In „15 Minuten Ruhm“ scheitert der Versuch, einen Thriller mit Medienkritik aufzupeppen

Morden und vermarkten

Die Verhältnisse von Medien und Gewalt werden immer unheimlicher. Längst sind die Grenzen überschritten, jenseits deren die Medien die Gewalt ganz direkt fördern und vermarkten. Wenn man mit jedem Verbrechen ins Fernsehen kommt und damit reich und berühmt wird, warum soll man dann nicht Verbrechen begehen, nur damit man ins Fernsehen kommt? Mit so etwas kann man zum Beispiel versuchen, Mainstream-taugliches Genrekino mit etwas Medienkritik aufzupeppen. Und der dazugehörige Plot geht dann ungefähr so: Zwei verrückte Verbrecher aus dem untergegangenen „Reich des Bösen“ gelangen in die USA, wo sie von einem Komplizen ihren Beuteanteil kassieren wollen. Weil der kein Geld mehr hat, bringt der schrecklich böse Verbrecher den Exkomplizen und seine Freundin um, während der Dumm-Verrückte das Ganze mit einer geklauten Videokamera filmt. Weil die beiden die Spuren des Mordes durch eine Brandstiftung zu vertuschen suchten, rufen sie neben dem beinahe so zerknitterten wie populären New Yorker Superbullen Eddie Flemming, den Robert De Niro spielt, einen jungen Brandstiftungsexperten (Ed Burns) auf den Plan. Der verachtet das Medienspiel seines Kollegen, der von Fototermin zu Talkshow hetzt und schon mal eine spektakuläre Festnahme für die TV-Kameras inszeniert. Unterdessen haben unsere beiden verrückten Kriminellen aus dem Osten genügend amerikanisches Fernsehen konsumiert, um auf die Idee des Metaverbrechens zu kommen: einen Mord begehen, sich dann mithilfe eines „guten“ Rechtsanwalts für unzurechnungsfähig erklären und später rehabilitieren lassen. Und weil man in den USA nicht zweimal für das gleiche Verbrechen angeklagt wird, kann man gefahrlos seine Bilder von der Untat im Medienzirkus verscherbeln. Mit dem berühmten Polizisten Eddie Flemming haben sich die beiden auch gleich das dramaturgisch richtige Opfer auserkoren.

Regisseur und Drehbuchautor John Herzfeld versucht diesen Film als „intelligenten Thriller“ zu verkaufen. Eine Tragödie, die zugleich eine Satire sein soll. Mit welch teuflischer Konsequenz hat das in der belgischen Miniproduktion Mann beißt Hund funktioniert, mit welcher Brachialgewalt ist Oliver Stone interessant gescheitert in Natural Born Killers, mit welch filmischer Intelligenz hat Spike Lee in seinem neuen Film Bamboozled die Gewalt der Medien attackiert! Herzfeld dagegen leistet sich neben dramaturgischem Ungeschick zwei konzeptionelle Kardinalfehler. Erstens ist seine Haltung zum Problem des Films reinstes Wischiwaschi. Er lässt uns wissen, dass das Fernsehen teils schlimm und dann doch auch wieder gut ist. Zweitens möchte er es seinem Publikum so leicht machen, dass der Film zum Teil dessen wird, was er eigentlich kritisieren wollte: Entertainment geht vor Aufklärung.

Was an Intelligenz in 15 Minutes vorhanden sein mag, verlässt den Film mit Robert De Niros Abgang. Er zeigt, was es mit einer Person auf sich haben mag, die Nutznießer und Opfer der medialisierten Welt zugleich ist. Was für ein De-Niro-Film hätte das werden können! Aber stattdessen sehen wir einem gut gelaunt unterforderten Schauspieler zu, der sich abwechselnd in Martin Scorsese und Robert Mitchum verwandelt und eine andere Chance verpasst, nämlich zu zeigen, was wohl aus Travis Bickle, dem mörderischen Medienstar aus Scorseses Taxi Driver, geworden wäre, wenn man ihn, mitsamt seinem verqueren public image, in den Polizeidienst aufgenommen hätte. Das letzte De-Niro-lose Drittel des Films hat mit Intelligenz so viel zu tun wie eine Dose Thunfisch mit einer gut gestimmten Gitarre. Um nicht die Drehbuchwendungen und zweifelhaften Regieeinfälle zu verraten, nur so viel: Die Antwort auf die Frage nach der Phänomenologie des Verbrechens im Medienzeitalter lautet: „Bang!“

Autor: Georg Seesslen

Text veröffentlicht in DIE ZEIT, 16/2001