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Zurück ins finsterste Mittelalter

Dreck, Schlamm und Scheiße: Aleksei Germans letzter Film „Es ist schwer ein Gott zu sein“ ergießt sich fast drei Stunden lang über den Zuschauer, wie endlose Kübel voller Rotz, Gedärm und Gülle. Von 2000 bis 2013 arbeitete der russische Regisseur an diesem sperrigen Brocken und starb doch vor dessen Fertigstellung, die schließlich sein Sohn und seine Witwe erledigten. Ob dieses Ungetüm auf Zelluloid wesentlich subtiler ausgefallen wäre, wenn ihm der Meister persönlich den letzten Feinschliff verpasst hätte, ist stark zu bezweifeln. Denn was sich dem Zuschauer hier von der Leinwand aus entgegen stemmt ist die Bild gewordene Definition von Verrohung.

Dieses Monster von einem Film in Schwarzweiß ist die lose Adaption des gleichnamigen Science-Fiction-Romans der Brüder Strugazki aus dem Jahre 1964. Diese Brüder sind dem cinephilen Feingeist insbesondere als die Autoren der Romanvorlage zu Andrei Tarkowskis gleichfalls überlangen, ansonsten jedoch geradezu komplementären, philosophischen Sci-Fi-Klassiker „Stalker“ (1979) bekannt. Während jedoch „Stalker“ davon zeugt, dass man mit fast Nichts und intelligenten Dialogen einen hochinteressanten Film machen kann, ist „Es ist schwer ein Gott zu sein“ eine wütende Materialschlacht, die um ein höhnisch grinsendes Nichts als ihr abwesendes geistiges Zentrum kreist.

Nur ein anfänglicher kurzer und lapidar vorgetragener Kommentar aus dem Off weist auf den Sci-Fi-Hintergrund des sich im finstersten Mittelalter abspielenden wüsten Treibens hin: Von unserer Erde werden Wissenschaftler auf dem erdähnlichen Planeten Arkanar entsendet, um deren im Mittelalter steckengebliebene Gesellschaft zu analysieren. Einer von ihnen ist Anton (Leonid Yarmolnik), der auf Arkanar als ein Edelmann auftritt, der von den im Dreck watenden Bewohners des Planeten als ein gottgleiches Wesen angesehen wird. Für einen Gott besitzt Anton jedoch nur denkbar geringe Handlungsbefugnisse.

Denn wie man von verschiedenen Zeitreisefilmen her weiß, kann es fatale Folgen haben, in die Vergangenheit – die in diesem Falle eine alternative Gegenwart ist – einzugreifen. Kein Wunder, dass Anton inmitten des barbarischen Treibens der zutiefst degenerierten Bewohner Arkanars zutiefst frustriert ist. Sein sarkastisches Resumée seiner Rolle als zur Untätigkeit verdammter wissender Beobachter lautet: „Es ist schwer ein Gott zu sein“. Was sich hier auftut, ist mit den verstörenden Visionen von Pieter Bruegel dem Älteren verglichen worden. Das trifft die Sache jedoch nur sehr bedingt.

Die Wimmelbilder des Niederländers wirken auf den ersten Eindruck fast pittoresk. Erst wenn man sie genauer anguckt, was die vielen Gestalten auf diesen Bildern tatsächlich treiben, entpuppt sich die vermeintliche Idylle als eine Hölle aus Mord und Totschlag. Ganz anders das monströse Werk von German: Obwohl eine von vielen äußerst elaborierten Plansequenzen in diese Welt einführt, offenbart sich jene von Anbeginn an als ein tristes, konstant verregnetes Grau in Grau, in dem Menschen – die noch nicht einmal wissen, dass sie zutiefst amoralisch sind – sich durch Schlamm und Schnodder quälen, um zu foltern und zu töten – scheinbar einfach nur, weil ihnen ansonsten nichts Besseres einfällt.

Ähnlich wie Kafka, der Welten entwarf, die ihren Sinn in sich selbst bzw. in dem durch sie vermittelten Gefühl einer grundlegenden existenziellen Absurdität besitzen, zeigt German eine durch und durch nihilistische und in sich selbst verschlossene Welt, die jedem aufkommenden zarten geistigen Glimmer sofort im Keim kalt macht.

Gregor Torinus

Bilder: Bildstörung

Es ist schwer ein Gott zu sein, von Aleksei German (Russland 2013)