„Wenders provoziert vielleicht ganz gerne und 2011 wird ein besseres Kinojahr….“

ein Gespräch mit Hans-Joachim Flebbe über die Zukunft des Kinos

(Hans-Joachim Flebbe ist seit Ende der 70er Jahre Kino-Unternehmensgründer. Der ehemalige Vorstand der CinemaxX AG betreibt Großkinos in Braunschweig und Hannover und baute 2008 den ehemaligen Filmpalast Berlin am Kurfürstendamm zu einer exquisiten Film-Lounge um. Nach diesem Vorbild entstehen ähnliche Kinos in Genf und Hamburg, Mailand und Rom sollen folgen. Flebbe hat jüngst auch den Zuschlag für den Zoo-Palast bekommen, der 2012 wiedereröffnet wird.)

Herr Flebbe  Sie sind ein richtig alter Hase, ja wie sagt man jetzt, der Kinowirtschaft?

Der Kinobranche. Als Student trat ich gegen die Altbranche in West-Deutschland an. Es gab damals einen großen Kinokönig Heinz Riech. Ihm gehörten alle Ufa Theater, und er war berüchtigt für die sogenannten Schachtelkinos. In die ehemaligen wunderschönen aber heruntergekommenen Filmpaläste mit zum Teil 1000 Plätzen ließ er bis zu sieben Schachtel-Kinos einbauen. Diese Entwicklung führte letztendlich dazu, die Besucher aus den Kinos zu vertreiben.

Das war in den 70er und 80er Jahren. Dann kamen die home-entertainement Produkte, die Videokassette und später die DVD als Konkurrenz. Wie kann das Kino, das Lichtspieltheater wie es früher so schön hieß, wieder punkten?

Es ist ja so, daß die Multiplexkinos…

die Sie ja selber mit aufgebaut haben…

ja, ja, daß diese Kinos für viele Zuschauer absolut nicht mehr akzeptabel sind. Heute muß man eine perfekte Technik haben und natürlich eine Atmosphäre schaffen, die das Gefühl gibt mit anderen Menschen im Kino zu sein. Und das ist dann schon etwas grundlegend anderes als zu Hause alleine vor dem Fernseher zu sitzen.

Film wird bei Ihnen digital projiziert, kommt über Festplatte, also keine Filmrollen mehr?

Damit auch keine Filmrisse und keine Unschärfen. Das gibt es ja im Digitalen nicht mehr! Wir haben eine insgesamt bessere Qualität, denn die klassischen Filmkopien werden ja immer körniger und unschärfer, weil die Verleiher sparen!

Im übrigen verstehe ich Kino als vierte Leinwand im Raum. Das heißt eine große und gute Projektion mit einem super Sound. Dazu kommt die Bequemlichkeit wie z.B. Liegesessel, oder daß man – wie hier im ASTOR – am Platz bedient wird, wenn man will. Man soll zu uns kommen wie wenn man ins Restaurant gehen würde. Das ist der Unterschied. Wir haben hier einen Event.

Nun gehört ja nicht nur der bequeme Ledersessel und das kalte Hühnerbein dazu, sondern auch Filmkultur. Eben nicht nur die Aufwertung des Kinos, sondern auch der Ware Film. Das heißt u.a. auch Filme zeigen, die eben andere sind als die im Fernsehen, oder Gespräche mit Regisseuren etc.

Ich sehe das so: Ein Kino hat keinen pädagogischen oder bildungspolitischen Hintergrund. Wir werden aber im ZOOPALAST jede Menge Premieren machen, wo die Schauspieler kommen, vor allem die deutschen Schauspieler, denn dann haben wir hier in Berlin nach der LICHTBURG in Essen das zweitgrößte Kino der Bundesrepublik mit 800 Plätzen.

Nun sind die Kinobilanzen 2010 erschütternd. Fast 20 % weniger Besucher. Woran liegt das?

Der Anteil an deutschen Filmen im letzten Jahr hat sehr, sehr nachgelassen. Und wenn die Deutschen unattraktive Filme machen, dann ist das für uns ein schlechtes Kinojahr. Aber abgesehen davon muß die Kinobranche insgesamt auf zwei Sachen aufpassen: Sie muß das Publikum mehr umwerben, und sie muß darauf achten, daß die Eintrittspreise nicht zu teuer werden.

Im ASTOR liegt der Eintrittspreis bei 15 Euro im Schnitt, auch nicht gerade billig.

Wir haben aber steigende Besucherzahlen, und der Eintrittspreis erklärt sich über unseren Personalaufwand.

Wieviel verdient eigentlich derjenige, der so ein Kino betreibt an der Eintrittskarte?

Das kann ich so nicht sagen…

Ist es ein Drittel, die Hälfte?

Das sagt ihnen keiner! Mal so viel: Die Hälfte des Preises geht an den Verleiher für die Filmmiete und die andere Hälfte deckt die Unkosten.

Dazu gehört auch die Miete. Stichwort Kinosterben am Kudamm, das hat auch etwas mit den Immobilienpreisen zu tun. Früher das alte Astor, das Gloria und die wunderschöne Filmbühne Wien, da soll jetzt angeblich ein Apple Store einziehen, all diese Kinos sind weg.

Diese Kinos sind alle großen Geschäften zum Opfer gefallen. Deshalb ist es den Besitzern vom ZOOPALAST  hoch anzurechnen, daß da kein Kaufhaus entsteht. Auch Dieter Kosslick hat sich sehr für den Erhalt des Kinos eingesetzt.

Na, kommt dann die Berlinale zurück?

Ich gehe davon aus. Denn Kosslick ist ein Fan des ZOOPALASTES.

Stimmt es eigentlich, dass die CinemaxX Kinos am Postdamer Platz nach dem Umzug der Berlinale dorthin jahrelang subventioniert wurden, damit sie dem Filmmarkt der IFB erhalten bleiben?

Was damals zwischen der Debis AG, der damaligen Tochterfirma von Daimler Benz, und der Berlinale ausgehandelt wurde, das weiß ich nicht – das durchblicke ich nicht.

Und heute, fließt da Geld?

Nee, Quatsch! Die Kinos am Potsdamer Platz gehören zu den fünf best besuchten deutschen Kinos! Da wird nichts subventioniert…

Immerhin verbuchte die CinemaxX AG 2008 noch Verluste in Millionenhöhe.– Bleiben wir beim Geld. Stichwort Digitalisierung. Wer soll die teure Umstellung von analoger auf digitale Projektion bezahlen?

Eine Umrüstung von analog auf digital kostet zwischen 80.000 und 100.000 Euro. Und die einzigen, die etwas davon haben, sind die Verleiher. Denn sie müssen keine Filmkopien mehr machen. Die kosten so ungefähr 1.500 Euro pro Stück in der Herstellung, eine Festplatte demgegenüber kostet ungefähr 100 Euro. Auch die Transportkosten fallen weg.

Aber die Verleiher spielen nicht mit. Und die Programm- und Arthouse Kinomacher argumentieren, daß – abgesehen von der anfänglichen Finanzierung –  völlig unklar ist, was die neue Technik an Folgekosten bringt. Wie lange halten die digitalen Projektoren im Unterschied zu den unverwüstlichen 35mm Projektoren? Und dann die Frage der Kontrolle, der Fremdbestimmung des Programms, das dann zentral gesteuert werden kann. Im Moment ist die Situation ziemlich vertrackt, oder?

Eines kann man sagen: Die Verleiher warten ab. Sie denken irgendwann fängt schon einer an mit der Umrüstung und beugt sich dem Druck, und dann ziehen die anderen hinterher. Und wenn die kritische Masse an digitalen Kinos da ist, dann haben sie auf jeden Fall gewonnen.

Und dann kommt Wenders und macht 3D, das ist ja auch durchaus kritisch für die Programnmkinos. Das wird ein Lackmustest auf der Berlinale…

Da kann man dem Künstler jetzt ja keinen Vorwurf machen. Aber ich denke unser Kulturminister muß sich einsetzen, da müssen Fördermittel fließen, aber das alles zieht sich schon viel zu lange! Aber ich bin sicher, kein Mensch ist daran interessiert, dass in Berlin die kleinen Kinos zu machen und keiner will eine Kinowüste auf dem flachen Lande. Da wird die Politik etwas beitragen müssen….

Und wenn kein Geld da ist?

Auf die Verleiher würde ich jedenfalls als letztes setzen.

Und die kleinen Kinos haben verloren. Marktbereinigung ist das Wort, das häufig auftaucht, wenn es um die Zukunft der Kinos geht, die keinen großen Ketten angehören. Die Hoffnung stützt sich derzeit auf die Politik.

Da muß auf jeden Fall etwas passieren! Zur Zeit machen ja noch viele kleine Kinos auf analog, das geht jetzt noch einigermaßen, aber wer weiß wie die Sache in ein oder zwei Jahren aussieht…

Die Kinobranche kommt  insgesamt dann noch mehr unter Druck, wenn das web-tv kommt.

Ja. Dann, wenn Monitor und Fernseher die gleiche Funktion haben, also wenn man zu hause einen Fernseher hat, wo man sehr viel leichter an die Spielfilme rankommt, ob illegal, legal oder wie auch immer, da kommen noch ganz andere Bedrohungen auf die Kinobranche zu.

Und 3D, bringt das auf Dauer etwas fürs Kino, schafft 3D einen Mehrwert?

Bei bestimmten Filmen ja. Wo die Story unterstützt wird, eine optische Aufwertung erfährt wie bei Avatar. Aber es gibt unheimlich viele Erzählfilme, wo 3D völlig daneben geht, wo man das gar nicht braucht, wo die Wirkung verpufft…

3D ist also keine Lösung für eine Film- und Kinokrise? Wenders sagt übrigens die Zukunft von 3D liegt im dokumentarischen…

Na ja, als Regisseur provoziert man unter Umständen vielleicht ganz gerne. Aber denken Sie an die Imax Dokumentar- oder Naturfilme. Das ist nicht schlecht, wenn ich Serengenti in 3D sehe. Es ist ein „add-on“ wenn es passt. Aber eine schwache Geschichte möble ich nicht auf, wenn ich die in 3D mache…

Rückblickend kann man sagen: Es gibt immer wieder „Auf“ und „Abs“ in der Kinogeschichte. Von Jahr zu Jahr wechseln die Rekorde. 2009 war ein Rekordjahr mit 144 Millionen, das letzte Jahr war ein schlechtes Jahr, aber das heißt nicht, dass eine Talfahrt beginnt, sondern ich kenne das seit 30 Jahren. Zugegeben, hat mich das schon erschüttert, dass trotz Avatar und 3D die Zahlen so schlecht sind…, aber wir gehen davon aus, dass 2011 ein besseres Kinojahr wird.

Das Gespräch führte Daniela Kloock

Foto © Daniela Kloock

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