Henryk Goldberg will auch nicht zum Zapfenstreich

Also mich hat ja niemand gefragt. Außerdem will ich am Donnerstagabend ins Kino. Aber wenn Sie nichts vorhaben, fahren Sie doch morgen nach Berlin. Da hat einer eine Party und freut sich über jeden Besucher.

Es haben nämlich schon viele abgesagt. Walter Scheel zum Beispiel, Roman Herzog, Richard von Weizsäcker und Horst Köhler. Die haben alle mal die Tätigkeit ausgeübt, von der Christian Wulff jetzt verabschiedet wird. Eigentlich ist es üblich, unter Kollegen Bundespräsidenten, da mal vorbeizuschauen. Aber es gilt wohl inzwischen als ehrenrührig, sich mit dem Mann sehen zu lassen, der nächstens seinen Ehrensold überwiesen bekommt. Auch und gerade unter Menschen, die ebenfalls einen Ehrensold beziehen. Aber den hat niemand infrage gestellt, da es sich um Menschen von Ehre handelt.

Auch die niedersächsische Landesregierung wird nicht vertreten sein beim Großen Zapfenstreich, auch die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen nicht. Nicht seine Vorgänger, nicht sein Nachfolger.

Diese Zeremonie, die sehr wenigen Politikern qua Amt vorbehalten bleibt, ist eine Peinlichkeit – und sie offenbart den Mangel an Würde. Denn sonst hätte Wulff verzichtet, so wie er auf Dienstwagen, Büro und Personal verzichtet hätte.

Aber verzichten liegt ihm nicht.

Henryk Goldberg, Thüringer Allgemeine 07.03.2012