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Über die Intention Werner Herzogs in seinem jüngsten Werk „Königin der Wüste“

Man darf diesen Film nicht missverstehen. Sicher, dieser Film ist ein solcher Mist, oh mein Gott. Das Drehbuch und die Dialoge sind seicht und langweilig. Die Schauspieler stehen so hölzern in der Gegend rum, dass es zum Erbarmen ist. Man schämt sich, zu sehen zu müssen. Bei Einstellungen mit Einheimischen im Bazar oder Dorf ist alles so adrett arrangiert, dass man ständig Angst hat, jemand von der Ausstattung könne versehentlich ins Bild geraten. Genauso konstruiert wirken Kamera, Licht und Farbe. Es gibt Fahrten mit der Drohne als habe Herzog gerade erst GoPro für sich entdeckt. Mit dem Fischauge über orange gestylte Dünen ab in die Extremtotale.

Und es stimmt, manche Szenen sind so plump zugespitzt, dass man nicht glauben mag, dieser Filme stamme vom Regisseur des Aguirre und Fitzcarraldo. Die Zeltlagerszenen in der Wüste zum Beispiel wirken so authentisch wie eine Louis Vitton-Reklame mit Bono oder Keith Richards in der Savanne. Alles ist so arrangiert, als ob jemand ein Schaufenster in der Frankfurter Goethe Straße für eine Safari-Reklame ausstaffiert hätte. Auch nach Wochen in der Wüste hat Nicole Kidmans Bell einen Teint wie aus der teuersten Beautyfarm weit und breit. Die Araber – wiewohl ihr Habit garantiert von der Ausstattung bis ins Detail rekonstruiert wurde – wirken stets wie aus dem Ei gepellt, durchdeodoriert und immer so überaus höflich, dass man an eine Art „positiven Rassismus“ der Inszenierung denkt. Ein paar Ballerszenen sind wie aus dem billigsten Western. Gertrude Bells Biografie ist derart geschönt, dass das alles kaum etwas mit dem Leben dieser Frau zu tun hat: Beide Liebhaber die im Film auftreten, stürzen sich ihretwegen in den Tod – was nicht stimmt. Aber das muss wohl so sein. Bells erste grosse Liebe starb an einer banalen Lungenentzündung. Im Film aber muss er sich aus Liebeskummer, so wird suggeriert, von einem Felsen stürzen. Ihre zweite grosse Liebe stürzt sich heroisch verzweifelt in den Weltkrieg, weil es keinen Ausweg aus seiner traurigen Ehe mit einer angeblich selbstmordgefährdeten Frau gibt, um sich in der Schlacht heldenhaft zu opfern. Im wirklichen Leben wäre seine Scheidung wegen einer Anderen allerdings das schlichte Ende einer britischen Diplomatenkarriere gewesen und sein Tod ist der Zufall einer Kugel die trifft.

Herzog verschiebt an dieser Stelle mit seinem Drehbuch die gesellschaftlich unmögliche Liebe eines verheirateten Mannes ins individuell Unmögliche und vollzieht damit eine typisch neoliberale Programmierung. Dies wäre der Dreh- und Angelpunkt, von dem aus man sein Drehbuch ideologiekritisch auseinandernehmen könnte. Das muss man aber nicht, denn der Film ist so offensichtlich schlecht und er ist eine so offensichtliche Frechheit, wenn er sich als „Biografie“ anpreist, dass jede umständliche Kritik nur noch offene Türen einrennt. Hier ist nichts verborgen. Es ist die Satire, die von der Wirklichkeit ununterscheidbar wird.

In einer solchen Satire gibt es Szenen, die so maßlos kitschig sind, dass man fragen könnte, ob Herzog nicht im Alter einer Art präsenilen romantischen Verklärung zum Opfer fällt. Die Szene etwa in der die schöne Bell in der Oase ein Bad nimmt. Zum Hintergrund aus malerisch grunzenden Kamelen unter Palmen und Sonnenuntergang und sich in der Ferne verlierenden Dünen kommt hier noch der plumpe erotische Touch in Form des nassen Hemds über den Brüsten, durch das sich – Klischee hoch drei – wenigstens einmal das abzeichnet wonach sich doch die Männer in diesem Film so sehr verzehren. So sehr, dass es sie umbringt. Herzog gelingt es tatsächlich in seinem wüsten Epos zu einem Wet-T-Shirt-Contest anzusetzen.

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Aber er verbrät so erbarmungslos Klischee auf Klischee, dass man fragen muss, wenn man nicht völlig verzweifeln will, ob das nicht doch Methode hat? Die nämlich, uns die erniedrigendste Form des US-amerikanischen Biopics vorzuführen. Eine Form in der alles mit Zuckerguss erstickt wird, bis es zu einer in Rosa erstarrten Grimasse geworden ist. Eine hohle Herrenfantasie in diesem Fall von der starken, politisch korrekt emanzipierten Frau, die vor blöden Briten und netten Arabern ihren Mann steht. Der weisse Männertraum von der starken Weissen, die aber doch auch – natürlich – fragil, hübsch und erotisch verfügbar ist. Wobei mit dem netten Araber die rassistische Medaille vorgeführt wird, auf deren anderen Seite man, wie in American Sniper, den Moslem als Massenmörder findet.

Ist das nicht die regelmäßig durchzuführende Übung der Selbst-Absolution im neoliberalen Krieg gegen das Leben an sich? Nach dem Motto: seht her, wir sind keine Unmenschen, wir sehen doch auch das Nette im Araber, wir sehen auch das Gute im Menschen. Führt uns Herzog mit dieser Posse nicht überzeugend die Verlogenheit eines amerikanischen Mainstreamkinos vor, in dem zum Schluss immer das ideologische geforderte Resultat zu Tage tritt? Wir sind die Guten. Bei uns dürfen sich die Frauen emanzipieren und selbst die Araber dürfen nett sein (Hauptsache sie bleiben auf der Leinwand) und zuletzt lernen wir, was Geschichte wirklich ist: eine Louis Vuitton-Reklame.

Herzog muss es so meinen. Man muss den Film als gewollte Karikatur lesen. Das romantische Versatzstück wird hier so überzogen reingeschnitten, dass es gar nicht anders gemeint sein kann. Die Schablone eines sprichwörtlichen britischen Humors ist hier so plump, wie man sich das nur in kalifornischen Produktionsbüros ausdenken kann. Die kalifornizierten kaukasischen Menschen in diesem Film sind so glatt, als hätte es schon in der arabischen Wüste vor 100 Jahren in jeder Oase eine Botox-Klinik gegeben. Das alles kann nicht ernst gemeint sein. Der Film kommt so dumm daher, dass es nur Absicht sein kann. Man muss ihn direkt neben Schilderungen des Lebens von Gertrude Margaret Lowthian Bell stellen, um im krassen Kontrast zu sehen, dass Werner Herzog hier nichts weniger liefert als die schonungslose Kritik des US-amerikanischen BiopicKinos selbst.

Matthias Steingass

Bilder: Prokino

Königin der Wüste, von Werner Herzog  (USA 2014)