Ich weiß schon, wie das heute wird. Schatz, machst du noch lange? wird er aus dem Wohnzimmer rufen und sich schon mal ein Glas Wein einschenken. Und ich werde vor Ärger platzen wie die Eier, die ich gerade aus dem Topf fische. Während im Fernsehen bei einer der regulären Bibelverfilmungen Moses vom Berge ruft, die Kerze sanft flackert und die Chips knistern, hocke ich allein in der Küche.
Dort pflege ich die Ostersamstagabende zu verbringen. Zwischen brodelnden Wassertöpfen, geplatzten Eiern, vollgekleckerten Küchenschränken, am Tisch festgebackenen Abziehbildern und alten Konservenbüchsen mit Farbtinkturen. In diesem Jahr übrigens Metallic. Silber oder goldfarben. Frauen sind ja anfällig für Modetrends. Als Bio modern wurde, habe ich Berge von Zwiebeln entblättert und Eier in Spinat grün gekocht. Ich habe geritzt, getupft, marmoriert, gespachtelt, bicoloriert was das Ei aushält. Und nie, nie war da eine starke Männerschulter an meiner Seite, an die ich mich lehnen konnte.

Manchmal habe ich den Verdacht, diese ganze Eierfärberei ist eine Erfindung der Männer, damit die mal einen freien Abend haben. Denn er tut merkwürdigerweise, als ginge ihn das alles nichts an. Ich kenne außer meinem Vater keinen Mann, der freiwillig Ostereier färbt. Ich kenne überhaupt keinen, der Kirschzweige nach Hause schleppt, Eier ausbläst und sie mit Buntpapier beklebt. Bei den vorösterlichen Bastelabenden im Kindergarten waren es immer weibliche Erziehungsberechtigte, die sich abends nach Dienstschluss in der sog. Artischockentechnik unterweisen ließen und bergeweise geschuppte Filzeier produzierten als gelte es, Frieda Hockauf zu übertrumpfen.
Ostern liegt in der Kernkompetenz der Frauen.
Na gut, Weihnachten in weiten Strecken auch. Aber da gibt es doch wenigstens ein paar Primäraufgaben, die ein Mann sich nicht aus der Hand nehmen lässt. Souverän sucht er den Baum aus mit Kennerblick, als habe er sein halbes Leben als Wildhüter verbracht. Er schleppt ihn klaglos durch die halbe Stadt nach Hause und ist beleidigt, wenn man Hilfe anbietet. Er verlegt mit glücklichem Augenleuchten Verlängerungskabel, schraubt Lämpchen aus und ein und sucht sogar das Lametta. Er ist sich nicht zu fein, im ausrangierten roten Bademantel und mit albernem Wattebart an den Türen befreundeter Paare zu klingeln und anderer Leute Kinder Gedichte aufsagen zu lassen.
Aber wehe Sie bitten ihn, einem Osterei ein paar Ohren anzukleben.

Es muss an den Leitbildern liegen. So ein Weihnachtsmann ist eine unangefochtene Autorität. Er darf drohend mit der Rute herumfuchteln, allen Anwesenden widerspruchslos ihre Versäumnisse unter die Nase reiben, mit den Füßen aufstampfen, mit Fäusten gegen Türen hämmern und niemand findet das merkwürdig. Wenn er finster mit dem Finger droht, blicken ihn alle mit leuchtenden Augen an und jeder gelobt ihm Besserung. Sein Wort gilt. Niemand käme auf die Idee, ihm bei seinen kapitalen Leibesumfängen zum Fitnessstudio zu raten. Niemand, der ihn wegen seines unvorteilhaften Outfits belächeln würde. Wenn er auftaucht, fürchten sich zumindest die Kinder, aber alle lieben und achten ihn. Ein einsamer Held.

Niemand, der ihn zu Elternabenden schickt, zum Paartherapeuten oder den Geschirrspüler ausräumen lässt. Er führt ein selbstbestimmtes Leben in stolzer Würde.
Ein Weihnachtsmann darf sein, wie jeder Mann gern wäre.
Was gibt dagegen der Osterhase für eine schwache Nummer ab! Bei jedem Rascheln schlägt er sich ängstlich in die Büsche. Er hat keinerlei Karrierebewusstsein, zum Thema durchbeißen fällt ihm höchstens eine Mohrrübe ein. Es stört ihn nicht im Geringsten, wenn man ihn putzig und süß nennt. Außerdem hat er einen Überbiss.
Und erst das Ding mit den Ostereiern in Hasennestern. Ein Mann – von Natur aus dem analytischen Denken verpflichtet – kann das nur lächerlich finden. Dass es ein älterer Herr schafft, in einer einzigen Nacht so viele zu beglücken, erscheint einem Mann ja durchaus vorstellbar. Aber ein Eier legender Hase ist schon fast peinlich.
Eigentlich kein Wunder, dass eine Frau so ihre Probleme hat mit dem patriachalen Relikt im roten Mantel. Naturgemäß muss ihre ganze Sympathie dem scheuen Außenseiter gelten, der zudem noch kinderreich ist.

In diesem Jahr sollen übrigens Straußeneier ganz groß im Trend liegen. Wenn der sich durchsetzt, gibt es womöglich in einigen Jahren einen Imagewechsel. Keine Ahnung, ob das gut wäre.

Text: Elena Rauch

Text erschienen in Thüringer Allgemeine

Foto: Sorbische Ostereier mit traditionellen Motiven

Urheber: LeCornichon (unter der Lizenz „Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen“ in Version 3.0)


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