Letzte Woche erlebten wir eine Sternstunde der Liverevolutionsübertragung. Marietta Slomka orakelt mit dem Kairo-Korrespondenten Dietmar Ossenberg im ZDF heute-journal über den Gang der Ereignisse, da huscht mitten im Gespräch ein Laserstrahl durch das improvisierte openair-Studio mit unverbautem Ausblick auf die Ereignisse. Die Schalte bricht ab und im nachfolgenden „Auslandsjournal“ sahen wir dann mit starrem Kameraauge auf die Bühne der Revolution – im Hintergrund das Gemurmel der Kommentare.

Ganz ähnlich geht das nachts auf dem arabischen Sender Aljezzera zu und auch bei den BBC-News. Wer sich noch an die von Bombenblitzen durchpulsten grünlich-schwarzen Bilder aus Flugzeugen oder von eingebetteten Journalisten aus Golfkrieg II erinnert, an diese digitalen Schlachtengemälde aus der Propagandaabteilung der freien Welt, der wird sich wundern über diese jetzt eher sepiafarbenen Bilder vom nächtlichen Tahrir-Platz.

Die neue orangeschwarze Tinktur der Bilder mag technische Gründe haben, in ihrer Undeutlichkeit möchte man Symbolisches sehen. Als vor 20 Jahren amerikanische Flugzeuge Wohnhäuser in Bagdad bombardierten, als vor sieben Jahren embedded Journalisten auf Panzern durch den Irak ritten, da gab es Plan und Wille, da gab es auch für die Medien eine Logik, so schlotterdünn sie auch gewesen sein mag: sie wurde Gebet. Zur Zeit weiß keiner, wie die Revolution ausgehen wird, unsere Medien wissen noch nicht mal genau, was sie wünschen sollen. Mubarak war eine Bastion, Mubarak war unser Mann – wie übrigens fast sämtliche arabische Diktatoren. Irgendwie sind unsere Qualitätsjournalisten von den Socken. Seit fast 30 Jahren wird Mubarak von westlichen Spitzenpolitikern hofiert. Bundespräsident Richard von Weizsäcker nannte Mubarak „einen unersetzbaren Faktor im Nahen Osten“, er arbeite mit Maß und Vernunft für den Frieden.

Kein Politiker von Rang, der nicht ähnlichen Wahnsinn vom Stapel gelassen hätte. Kein Medium von Rang, das den Unfug nicht nachgebrabbelt hätte. Unsere Mikrophone waren einzig auf das Hüsteln von Islamisten eingestellt. Dass es diesen Islamismus vielleicht nur deshalb gibt, weil das Volk unter den vom Westen gesponserten Diktatoren ächzt, solche Überlegungen passen nicht in einen von der Logik des Kameraauges gezeichneten Journalismus.

„The revolution will not be televised”, singt Gil Scott-Heron. So ist es. Es ist schön, wenn Journalisten gelegentlich mal an der Logik des Kameraauges verzweifeln, wenn sie nicht mehr wissen, was sie eigentlich sehen. Dann könnte der wahre Journalismus beginnen. Stattdessen fabuliert Marietta Slomka: „Der Tahrir Platz in diesen Minuten. Ägyptens Schicksalsplatz und vielleicht entscheidet sich hier das Schicksal einer ganzen Region, die gebannt nach Kairo blickt.“ Als handele es sich um den Sportplatz der Revolution. Im undeutbaren Tumult der Gewalt dämmert dem Zuschauer, dass es sich hier wahrscheinlich eher um eine symbolische Arena handelt. Diese Revolution wird fortan anderswo entschieden. Davon handeln die sepiakolorierten Bilder aus Kairo.

Text: Walter van Rossum

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