Abziehbilder

Das Problem dieses Filmes hat nicht mit Moral und Geschichte zu tun, nur mit Kino und Handwerk. Die Frage, ob es rechtens sei, ein Ereignis wie die Schlacht von Stalingrad als Folie eines Western zu vermarkten ist eine temporäre, sie wird sich im Laufe der Zeit erledigen, wie sich auch, so zynisch das heute klingen mag, der Holocaust in gewisser Weise erledigen wird durch seine zwanghafte Historisierung. Doch bis zu dieser Frage gelangt “Duell – Enemy at the Gates” nicht.

Jean-Jaques Annaud versucht die Vermarktung von Stalingrad, doch bis auf die von Steven Spielberg abgeschaute Eingangssequenz hat er nichts gelernt von den Amerikanern. Und vielleicht erklärt diese Eröffnung, das hilflose Sterben junger Soldaten, das Desaster dieses Filmes: Es genügt nicht, dass etwas so ähnlich aussieht wie etwas anderes, wenn es nicht zugleich ein Eigenes ist. Und etwas Eigenes hat Annaud nicht, nicht zu erzählen, nicht zu zeigen. Die Bilder und die Geschichte um das Duell des russischen Scharfschützen (Jude Law), der zum Helden der Propaganda aufgebaut wird, und dem deutschen Offizier (Ed Harris) erscheint merkwürdig kraft- wie spannungslos, nichts als Abziehbilder. Lauter unverstandene Zitate, die wehenden langen Staubmäntel des Western, das Motiv des sich Opfernden wird so beiläufig erzählt wie das Binden eines Schuhs. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass der nicht unbegabte Regisseur (Der Bär, Der Name der Rose) keine wirkliche Beziehung zum Genrekino hat, dass er dessen Motive nicht als die mythischen Rituale zu zelebrieren vermag, wie sie Sergio Leone im Lied vom Tod als vollendeten Standard setzte. Überdies hat er nicht das mindeste Gefühl für seinen Stoff, sonst ließe er nicht einen höchst albernen Chrustschow vom Chef sprechen und Stalin meinen. Und wenn die Russen vor Stalingrad mehr Zeit damit verbringen auf die eigenen Leute zu schießen als auf die Deutschen, wenn die Bilder der zur Front fahrenden Soldaten mit einem anderen Text mühelos als Deportation durchgingen, dann mag das alles begründbar sein und wirkt doch irritierend. Aber die Musik, die könnte von Mosfilm sein.

Text: Henryk Goldberg

Text geschrieben März 2001

Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine