Ruhm im Abseits
„Hunter S. Thompson hat mir einmal gesagt: Das Filmgeschäft ist eine hirnlose und grausame Geldmaschine. Da laufen Diebe und Zuhälter frei herum. Gute Menschen gehen vor die Hunde. Er fügte noch hinzu: Es hat auch negative Seiten.“ (Bruce Willis in INSIDE)
Hollywoods Wunderwelt hat viel zu bieten, doch das kollektive Gedächtnis ist löchrig: selbst die meisten Stars sind schon zu Lebzeiten vergessen.
Einen seltenen Einblick in die komplexe Arbeit und Erfolgswelt der Filmindustrie lieferte Drehbuchautor und Oscar-Preisträger William Goldman (Die Braut des Prinzen, Die Unbestechlichen). Seinem weltberühmten Credo „Keiner weiß irgendwas“ folgt keiner – im Gegenteil, jeder meint, alles besser zu wissen. So schilderte Goldman in seinen Büchern über das Hollywoodgeschäft freimütig wie sein Abenteuer-Star-Vehikel Der Geist und die dunkelheit (1996) das nächste Meisterwerk hätte werden müssen – es wurde eine lange Tragödie des Scheiterns: Goldman hatte den Paul-Newman-Robert-Redford-Westernklassiker Zwei Banditen (1969) basierend auf einer wahren Begebenheit von der Idee bis zum fertigen Skript entwickelt. Mit der historischen Geschichte um einen Bahnbau in Afrika, der durch zwei menschenfressende Löwen zum Massaker geriet, will er seinen Erfolg fortsetzen – für Goldman ist der Stoff „Der weiße Hai“ trifft „Lawrence von Arabien“ und „Die“ Abenteuergeschichte schlechthin.
1984 beginnt er zu schreiben, 1989 ist er fertig und „pitcht“ den Paramount- Verantwortlichen den Stoff, von Rückenschmerzen gepeinigt, auf dem Boden liegend. Alles ist startklar, Kevin Costner bereit, die Hauptrolle des Ingenieurs und legendären „Löwentöters“ Patterson zu spielen, doch man will man lieber den Weltstar Tom Cruise und vergräzt Costner der danach durch „Robin Hood“ zu dem Weltstar wurde. Jahre später steigt Weltstar Michael Keaton aus der Batman-Serie aus und man sieht in seinem Ersatz Val Kilmer, den entsprechenden Star.
Zu Freude Goldmans übernimmt Michael Douglas, der als Produzent für „Einer flog übers Kuckucksnest“ und als Schauspieler in „Wall Street“ den Oscar gewann, als Produzent das Ruder „Der Geist und die Dunkelheit“ zu machen. Und schließlich entscheidet er sich sogar, die zweite Hauptrolle (des von Goldman erfundenen) Großwildjägers Remington zu spielen. Als engagierter Filmemacher verändert Produzent Douglas das Drehbuch und verpasst seinem Star Douglas neue emotionale Größe. Für Goldman wird die Figur durch eine neue tragische Hintergrundgeschichte vom mysteriösen Großwildjäger zum Jammerlappen. Er schreibt die Neuerungen selbst, bevor es ein anderer tut und duldet diesen Star-Schwulst im festen Glauben, dass der erfahrene Filmemacher Douglas, dies einem guten Film zu Liebe später streichen wird – und irrt. Aus diesem und anderen Gründen fällt der Film bei Kritik und an der Kasse durch – und ist eher vergessen.
Diese Geschichte, obwohl zigfach interessanter als eine „Wir gaben alles“-Erfolgsgeschichte, ist fast vergessen. Goldman erwähnt auch wie schnell man, bzw. er, selbst als er in den 1970ern als der beste Drehbuchautor Hollywoods galt, schlichtweg vergessen wurde.
Jenseits des Rampenlichts ruhmreicher Geschichten mit Happyends und Tragödien um Monroes Tod oder aktuellen Eskapaden von Mel Gibson und Arnold Schwarzenegger liegt ein ungeheures Spannungsfeld haarsträubender tragischer Geschichten wie die der Filmproduktionen der Diktatoren Gadaffi und Kim-Su, dem Waffen- und Drogenschmuggel einer Chaplin-Enkelin durch ihre Filmfirma oder deutsche Gelder die den Scientology-Streifen „Battlefield Earth“ schufen. Die Kunst des Scheiterns erklärt mehr.
P.S. Gibt man William Goldman bei der IMDB ein, bekommt man im Ranking der „Williams“ an erster Stelle William Fichtner, an 3. Stelle steht Oscar-Preisträger Hurt, an 5. Sasko bekannt aus MAD TV – William Goldman ist nicht unter den Top Five.
Geboren am 12. August 1931 in Illinois wird er dieses Jahr 80 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch.
Wolf Jahnke
- Simon Braund: Die besten Filme, die Sie nie sehen werden - 21. Juni 2014
- The Canyons (Paul Schrader) - 31. März 2014
- Matt Dillon wird 50 - 18. Februar 2014
3. August 2011 um 19:56 Uhr
Schöner Text, danke!
Goldman ist grossartig. Als Schreiber, aber auch als Typ. Ich empfehle seine Audiokommentare zu „Butch Cassidy And The Sundance Kid“, „Marathon Man“ oder „Harper“. Ehrliche Kommentare, das satte Gegenteil zur sonst üblichen PR-Sülze. Der Mann zögert z.B. nicht, das missratene Ende von „Marathon Man“ als „Hollywood-Scheisse“ zu bezeichnen. Man merkt, wie er sich auch nach Jahrzehnten noch über kurzsichtige Produzenten, schlechte Regisseure und die ganze Branche ärgern kann.
Möge er noch lange Jahre leben.