Sie bricht allmählich weg, die Generation der großen Geschichtenerzähler der Kriminalliteratur. Sie sterben aus, jene Autoren, die uns über Jahrzehnte mit dem Feuer ihrer Geschichten wärmten. Wieder sind zwei gegangen.

Ein Wiederlesen ihrer frühen Bücher lohnt bei dem Briten wie dem Amerikaner. Da hat sich kein Staub angesetzt und es verblüfft zu sehen, wie hoch die Qualitätslatte einst lag.

Ritter von der männlichen Gestalt

So verschieden sie gewesen sind in Stil, Wahl der Protagonisten und den Settings ihrer Romane, so haben sie doch vieles gemeinsam. Abberufen wurden beide mitten in ihrer Arbeit. Parkers Frau fand ihn an seinem Schreibtisch, den Kopf auf der Tastatur, ein Schlaganfall mit 77 mitten im nächsten Roman. Dick Francis arbeitete noch im Alter von 89 mit seinem Sohn Felix an einem neuen Buch als der Tod kam. Arbeitspferde waren sie beide, glücklich bei dem, was sie am besten konnten, was sie als Berufung entdeckt und zur Profession gemacht hatten – Geschichtenerzählen.

Das erste Buch von Dick Francis war seine Biographie, veröffentlicht im Alter von 37 Jahren, der Titel „The Sport of Queens“. Er nahm darin Abschied von einer erfolgreichen, mit einem bösen Sturz und einer Rückenverletzung beendeten Karriere. Es war das Pferd der Königinmutter, das er geritten hatte. 350 Rennsiege hatte er als einer der besten Jockeys Großbritanniens auf dem Konto, als er sich vom aktiven Sport zurückzog. Dem Milieu blieb der quasi auf einem Pferderücken geborene Südwaliser treu – und auch der königlichen Familie.

„How very british“, viel britischer geht es wirklich nicht, als ein Schriftstellerleben lang stets die Königinmutter und ihre Tochter als erste Leserinnen zu haben. Ihnen überreichte er stets das erste Druckexemplar. Und er schrieb auch so, dass die Ladies nichts allzu Indignierendes auf den Seiten fanden. Strictly no sex, niemals eine Sexszene. Dick Francis war ein Gentleman, voller Lebensart und Selbstdisziplin. Wie seine Helden. Nur einmal lieferte er ein Buch zwei Wochen später ab als vereinbart, sonst hielt er für seine über 40 Bücher stets die Termine.

Und nicht nur die Termine. Auch die Qualität. Seine Thriller sind edle Vollblutpferde, stramm gebürstet und poliert, elegant in der Beschreibung und der Bewegung, immer im vorderen Feld. Perfekte Unterhaltungsliteratur, die es übrigens auch Männern erlaubt, für Pferde zu schwärmen. Dick Francis nicht zu lesen, weil man keine Pferde mag, das sei wie Dostojewski nicht zu lesen, weil man nicht an Gott glaubt, hieß es einst in „Newsweek“. Mit Dick Francis kommt man herum auf der Welt, seine Helden haben viele Berufe und viele Namen. Sid Halley und Kit Fielding sind wohl die bekanntesten.
Wie ihr Schöpfer können auch Dick Francis’ Helden etwas einstecken. Sie sind keine Jammerlappen, sind hart im Nehmen und sie haben Anstand und Ehrgefühl – welch altmodische Begriffe. „Ich war nie extrem ehrgeizig, aber immer bestrebt, mein Bestes zu geben“, sagt einer der typischen Helden von Dick Francis.

Gewichte stemmen

Das könnte auch für Robert B. Parker stehen. Gewichtheben war sein Sport bis zum Todestag, dabei hätte der bullige Basketballfan aus der Nähe von Boston eine akademische Karriere haben können. Seine Doktorarbeit von 1971 war „The Violent Hero, Wilderness Heritage and Urban Reality: A Study of the Private Eye in the Novels of Dashiell Hammett, Raymond Chandler and Ross Macdonald”. Schon in seinem ersten Kriminalroman, 1973, rechnete er mit dem akademischen Milieu ab. „The Godwolf Manuskript“ (Spenser und das gestohlene Manuskript, auch als Die Schnauze voll Gerechtigkeit erschienen) beginnt mit folgendem Satz: „Das Büro des Universitätspräsidenten sah aus wie der Empfangsraum eines gut gehenden viktorianischen Bordells.“
Privatdetektiv Spenser, der hier zu einem Auftrag antritt, ist ein Zweimetermann mit Angst höchstens vor Frauen. Wie sein Autor hebt er Gewichte. Und er ist so etwas wie ein später Ritter. Susan Spiegelmann übrigens, die feministisch-taffe Psychologin, mit der Spenser über viele Bücher hin eine knisternde Beziehung hält, tauchte erstmals in seinem zweiten Roman „God Save the Child“ (Kevins Weg ins andere Leben) auf, und ihr erster Satz an Spenser lautete: „Haben Sie gerade meiner Sekretärin in den Ausschnitt geschaut?“
Wir wissen nicht, ob Queen Mum und/oder Königin Elizabeth jemals Robert B. Parker gelesen haben, wie sie Spensers Kochkünste oder wie sexy sie Hawk fanden, den stoischen schwarzen Freund des Privatdetektivs. Parkers erste 30 Romane bieten Witz und Dialoge, die wie für Humphrey Bogart und Lauren Bacall geschrieben waren. Zur Hölle, Parker führte sogar einen unvollendeten Roman von Raymond Chandler weiter (Poodle Springs), stemmte die Fortsetzung von „Der große Schlaf“ (Tote träumen nicht /Perchance to Dream) und hielt so Philip Marlowe ein Stück länger am Leben.

Irgendwann aber in den Neunzigern bin ich nachlässiger geworden mit der Parker-Lektüre. Bis zu drei Bücher im Jahr hämmerte er in die Tasten. „Ich habe versucht, langsamer zu schreiben“, sagte er einmal, „aber das hat die Bücher auch nicht besser gemacht.“ Parker erfand auch die knallharte Privatdetektivin Sunny Randall und den abgehalfterten Kleinstadtpolizisten Jesse Stone, den Tom Selleck (ja, der von „Magnum“) in bislang sechs ungewöhnlich guten TV-Filmen kongenial verkörpert.
Während Dick Francis im deutschsprachigen Raum vom Diogenes Verlag vorbildlich gepflegt wird, ist es der kleine und feine Pendragon-Verlag aus Bielefeld, der heute den amerikanischen Bestsellerautor Robert B. Parker veröffentlicht. Meine Hochachtung. Nur auf DVD, nicht im Kino und nicht im Buchladen, gibt es „Appaloosa“, die erste von insgesamt vier Westerngeschichten aus Parkers Feder, die einem mit ihrer Schnörkellosigkeit und Lakonie die Stiefel wegziehen. „Appaloosa“ ist ein Geheimtipp, ein cooler, realistischer Spätwestern mit Viggo Mortensen und Ed Harris, die als umherziehende freiberufliche Zeitarbeiter Recht und Ordnung in ein kleines Kaff bringen. Ed Harris selbst hat die Regie geführt, und man muss sie gesehen haben, die beiden, die Hüte tief im Gesicht, Viggo mit der größten Schrotflinte der Filmgeschichte, wie sie auf der Veranda sitzen, schweigsam, männlich, höchstens Angst vor Frauen …

 


 

P.S. In einem Nachruf auf den Vater erinnerte David Parker an den Titel des zwölften Spenser-Romans, den sein Vater dem Kapitel 96 von Melvilles „Moby Dick“ entlehnte. „Spenser auf der Flucht“ (A Catskill Eagle) heißt das Buch, und das Melville-Zitat lautet:

„There is a Catskill eagle in some souls that can alike dive down into the blackest gorges, and soar out of them again and become invisible in the sunny spaces… so that even in his lowest swoop the mountain eagle is still higher than other birds upon the plain, even though they soar.” – Möget ihr also fliegen, hoch über uns, Sir Francis und Mister Parker …


Richard Stanley „Dick“ Francis *31.10. 1920 †14.02.2010

(Bild via guardian.co.uk)

Robert B. (Brown) Parker *17.02.1932 †18.01.2010

Bild: APAB ((c) AP (Chitose Suzuki))

(Bild via Die Presse.com)