Filme aus Südafrika im PANORAMA der BERLINALE 2017

Das Tolle an der Berlinale ist, dass man mehr oder weniger gemütlich sitzend in viele Kontinente bzw. Länder dieser Welt blicken kann. Nach Asien oder Süd- bzw. Lateinamerika – dieses Jahr kommen auffallend viele Filme von dort – oder nach Afrika, dem wohl nach wir vor unterpräsentiertesten Kontinent unserer Wahrnehmung von Filmproduktionen. Dabei produziert Nigeria jährlich mehr Filme als Holly- oder Bollywood. Die Quantität sagt natürlich rein gar nichts über die Qualität dieser Filme – sie werden häufig schnell und mit mehr als bescheidenen Mitteln produziert.

Dies gilt jedoch nicht für „Vaya“ des Nigerianers Akin Omotoso. Acht Jahre lang hat der Regisseur an seinem Film, der auf realen Lebensgeschichten junger Schwarzafrikaner beruht, gefeilt, hat tolle, zum Teil völlig filmunerfahrene, Schauspieler engagiert und Drehorte gewählt, in die sich niemals ein Weißer trauen würde. Es sind die Suburbs von Johannesburg und Soweto, labyrinthartige Straßen und Häuser, heruntergekommene Bars, Kneipen, Autowerkstätten und ein spartanisch möbliertes Büro. Dort spielt sich eine der nicht eben wenigen grausamen, aber sicher sehr authentischen Szenen des Films ab. Zanele, eine junge hübsche Schwarzafrikanerin, die davon träumt Tänzerin zu werden, entgeht hier nur knapp den Fängen eines Mädchenhändlers. Ihr weiteres Schicksal läßt der Film offen. Thobeka hingegen, die zweite Frauenfigur, ist keine berühmte Sängerin geworden, sondern schafft in einer Spelunke an und auch Nhlanhlas Hoffnung, über seinen wohlhabenden Cousin, einen Job zu bekommen löst sich in Luft auf. Nkulu schließlich, der den Leichnam seines Vaters zurück in sein Dorf bringen soll, muß entdecken, dass dieser in der Stadt eine zweite Familie hatte, mit der er nun in gefährliche Konflikte gerät.

Es geht um diese vier Lebenswege, die sich immer wieder kreuzen, die fern ihrer Heimat in einen Reigen aus Betrug, Ausbeutung, Korruption und Gewalt geraten. Träume und Hoffnungen auf eine bessere Zukunft bleiben auf der Strecke. Am Ende sind uns diese Menschen, die sonst (auch im Kino) unsichtbar bleiben, nahe gekommen. Dies gilt auch für die üblen Typen, die reichlich vorkommen. Der Regisseur schafft Charaktere ohne moralischen Zeigefinger. Dies mag zum Teil daran liegen, dass er sehr eigenwillig zwischen einer dokumentarischen Stilistik und inszenierten Spielfilmszenen wechselt. „Vaya“ hatte seine Premiere bereits auf dem Toronto Film Festival, wo er zurecht groß gefeiert wurde.

Ebenfalls aus Südafrika kommt „The Wound“, das Spielfilmdebüt von John Trengove. Ein schwarzer, einsamer Fabrikarbeiter namens Xolani muss in eine abgelegene Bergregion, dorthin, wo nach alter Tradition Rituale vollzogen werden, die den Übergang zum Mannesalter markieren. Dort angekommen kümmert er sich um Kwanda, einen jungen sensiblen Mann aus der Großstadt, der von seinem Vater zwangsweise in diese Männerwelt geschickt wird, damit er seine sensible Seite verliert. Kwanda kommt dahinter, dass Xolani dort ein geheimgehaltenes Verhältnis mit einem verheirateten Familienvater hat. Moderne homosexuelle Lebensformen und tradierte Männlichkeitsrituale geraten aneinander.

wound_900

Wound (Urucu Media)

In dokumentarischer Manier zeigt der Regisseur die Austreibungen böser Geister, Schmink- und Tanzrituale, die Wettkämpfe, das Kräftemessen und den Akt der Beschneidung bzw. die Zeit danach. Bereits im ersten Film des weißen Südafrikaners, der in New York ausgebildet wurde, ging es um das Thema der männlichen Beschneidung, der Initiationsrituale, die einige afrikanische Volksgruppen nach wie vor praktizieren. Man kann schon fragen, was will der Regisseur? Geht es hier um enthnologische Feldforschung mit kritischem Impetus? Oder um schwule Spielfilme mit dem größtmöglichen Exotikfaktor? Trengove selbst erklärt in einem Interview: „Wenn man auf das afrikanische Kino schaut, gibt es nur eindimensionale Charaktere und das totale Fehlen von queeren Inhalten.“ Der Film, der auch schon in Sundance lief, eröffnete jedenfalls dieses Jahr die Sektion des Panorma-Schwerpunktes „schwarze Welten“.

Daniela Kloock

Bild ganz oben: Kaya © Rififi Pictures