Der Hamster im Rad

Woody Allen ist als „Harry außer sich“

Eine hinreichend verständliche Aussage über einen Woody-Allen-Film besteht in der Mitteilung, es handele sich um einen Woody-Allen-Film. Ein Künstler von Weltrang, der die immer wieder gleiche Geschichte erzählt. Und vielleicht bezeugt dieses seine Klasse:

Welchen anderen Film, „Casablanca“ und „Titanic“ einmal außer Betracht, würden sich die Leute schon immer wieder anschauen? Und bei einer jeden Begegnung ihre Liebe erneuert finden. Woody weiß, was wir an ihn lieben – und er gibt es uns.

„Harry außer sich“ – der deutsche Verleihtitel ist gegenüber dem originalen „Deconstructing Harry“ eine ausschweifende Albernheit -, handelt, natürlich, von einem neurotischen Intellektuellen mit einer Blockade und vielen, vielen Weibern. Manche von ihnen mögen es nicht, daß ihre Erlebnisse mit dem Mann, etwa der Koitus vor der blinden Oma, als Literatur öffentlich werden, und einige dieser Fiktionen kehren zurück ins Wirkliche: Natürlich, da eh alle Welt über den biographischen Kern der Woody-Geschichte spricht, kann er auch damit kokettieren. Er kann es, wie wir sehen, immer eleganter, immer perfekter. Und immer harmloser. Woody Allen ist ein wunderbarer, liebenswerter Hamster im glattgeölten Laufrad seiner Geschichte. Es amüsiert uns sehr und es bewegt uns mäßig.

„Es fehlt“ sagt Harry einmal über eine seiner Geschichten, „die Energie“.

Autor: Henryk Goldberg

Text geschrieben 1999

Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine