Warum Henryk Goldberg heute keine Blumen kauft

Nein, ich werde wieder keine Blumen kaufen. Daran kann man zum einen deutlich erkennen, dass ich mich durch das Regime nicht habe indoktrinieren lassen. Zum andern bin ich ein Opfer sexueller Belästigung gelegentlich eines 8. März.

Dieser 8. März war früher, Sie wissen schon: früher, so etwas wie Vatertag für Frauen. Eines schlimmen Märztages, das Theater Erfurt war auf Abstecher in Arnstadt, muss irgendwie der Bus ausgefallen sein, mit dem sie uns Kulissenschieber wieder nach Hause fuhren, wenn die Kulissen abgebaut waren. Und irgendwie müssen sie dann diesen anderen Bus aufgetrieben haben, der uns mitnahm.

Darinnen befanden sich bereits fröhliche Bürgerinnen, rückkehrend von der Frauentagsfeier, bei welcher Gelegenheit wohl der eine oder andere Eierlikör zur Verteilung gelangt sein musste. Ich trug, wir kamen von der Arbeit, eine Fellweste über dem Unterhemd und Jeans mit Löchern.

„Hallo, Kleiner!“, begrüßten die Damen mich, 18, 19 Jahre alt, launig und begannen, meine sexuelle Verwertbarkeit zu diskutieren, nicht ohne mich gelegentlich um Bestätigung oder Verneinung ihrer heiter angestellten Vermutungen zu bitten. Vielleicht habe ich auch deshalb damals nie einem Mädchen hinterher gepfiffen: weil ich ahnte, wie es sich anhört.

Ich bin für alles was hilft, sogar für die Quote, sogar und vor allem in Zeitungen.

Aber ich kaufe keine Blumen.

Henryk Goldberg, Thüringer Allgemeine 08.03.2012

Bild: Plakat zum Internationalen Frauentag in der DDR, 1954