Die Verfärbung der Milz

„Das Hemd“, sagte die Dame ungerührt, „musst du entsorgen.“ Sie war 11 Tage weg. Unsereiner, wie der Mann so ist, war aufgestanden vor Tau & Tag, um sie in Frankfurt abzuholen, den Rucksack zu tragen, Freude zu empfinden. Das ganze Programm. Unsereiner hatte das Haus geputzt und das Geschirr abgewaschen. Und dann das.

Sie hatte mir schon einmal ein Hemd verboten, mein gelbes Lieblingshemd. Ich hatte ihr eigens ein melancholisches Erinnerungsfoto an die letzten Tage dieses Hemdes in den Busch nachgeschickt. Es half nichts.

Allerdings, das gelbe Hemd durfte ich länger tragen, unsere nähere Bekanntschaft war noch nicht so furchtbar alt und sie war sich wohl noch nicht so furchtbar sicher. Nunmehr aber weiß die Dame, dass unsereiner ist, was Frauen untereinander gern einsichtig nennen und Männer einen Trottel. Und also ging es dem Hemd an den Kragen.

Beherrscht und im Innersten verletzt, fragte ich leise, was es denn sei mit dem Hemd. Es war Mittwoch und ich hatte es am Vortag aus dem Schrank geholt. Etwas Gekleckertes konnte es nicht sein. Zum einen hatte ich wenig gegessen während ihrer Abwesenheit, weil, als ein Mann mit Sensibilität wollte ich ihr das bedrückende Gefühl ersparen, auch andere könnten kochen. Zum anderen motiviert ein bekleckertes Hemd sie höchstens zum Ausleben dieser merkwürdigen Frauen-Leidenschaft, die im intimen Umgang mit der Waschmaschine ihren Höhepunkt erfährt, es handelt sich dabei um den noch weitgehend unerforschten sogenannten W-Punkt.

Es musste also etwas anderes sein, aber was? „Da sind“, so sprach sie milde, „Verfärbungen in Höhe der Milz.“

Zugegeben, es hat schon was, wenn eine Frau sich ein wenig auskennt mit den inneren und äußeren Organen und wenn sie sich überdies präzise und gebildet auszudrücken vermag. Aber so? Gut, für Frauen sind Textilien so etwas wie Patienten, da bedarf es einer exakten Diagnose.

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Es ist nämlich so, dass ich manchmal zwei verschiedene Socken trage.

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Ich betrachte das Hemd, ich untersuche es. Nichts. „Du musst es gegen das Fenster halten“, sagt sie sanft. Hä? Ich meine, wer wird das Hemd gegen das Fenster halten, wenn ich es trage? Irgendein Typ, der mich aus dem Fenster werfen will? Weiß sie mehr? „In der Sonne“ ergänzt sie, „sieht man es besser.“ In was für einer Sonne? In den Geschäften nerven schon die Weihnachtsmänner.

Aber das wird mir nicht helfen. Es genügt, dass sie glaubt, es befänden sich Verfärbungen in Höhe der Milz. Und es spielt überhaupt keine Rolle, dass niemand es sieht, es ist vollkommen ausreichend, dass sie es weiß. Ich mochte auch dieses braune Hemd sehr, beinahe so sehr wie das gelbe.

Und deshalb bin ich jetzt traurig und voller bösem Grimm. Und packe aus!

Es ist nämlich so, dass ich manchmal zwei verschiedene Socken trage. Nicht gerade grün und gelb, aber verschiedene Spielarten von Dunkel. Weil, die Socken pflegen nach der Wäsche in einem Korb zu liegen, lange und einzeln. Und ich habe sie dort am Morgen herauszufischen, weil, sie tut es nicht, sie rollt sie nicht. Dabei, sie hat mir früher nie gesagt, dass sie keine Socken rollt. So. Und jetzt unternehme ich allmorgendlich 2, 3, 4 Versuche mit dem Socken-Memory und es klappt nicht immer. Seufzend verbrüdere ich also die dunkelbraune und die hellschwarze Socke.

Doch, sie hat schon versucht, das Problem zu lösen. Sie hat mir ein Dutzend gleicher Socken gekauft, da ist es egal. Im Prinzip, nur, dass sie die anderen Socken nicht weggeschmissen hat, und allein trau ich mich nicht.

Ach, sagt sie, das merkt doch keiner. Dabei, eine uns bekannte Zahnärztin hat es schon einmal bemerkt. Und selbst wenn: Wieso muss ich dann das Hemd entsorgen??


Text: Henryk Goldberg