Mach mit, mach’s nach, mach’s besser

Kino im Aufbruch: Upload Cinema, Salon oder Neighborhood Location 

Die Kulturinteressen der Deutschen wurden jüngst  von der Stiftung für Zukunftsfragen untersucht. 43 Prozent der Befragten gaben dabei dem Besuch des Kinos den Vorrang vor einem Gang ins Theater, Museum oder Konzert. Ein erstaunliches Ergebnis wo man heute doch fast überall Filme anschauen kann. Am Computer, im Fernsehen, unterwegs auf dem Laptop, auf iPads und iPhones. Die Bilder sind wie die Töne längst mobil geworden, flüchtig und schnell. Demgegenüber funktioniert das Kino – wenn man darunter einen Ort versteht an dem gegen Bezahlung zu einer bestimmten Zeit in einer sehr programmatischen und ritualisierten Form Filme abgespielt werden – wie vor 50 Jahren.

Hier soll von Versuchen und Initiativen die Rede sein, die die schwerfälligen Vertriebs- und Programmstrukturen verändern und ein flexibleres Kinomodell ausprobieren. Bisher in Deutschland beispielsweise kaum bekannt sind die sogenannten Upload Cinemas. Sie zeigen  nicht nur wöchentlich die witzigsten Filme aus dem Internet, sondern sind darüberhinaus auch eine Plattform für selbst produzierte Kurzfilme ihrer Zuschauer. Die Idee stammt ursprünglich aus Amsterdam. Barbara de Wiyn und Dagan Cohen veranstalten bereits seit 2008 in ihrem Kino Themenabende, für die auf der eigens hierfür eingerichteten website Vorschläge gesammelt werden bzw. jeder auch eigene Produktionen einsenden kann. In einem transparenten Auswahlverfahren wird dann ein Programm zusammengestellt, welches bis zum Abend der Aufführung geheim bleibt. Diese Art von Überraschungskino, kombiniert mit kleinen Festivals oder anderen attraktiven Veranstaltungen, gibt es mittlerweile in mehreren Städten der Niederlande. Jüngst wurde das Konzept sogar nach Spanien exportiert. Auch Barcelona und Madrid haben jetzt ihre Upload Cinemas (www.amsterdam.uploadcinema.net).

Das Tolle an der Idee ist, dass sich hier nicht nur ein Netz-affines junges Publikum einfindet, sondern ebenso auch ältere Generationen. Diese ahnen zwar, dass es bei youtube ungewöhnliche Kurzfilme zu entdecken gibt, aber sie wissen nicht wie man diese findet. Upload Cinemas bringen somit Zuschauer unterschiedlichster Altersgruppen zusammen und verwandeln außerdem eine digitale in eine analoge „Community“. Dieses Beispiel macht deutlich, dass das Internet für das Kino Möglichkeiten bietet, um Filminteressierte auf eine neue Art zusammen zu bringen. Dies gilt für die Upload Cinemas ebenso wie beispielsweise für die Cineclubs in Cordoba, wo sich knapp 1000 Mitglieder jede Woche über das Internet verschalten, um dieselben Filme zu sehen. Dadurch entsteht eine neue und äußerst aktive, diskutierfreudige Szene, die eben mehr will und kann, als nur passiv im Kino die Filme anschauen, die Verleihern „gefallen“.

Ungewöhnliche Programmgestaltung, Partizipation, Aufgreifen von Publikumswünschen so lauten die Schlagworte, um Kino flexibler zu machen und veränderten Zuschauerbedürfnissen gerecht zu werden. Hinzu kommt ein immer ungebremsteres Bedürfnis eigene Produktionen aus- und vorzustellen. Im Bereich der bildenden Künste lässt sich schon länger beobachten, dass die traditionellen Grenzen zwischen Künstler und Kunstbetrachter durchlässiger werden. Der Begriff Prosument, ein Amalgam aus Produzent und Konsument, versucht diese Veränderung auf einen Begriff zu bringen. Das Kino hängt hier einer Entwicklung hinterher. Diesseits von youtube muß es Orte geben, wo Selbstproduziertes ohne Zensur und ohne aufwendige Vertriebsstrukturen gezeigt werden kann. Wie beispielsweise im Roderich, einem Kultursalon in Berlin Kreuzberg. Hier findet wöchentlich ein sogenannter shortcutz Kurzfilmwettbewerb statt, wo jeder eigene Filme einreichen kann. Darüber hinaus stellt das Moviemento Kino einmal im Monat die technischen Gerätschaften zur Verfügung um in 48 Stunden einen Berlin-Kurzfilm zu produzieren. Per Publikumsabstimmung wird dann der Gewinner ermittelt (www.shootandrun.de/rtermine). Doch im Roderich werden auch Filme gezeigt, die sonst kein Kino bringt. Spanische und italienische Filme im Original, Phantastisches und Horror, aber auch Klassiker erfreuen eine kleine, vielleicht auch etwas geheime Fangemeinde. Das Verblüffende an diesem Konzept ist, es wird kein Eintritt verlangt, der „Salon“ –  damit wird deutlich, dass es hier um etwas anderes geht – finanziert sich über das Café und den DVD Verleih.

Intimisierung und Miniaturisierung scheinen Trends zu sein, die auch von den großen Verleihern und Kinobetreibern wahrgenommen werden. In England jedenfalls ändert Pathé derzeit radikal sein Kinokonzept. Gebaut werden sogenannte Neighborhood Kinos, mit nicht mehr als 30 bis 40 Plätzen. So entstehen kleinere, leichter zu handhabende Einheiten, die auch wirtschaftlich von anderen Rahmenbedingungen ausgehen können. Man darf gespannt sein, ob und wie sich diese Konzepte für ein vielfältigeres, partizipatorisches und flexibleres Kino verbreiten. Dann werden es vielleicht bald mehr als 43 Prozent für die der Kinobesuch ein lohnendes Erlebnis ist.

Daniela Kloock