Haruki Murakamis Romane sind Leckerbissen für Menschen, die Freude an kluger Sprache und psychologisch ausgefeilten Geschichten haben. Sprachlich brillant die Phantasie der Leser anregend, sind diese Bücher nicht unbedingt ideale Filmvorlagen.

In „Naokos Lächeln“ geht es um die schwierige Frage, wie Menschen mit dem Suizid eines Freundes umgehen können. Haruki Murakamis umkreist die Frage mit einer Fülle von Gedanken. Die konnte nicht fürs Kino erhalten bleiben. Die im Buch etwa vierhundert Seiten umfassende Geschichte musste gestrafft werden. Das ist durchaus mit Geschick geschehen. Der vietnamesische Regisseur Trần Anh Hùng („Der Duft der grünen Papaya“, „Cyclo“) hat ein geschicktes Drehbuch geschrieben und es recht sensibel umgesetzt. Die Handlung beginnt so: Toru Watanabe (Ken‘ichi Mazuyama) erinnert sich. In den späten 1960er Jahren erlebte er als Jugendlicher eine unbeschwerte Gemeinsamkeit mit Kizuki (Kengo Kôra) und Naoko (Rinko Kikuchi). Kizuki und Naoko sind einander seit der Kindheit verbunden. Als sich Kizuki völlig überraschend das Leben nimmt, bleiben die junge Frau und Toru Watanabe verzweifelt zurück. Trost finden sie nicht. Sie können einander nicht helfen. Ihre Wege trennen sich. Doch sie treffen sich wieder. Eine Liebe scheint sich anzubahnen. Naoko aber kann damit nicht umgehen. Sie geht in ein Sanatorium, um ihre innere Sicherheit zu finden. Toru Watanabe spürt sie auf. Er kann sie nicht vergessen. Dabei ist er längst mit der forschen Midori (Kiko Mizuhara) zusammen. Ganz klar, dass die Situation eskalieren muss.

Wer den Roman nicht kennt, dürfte vom weiteren Geschehen sehr überrascht werden. Selten wurde der Schmerz unerfüllter Sehnsucht nach Liebe so kraftvoll beschrieben wie in dem Roman. Viel ist davon im Film erhalten. Trần Anh Hùng und Kameramann Mark Lee Ping Bin, der schon an Wong Kar Weis Hit „In the Mood for Love“ mitgearbeitet hat, gelangen sehr vielsagende Bilder. Komponist Johnny Greenwood hat gelegentlich leider eine etwas zu süßlich anmutende Musik beigesteuert. Die Spannung aber ist groß. Da guckt man dann auch über die gelegentlichen sentimentalen Momente hinweg. Trotzdem geschieht, was geradezu typisch für Kino-Adaptionen gewichtiger Literatur ist: Die Kino-Bilder drängen in ihrer Eindeutigkeit ins Banale. Was im Buch als zartes, filigranes Gewebe vielsagender Wortkaskaden begeistert, die der Leser in seine ureigenen Bildwelten transportieren kann, wirkt hier doch etwas konstruiert.

Im japanischen Original heißt „Naokos Lächeln“ „Noruwei no mori“/ „Norwegian Woods“. Haruki Murakami spielt damit auf den Beatles-Song gleichen Titels an. Der Song klingt im Film mehrfach an und gehört zu den schönen Mitteln, mit denen ganz leicht die soziale Realität der 1960er Jahre eingefangen wird. „I once had a girl, or should I say, she once had me… “ heißt es im Text des Songs. Diese Zeile ist vielleicht der entscheidende Hinweis, um „Naokos Lächeln” nicht verstehen, aber immerhin akzeptieren zu können.

Peter Claus

Naokos Lächeln, Trần Anh Hùng (Japan 2011)

Bilder: Pandora Film Verleih