Die Geldmaschine

Pearl Harbor – wenn Amerika will, schießt ein Besen

Die Generalität hat Bedenken. Da reckt sich der gelähmte John D. Roosevelt, der Präsident der Vereinigten Staaten, in seinem Rollstuhl und steht auf. Wenn Gott und Amerika wollen, dann schießt ein Besen und ein Lahmer geht. So beginnt der Aufstieg Amerikas zur Weltmacht, so beginnt der zweite Weltkrieg.

Er begann tatsächlich mit Pearl Harbor an diesem 7.Dezember 1941, als der unerklärte Angriff der Japaner zum erklärten Krieg der USA führte, Hitler zur Kriegserklärung an Amerika veranlasste und der Isolationismus vom militiärischen Engagement abgelöst wurde. Hitlers europäischer Krieg wurde im Pazifik zum tatsächlichen Weltkrieg und spätestens in diesem Augenblick war er strategisch verloren. Die Welt neigte lang dazu, den Kontinent auf der anderen Seite des Atlantik zu unterschätzen, das war ein Fehler. Dieser Film erzählt von diesem Fehler und dabei macht er nichts als Fehler.

Die Versenkung der Titanic, mögen sich Jerry Bruckheimer, der Produzent, und Michael Bay, der Regisseur (Armageddon), gesagt haben, war ein unglaublicher Erfolg und die Titanic war nur ein (1) Schiff. Was hatten sie noch in der Titanic? Eine Love Story mit zwei Menschen. (2) Und noch? Noch war die Titanic ein Symbol, ein negatives. Da nehmen wir ein positives. Also, wir versenken nicht ein Schiff sondern eine Flotte, wir nehmen nicht zwei Liebende sondern drei und wir erzählen nicht, wie die Menschen sich übernehmen, im Gegenteil, Amerika entdeckt seine Kraft oder so. Und schon haben wir die wunderbarste Geldmaschine der Welt.

Und genau so sieht es aus.

Der mit beinahe materieller Gewalt in den Erfolg geschossene Film Pearl Harbor ist in jeder Hinsicht eine Enttäuschung. Nicht, weil er keine hochwertige Kunst, nicht, weil er keine korrekte Geschichtsdarstellung ist weil er langweilig ist, weil er, anders als Titanic, nicht dazu taugt, sich drei Stunden lang zu vergessen. So viel Geld, so viel Special Effects, wenn endlich die Flugzeuge kommen, wurden selten verbraucht für so wenig Effekt. Denn die Titanic, doch davon weiss ein Mann wie Michael Bay nichts, hatte so etwas wie eine Seele. Pearl Harbor hat nichts als die unverstellte, kein Plagiat scheuende Geldgier und den Titanic-Neid.

Die Geschichte, sie nicht ganz zu vergessen, obschon sie zum Vergessen ist, erzählt von Rafe (Ben Affleck) und Danny (Josh Hartnett ) zwei guten Freunden, die schon als Kinder Feindflugzeug auf zwei Uhr spielen und als Leutnants der Air Force das Angsthasenspiel (wir ahnen an dieser Stelle, dass sie es später gegen die Japse erneut spielen werden). Rafe verliebt sich in die schöne Krankenschwester Evelyn (Kate Beckinsale). So. Dann geht er nach England fliegen, gilt als tot und Evelyn & Danny haben Spaß sowie ein schlechtes Gewissen. Natürlich, er ist gar nicht tot, doch glücklicherweise, alle drei sind auf Pearl Harbor, kommen jetzt die Japse und die beiden Burschen vernichten beinahe die Invasionsflotte. Aber weil Amerika jetzt richtig sauer ist, müssen die beiden Jungens nach Tokio, was den dritten, fremden, Teil des dreistündigen Filmes ausmacht, von wo, natürlich, nur einer zurückkommt. Evelyn ist fein raus, denn wer von den beiden auch immer es ist, sie wird ihn, angemessen betroffen, mit ins Bett nehmen und den anderen betrauern. Da fällt dem Film sein cleverer Trick auf die Füße. Denn der Dreier schien sowohl die Tragödie als auch das Happy End zu ermöglichen, nochmal Titanic getoppt. Aber er kann nichts von beiden, weil er so unbeseelt ist wie für die Highscool-Bühne in New Jersey. Und wie die Story nicht die der Titanic aufwiegt, so auch die Flotte nicht das Schiff, denn der Vorgang Pearl Harbor vermag seinen Film nie annährend so zu zentrieren wie der Vorgang Titanic den ihren. So gewinnt die Liebe nie die Höhe und die Flotte sozusagen, nie die Tiefe. Sie haben den Blueprint der Titanic kopiert, ohne ihm eine Inspiration hinzuzufügen

Natürlich kann man den Film auch als Haltung kritisieren, aber er scheitert am Handwerk, das durch Ideologie ersetzt wird. Sind die Yankees alle so auf den Tod versessen? fragt ein britischer Offizier. Nein, nicht auf den Tod Sir, auf die Tat. Auch Pathos muss man können. Merkwürdig ist, wie geschichtslos dieses Berufen von Geschichte ist. Da der Kinomarkt ein globaler ist, nimmt man natürlich Rücksicht auf die Japaner. Ein japanischer Pilot winkt den Kindern zu, der japanische Nationalismus kommt nicht vor, der Krieg erscheint moralisch beinahe gleichwertig. Mit dieser Haltung ließen sich auch Hitlers Feldzüge ganz sachlich erzählen, nichts als Folie. Stalingrad Enemy at the gates war ein Anfang. Wenn diese charakterlose Geldmaschine sich erst des europäischen Krieges annimmt, werden wir einiges Verständnis gewinnen für das Jahr 1939.

Autor: Henryk Goldberg

Text geschrieben 2001

Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine