Er macht es einem nicht immer leicht, aber vielleicht ist er ja auch deshalb ein Großer. Im April machte er es einem ganz besonders schwer, mit dem durch seinen Zeilenumbruch als Gedicht auftretenden schlichten Text „Was gesagt werden muss“. Dieses schier unerträgliche Gedicht – unerträglich als Haltung wie als Form – hätte keinerlei Aufmerksamkeit und Aufruhr verursacht, wenn er nicht wirklich ein Großer wäre.

„Die Blechtrommel“, das werden sie auch in 100 Jahren noch kennen, wenn niemand mehr weiß, wann und zu welchem Zweck der Autor noch trommelte; wenn nur Historiker noch wissen, was „SS“ bedeutet, und was es einst bedeutet hat, dass ein bedeutender Autor seine harmlose Mitgliedschaft verschwieg. Und dass es wohl kaum einen anderen Schriftsteller von Rang gab, der sich durch so eine Winzigkeit so beschädigt hat.

Denn das Werk, es setzt sich immer durch gegen den Autor. Und das Werk, das sind die Bücher, nicht die Reden. Die trutzigen Polemiken von Günter Grass sind nicht immer von Sachlichkeit getragen, sind häufig verbissen und verknurrt. Und wenn sie im Schreiben Dominanz gewinnen, wie in „Ein weites Feld“, dann ist das nicht gut für das Geschriebene, dann kommt ihm die Souveränität des Erzählens abhanden, diese Erdensinnlichkeit der Sprache.

„Dir hat es schon immer Spaß gemacht“, schreibt einer dem fiktiven Erzähler der „Unkenrufe“, „tatsächlicher als alle Tatsachen zu sein“. Das ist Literatur und der selbstbewusste Günter Grass weiß, warum er einen solchen Satz an sich schreibt. Er hat ja alles Recht der Welt dazu. Denn er bleibt, trotz alledem, ein Großer.

Henryk Goldberg, Thüringer Allgemeine 15.10.2012

Bild: CC BY-SA 2.0, Blaues Sofa from Berlin, Deutschland