahren sehr erfolgreichen deutschen Schauspielerin. Ihr größter Publikumserfolg war mit „Otto – Der neue Film“ nicht unbedingt ein Höhepunkt Werk der deutschen Filmkunst, das eine zwingende Verbindung zu dem Pariser Intellektuellen Marcel Proust nahelegt.

Anja Jaenicke als aufstrebende deutsche Schauspielerin
Tatsächlich stand die 1963 in Berlin geborenen Anja Jaenicke bereits mit neun Jahren  in der Titelrolle von „Heimkind“ (1977) das erste Mal vor der Kamera. Es folgten der Kinofilm „David“ (1978) von Peter Liliental und zahlreiche Film- und Fernsehproduktionen wie „Derrick“, „Der Alte“ und die Serie  „Mensch Bachman“ (1984) für die sie das Bambi erhielt. Ihren Durchbruch hatte Anja Jaenicke in der Titelrolle im Tatort „Das Mädchen auf der Treppe“ (1982) mit Götz George. Für Percy Adlons Drama „Die Schaukel“ (1983) wurde sie mit den Bayrischen Filmpreis ausgezeichnet. Weiterhin war sie zu sehen in der Romanverfilmung des chilenischen Autors und Regisseurs Antonio Skarmeta “ Abschied in Berlin“ (1985) in dem sie gemeinsam mit ihrer Mutter, der Schauspielerin Käte Jaenicke, vor der Kamera stand sowie in dem Wagner-Epos “ Wahnfried“ (1986) mit Otto Sander und Christoph Waltz.

Wandel von der erfolgreichen Mimin zur Literatin aus Passion
Ihren vorerst letzten Auftritt vor der Kamera hatte Anja Jaenicke im Jahre 1997 als Assistentin von Kommisar Brinkman im Frankfurter Tatort . Danach beschloss die vielzeitig begabte Künstlerin sich ihrem schriftstellerischen Talent zu widmen. Sie schrieb mehrere Drehbücher und veröffentlichte auf Englisch mehrere Lyrikbände. Auf Deutsch sind bisher der Roman “ Das Spiegelbild des Seins“ und “ Show Biss“ – ein Band mit Kurzgeschichten –  erschienen. Anja pendelt zwischen Deutschland und den USA, wo sie weitere Projekte vorbereitet. Ein erneutes Erscheinen vor der Kamera hält sie durchaus für möglich.

Anja Jaenicke und der Fragebogen von Marcel Proust
Kennt man erst einmal Anja Jaenickes weitgefächerten kreativen Hintergrund, verwundert es keineswegs, dass die ausgerechnet aus „Otto“ bekannte Darstellerin beim Ausfüllen des Fragebogens von Marcel Proust eine Menge Geistreiches und Überraschendes zu sagen hat. Die Fragen stammen alle aus dem Originalfragebogen. Nur eine einzige ist neu hinzugekommen. Die klugen Getidan-Leser werden sicherlich sofort erkennen, welche das ist. Das Interview wurde von Gregor Torinus geführt:

Frage: Wo möchten Sie leben?
Antwort: Da wo ich willkommen bin.

Frage: Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?
Antwort: Himmlisch.

Frage: Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Antwort: Menschliche.

Frage: Was ist für Sie das größte Unglück?
Antwort: Ignoranz und Intoleranz.

Frage: Ihre liebsten Romanhelden?
Antwort: Miss Marple.

Frage: Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte?
Antwort: Hypatia von Alexandria, Janusz Korczak.

Frage: Ihre Lieblingsheldinnen/-helden in der Wirklichkeit?
Antwort: Mein Mann.

Frage: Ihr Lieblingsmaler?
Antwort: Maxime Maufra.

Frage: Ihr Lieblingsautor?
Antwort: Douglas Hofstadter.

Frage: Ihr Lieblingskomponist?
Antwort: Bach, Chopin.

Frage: Ihr Lieblingsregisseur?
Antwort: Charles Chaplin.

Frage: Welche Eigenschaften schätzen sie bei einer Frau am meisten?
Antwort: Die Bartstoppeln.

Frage: Welche Eigenschaften schätzen sie bei einem Mann am meisten?
Anwort: Die zarte Haut.

Frage: Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Antwort: Leben.

Frage: Wer oder was hätten Sie gern sein mögen?
Antwort: Das was ich bin.

Frage: Ihr Hauptcharakterzug?
Antwort: Charakter.

Frage: Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?
Antwort: Ihre Intelligenz.

Frage: Ihr größter Fehler?
Antwort: Das wollen Sie nicht wissen!

Frage: Ihr Traum vom Glück?
Antwort: Der Moment.

Frage: Was wäre für Sie das größte Unglück?
Antwort: Darauf kommt es nicht an, sehen Sie sich um!

Frage: Ihre Lieblingsfarbe?
Antwort: Regenbogen.

Frage: Ihre Lieblingsblume?
Antwort: Rose.

Frage: Ihr Lieblingsvogel?
Antwort: Mein eigener.

Frage: Ihre Lieblingsnamen?
Antwort: Die meiner Hunde.

Frage: Was verabscheuen sie am meisten?
Antwort: Ignoranz.

Frage: Welche geschichtlichen Gestalten verabscheuen Sie am meisten?
Antwort: Josef Stalin, Adolf Hitler, Simon de Montford.

Frage: Welche Reform bewundern Sie am meisten?
Antwort: Die Emanzipation des Menschen.

Frage: Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
Antwort: Skifahren können.

Frage: Wie möchten Sie gern sterben?
Antwort: So wie ich lebe.

Frage: Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Antwort: Wach.

Frage: Ihr Motto?
Antwort: Compos Mentis.

 

Gregor Torinus, Juli 2014

Bild: HIQ-MEDIA-POOL INC.