Meldung Das „Unwort des Jahres 2011“ heißt „Döner-Morde“. Auf Platz 2 landete das Wort „Gutmensch“. Mit dem Ausdruck werde „insbesondere in Internet-Foren das ethische Ideal des guten Menschen in hämischer Weise aufgegriffen, um Andersdenkende pauschal und ohne Ansehung ihrer Argumente zu diffamieren und als naiv abzuqualifizieren“, urteilte die Jury und sprach von einem Widerspruch gegen die „Grundprinzipien der Demokratie“.

Henryk Goldberg würde gern den „Gutmensch“ begraben

Mein Unwort des Jahres 2011 wäre es nicht gewesen. Allein mit dem mir dafür verfügbaren Instrumentarium, mit dem Gefühl für Moral und Sprache also, hätte ich die „Döner-Morde“ nicht als einen anstößigen Begriff empfunden.

Mag sein, man muss ein Gutmensch sein dafür.

Und genau dieses Wort, der diesjährige zweite Platz, ist seit Langem mein Favorit für ein Unwort des Jahres. Denn es wird in der Regel so gebraucht, wie ich es, zur Demonstration, hier gebraucht habe: Als polemischer Kampfbegriff.

Es ist ein Wort, in dem sich Arroganz und Anmaßung manifestieren. Es wird gebraucht von Leuten, die sich so ihrer lässigen Souveränität gegenüber einer vermeintlichen Naivität versichern. Es ist ein Wort, das, zum Beispiel, kühle politische Köpfe gerne nahmen für jene, die dem Irak-Krieg skeptisch gegenüberstanden.

In diesem Wort bündelt sich die Arroganz der Macht. Die Arroganz des real siegenden Kapitalismus, dessen Protagonisten auf Einreden nur noch mit spöttischer Überlegenheit reagieren können.

Der ironische Untertext des Wortes „Gutmensch“ steht dafür, dass das Bedürfnis, ein guter, ein moralischer Mensch sein zu wollen, heute im Ruf einer Marotte steht. Es ist der Kampfbegriff der moralischen Realpolitiker. Die Herren zu Guttenberg und Wulff werden ihn mögen.

Henryk Goldberg, Thüringer Allgemeine 18.01.2012