Die Macht der Bilder

Dies ist ein Film über Macht. Über die Macht der Mächtigen und die Macht der Bilder. Denn ein Bild, ein Fernsehbild war es, dem gelang, was kein Gericht vermochte: Die Verurteilung von Richard M. Nixon. Und vollbracht hat das ein Journalist, von dem es heißt, er ginge mit den Mächtigen lieber zum Essen als ins Gericht.

Er hat gewusst, was Fernsehen kann sagt einer seiner früheren Mitarbeiter über ihn. David Frost, der heute ein Sir im Namen führen darf, ist, so wie wir ihn hier kennen lernen, ein Schönling wie gemalt. Jedes Lächeln von Michael Sheen fragt, ob es noch so bezwingend sei, wie es vor einer halben Stunde war. Der Mann interessiert sich für Erfolg, Getränke, und die besten Plätze in den angesagtesten Restaurants. Peter Morgan (The Queen/Buch) und Ron Howard (A beautiful Mind/Regie) erzählen hier eine Geschichte über die symbiotische Beziehung von Macht und Medien: Sie mögen einander oft nicht und können doch ohne einander nicht sein. Der Fernsehjournalist David Frost führte 1977, drei Jahre nach dem Rücktritt wegen der Watergate-Affäre, mehrere Interviews mit Richard M. Nixon. Der clevere Rhetoriker fuhr den netten Journalisten gnadenlos an die Wand und ließ sich doch zu einem halben Schuldeingeständnis verführen und zu diesem einen Grusel-Satz der Alleinherrscher: Wenn der Präsident es tut, ist es nicht illegal. frost_nixon_poster1701Diese Worte haben wohl nicht ganz die Wirkung gehabt, die der Film uns suggerieren will, und David Frost wurde, wenigstens außerhalb des englischen Sprachraumes, nicht annährend so berühmt wie Robert Woodward und Carl Bernstein, die Nixon nicht interviewten, sondern entlarvten. Morgan und Howard haben dem realen Fall ein Lehrstück abgezogen, und das Erstaunlichste daran ist: Es ist spannend.

Morgan hat ein dramaturgisch perfekt gestyltes Buch geschrieben, das die Gespräch als einen Boxkampf in mehreren Runden strukturiert. Zwei ungleiche Gegner beim Training mit ihren Beratern, dann der Kampf. Und die letzte Demütigung in der vorletzten Runde macht den Schwächeren so wütend, dass er aufsteht wie ein Mann. So geht Boxen, so geht Kämpfen, so geht Kino. Ron Howard arbeitet auffallend häufig mit der Großaufnahme. Er hat nicht nur zwei Darsteller, die das aushalten, er hat auch einen Grund dafür. Denn im Eigentlichen handelt der Film von der Wirkung des Bildes. Das mag nicht, wie es heißt, mehr als Tausend Worte sagen: Aber es sagt häufig Eindringlicheres, weil es unmittelbar auf das Gefühl wirkt, weil es den direkten Weg in das Unterbewusste nimmt. Dorthin, wo eine Farbe, ein Ausdruck, ein Empfinden mehr wiegen als ein Gedanke, eine Logik. Der amerikanische Wahlkampf lebt schon lang mehr vom Bild als vom Gedanken. Er habe, sagt Nixon, gegen Kennedy verloren, weil er an der Oberlippe transpiriere und das ist kein vollkommen absurder Satz. Dieser Film erzählt auch die Vorgeschichte der heutigen Mediengesellschaft, und er wertet nicht, er beschreibt.

Ron Howard ist ein Regisseur, der schon bei „Apollo 13″ zeigte, dass er einen Rhythmus aufsteigender Spannung auch auf engem Raum und mit kleiner Personage beherrscht. Das ist kein, trotz der Oscar-Nominierung, Bester Film, aber ein sehr guter, auch als Inszenierung. Auch Frank Langella ist als Bester Hauptdarsteller nominiert, auch er sollte das nicht schaffen gegen die Konkurrenz, doch er ist wirklich gut. Er macht Nixon nicht zum moralischen Underdog, er vernichtet seine Figur nicht, das ist meist etwas langweilig, er lässt dem Mann, ohne ihn zu rehabilitieren, seinen Blick auf sich, sein subjektives Recht, er nimmt ihn ernst und er lässt uns die Möglichkeit, ihn ernst zu nehmen, ernster als David Frost. Auch Peter Morgan ist nominiert für das Beste Drehbuch, und er sollte seinen Oscar gewinnen. Morgan kann, wie schon mit „The Queen“, eine authentische Figur mit ein paar hübschen Tricks in eine fiktive Figur verwandeln, ohne vollkommen den Kontakt zum realen Urbild zu verlieren, und was er mit der Queen konnte, das kann er hier auch mit den beiden Männern, er verwandelt sie in Kunstfiguren.

„Finde doch mal die Quoten raus.“, sagt David Frost. Der Satz gilt keineswegs immer noch, so wie damals, als der Gradmesser von Fernsehen. Er gilt in einem damals unbekannten Maße.

Autor: Henryk Goldberg

Text geschrieben März 2009

Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine