Außer Atem, 1960

Langer Atem

Manchmal muss man einfach Glück haben. Und niemand weiß vorher wirklich, unter welchen Umständen ein Star entsteht, anderen Falles wäre die Welt voll davon. Hier passt alles. Jean-Luc Godard ist 29, Jean-Paul Belmondo 26 Jahre alt, als sie 1959 aufeinander treffen. Der Regisseur dreht seinen ersten Film und will berühmt werden, der Schauspieler hat bereits acht Filme hinter sich und ist noch immer unberühmt. Nach dieser Arbeit sind beide Stars mit langem Atem.

Neun Jahre vor dem französischen Mai erzählte „Außer Atem“ vom Lebensgefühl einer jungen Generation. Jean Seberg zitiert in diesem Film einmal Faulkners Satz „Zwischen dem Nichts und dem Schmerz wähle ich den Schmerz.“ Das ist es. Belmondo beglaubigte mit seinem lässigen Charme die Geburtsurkunde der Nouvell Vague, so etwas bleibt. Godard hat die Anarachie im Kopf, Belmondo im Körper. Eine ungemeine körperliche Präsenz, ein Mann, der das Gefühl vermittelt, zynisch und zärtlich in einem zu sein, ein harter Hund, der uns glauben lässt, es gäbe Gründe dafür, dass er so ist und die wenigstens davon hätte er zu verantworten.

Belmondo hat dann mit allen berühmten Regisseuren gedreht, ein paar wichtige Filme (11 Uhr nachts), ein paar schöne (Abenteuer in Rio, Cartuche), viele flotte und ganz viele unwichtige. Ein Schauspieler, der lange seiner Jugendlichkeit lebte und schließlich doch (Der Löwe) Abschied nahm davon.

In „Außer Atem“ steht er einmal vor einem Filmplakat und blickt Humphrey Bogart ins Gesicht, wie dieser streicht er mit dem Daumen über die Lippen, als prüfe er, wie ihm der Ruhm wohl stünde. Ein Bild wie ein Gebet. Es hat geholfen und Beten ist wohl das verlässlichste Mittel für den Weg in den Himmel, wo die Sterne sind.

Autor: Henryk Goldberg

erschienen 09. April 2003 in Thüringer Allgemeine, anläßlich Jean-Paul Belmondos 70. Geburtstag

Bild: Kinowelt/Arthaus