Entschlossen hebt Kurt Russell seine Panzerfaust, bereit, eine unschuldige Familie gegen mordlustige Soldaten zu verteidigen: „I’ll kill them all.“ Dem steht nichts im Wege – das Terrain ist bekannt, der Feind klar erkennbar, die Mission unzweifelhaft, Kurt Russells Fähigkeiten zur Genüge vorgestellt und das Ende absehbar. Star Force Soldier, der vierte Film des englischen Regisseurs Paul Anderson (Shopping, Event Horizon), ist ein Musterbeispiel für jene Hollywood-Produktionen, die durch ihre konzeptionelle Strenge und simple Gradlinigkeit um so nachdrücklicher dazu einladen, gefüllt und benutzt zu werden. Er funktioniert sowohl in seiner Eindimensionalität als auch als Zielfläche für unterschiedliche Interpretationen, die z.B. den Fragen nach Stars, Genres oder Ideologie folgen können.

Wenn mit dem Star Arnold Schwarzenegger das Bild eines neuen Deus ex machina verbunden ist, dann ist Kurt Russell stets ein Mensch gewesen. Sein Körper und sein vergleichsweise stoisches Spiel machten Schwarzenegger zum perfekten Un-, bzw. Über-Menschen der achtziger und neunziger Jahre, der sich bereits als Halbgott Herkules in NewYork und als unbesiegbarer Conan jenseits der Grenzen Normalsterblicher bewegte, bevor er seinen Maschinenstatus als Terminator erreichte. Ganz im Gegensatz dazu stand Kurt Russell bislang eher für Figuren, die erst durch menschliche Eigenheiten lebendig werden. Sein Snake Plissken überlebt in Die Klapperschlange und Flucht aus L.A.. gerade durch seine unorthodoxe Widerspenstigkeit und Verweigerungshaltung, in Big Trouble in Little China gibt Russell einen leicht tumben Trucker („Moment, ich krieg‘ das alles nicht so zusammen …“) und zuletzt durfte er in Breakdown als 08/15-Ehemann eine Entführerbande erledigen. Sein letzter Satz in Flucht aus L.A. könnte so etwas wie eine Kurt-Russell-Typologie betiteln: „Welcome to the human race.“ Um so erstaunlicher, daß er nun anscheinend die Fronten gewechselt und eine eher Schwarzenegger-typische Rolle übernommen hat – in Star Force Soldier spielt Kurt Russell die Kampfmaschine Todd.

Irgendwann in der Zukunft sind die „Star Force Soldiers“ eine besondere Elite von Männern, deren „normale“ Sozialisation von Geburt an durch militärisches Training ersetzt worden ist. Menschliche Regungen wie Mitleid, Trauer, Schmerz oder Zweifel wurden durch geschärfte Killerinstinkte substituiert. Nachdem jedoch eine neue, noch höher entwickelte Generation solcher Kämpfer fertiggestellt worden ist und Todd im Testkampf der Besten gegen den jungen Caine 607 (Jason Scott Lee) verloren hat, wird der ausrangierte Ex-Primus auf einen entlegenen Schrott-Planeten verbannt. Der berühmte Müllhaufen der Geschichte, hier „Waste Disposal Planet“ genannt.

Dort trifft Todd auf eine friedfertige Gemeinschaft Ausgestoßener, die im Einklang mit dem letzten bißchen Natur als große Familie ihr karges Dasein fristen. Nachdem er zunächst wie ein anachronistischer Fremdkörper erscheint, der wie ferngesteuert jede Antwort mit einem zackigen „Sir“ beenden muß, gewinnt Todds militärische Vergangenheit bald an neuer Bedeutung. Der Müllhaufen der Geschichte wird quasi mit alten Mitteln recycelt, als Caine 607 und seine Kampfeinheit auf dem Planeten landen, um allem Leben den Garaus zu machen.

Als wortkarger Rächer aus der Fremde, der gekonnt seinesgleichen tötet, steht Todd freilich in einer alten Tradition. Diese stellt den Science-fiction-Film Star Force Soldier in den Genre-Kontext, in dem das Star-Vehikel dem Western begegnet. Wie Alan Ladds „Shane“, Eastwoods „Marin ohne Namen“ und die Revolverhelden a.D., die Glenn Ford gerne spielte, landet Todd in karger Gegend und inmitten einer fremden Gemeinschaft, die irgendwann auf seine Fähigkeiten angewiesen sein wird. Dementsprechend handelt es sich bei diesen Müllplanetariern um Siedler, die eigentlich von einem anderen Planeten träumen. Dieser heißt sinnigerweise „Dorado“. Genau dorthin wird Todd später als Ersatzvater seiner Müllplanet-Gastfamilie um die junge Mutter Sandra (Connie Nielsen) aufbrechen, nachdem er das finale Duell mit Caine 607 hinter sich gebracht hat. „Doch er gab nicht nach“, hatte James Caan in El Dorado unvergeßlich John Wayne angeschmachtet, „es hielt ihn wach die Sehnsucht nach El Dorado!“

Wovon aber, ließe sich nun in einem dritten Schritt fragen, erzählt dieser Science-fiction-Western eigentlich? Denn vor dem Hintergrund des NATO-Jugoslawienkriegs drängt sich noch ein anderer Blick auf den Star Force Soldier auf, der im Original bezeichnenderweise einfach SOLDIER heißt. In diesem Licht kann Star Force Soldier, 1998 produziert, als Parabel nacherzählt werden, mit der sich, wenn es dazu Filme bräuchte, der NATO-Einsatz nachträglich rechtfertigen ließe: Wie der Krieg als politisches Mittel schien Todd unzeitgemäß und obsolet geworden, bis die drohende Gefahr der Vernichtung seiner neuen Heimat, die „humanitäre Katastrophe“, den fortgeschickten Krieger noch einmal zum letzten Retter macht. Frieden – ein schöner Traum, doch die Verhältnisse, sie sind nicht so. Leicht könnte Todds Antwort auf die Bitte Sandras, bei der Schlacht um ihre Heimat mitkämpfen zu dürfen, in dieser Logik als direkte Begründung für die vereinten Kriegseinsätze in Jugoslawien verstanden werden: „Soldiers deserve soldiers!“

Von unseren Verhältnissen 1999 ausgehend mag schließlich auch Todds Beschreibung seiner Gefühle als Soldat merkwürdig vertraut anmuten. Sie klingt wie eine Kurzform jener Aussagen, die hierzulande via TV vom Zustand der Bundeswehr-Einsatztruppen erzählten. Auf die insistierende Frage „You must feel something!“ lautet Todds karge Antwort: „Fear and disciplin.“ Keine Angst vor kalten Killern; Todd, der soldier, ist letztlich doch nur ein Mensch, womit sich dann auch der Kurt- Russell-Typus aus der Maschine zurückmeldet hätte.

Autor: Jan Distelmeyer

Diese Kritik ist zuerst erschienen bei: epd film 05/ 99