Vor drei Jahren gab der damals 59-jährige Gianni Di Gregorio mit der skurrilen Komödie „Festmahl im August“ sein Regiedebüt. Die launige Geschichte um einen vom Regisseur selbst gespielten Muttersohn höheren Alters, der von einem Schwarm Rentnerinnen in Schach gehalten wird, hatte einen Sensationserfolg. Es hagelte Preis, das Publikum liebte den Film. Jetzt legt Gianni Di Gregorio nach. Vor der Kamera immer leicht gebückt, ziemlich unausgeschlafen wirkend und schüchtern, ist die Figur des Gianni wieder da. Wieder mit der Mama. Doch da hören die Ähnlichkeiten zum Erstling auch schon auf. Ein Neuaufguss des Erfolgsrezepts wird erfreulicherweise nicht geboten, auch keine direkte Fortsetzung.

Diesmal spielt der Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller einen Ehemann und Vater. Dieser Gianni lebt in einer kleinen Wohnung in Rom und wird von Frau und Tochter in Schach gehalten. Die Gattin hetzt geschäftig durch die Stadt, die Frau Mama lebt exzentrisch in ihrer Villa und hat laufend Wünsche, der Nachwuchs plagt mit Studien- und Beziehungsproblemen. Nur die Spaziergänge mit dem Hund schenken Gianni Momente der Besinnung. Glücklich wirkt er nicht. Alfonso, der langjährige Freund, hat einen Rat: der gestresste Pensionär soll sich eine Geliebte anlachen. Doch das ist leichter gesagt als getan.

Ein Kauz in Nöten. Das könnte krachend und kalauernd sein. Ist es aber nicht. Gianni Di Gregorio ist ein Meister der leisen Töne. Lautes Lachen provoziert er kaum, sondern viel genüssliches Schmunzeln. Das Tempo der Erzählung entspricht dem Alter des Protagonisten. Hektik bleibt aus. Die Kamera verweilt gern auf den Gesichtern, in denen sich – ob die Figuren nun noch sehr jung oder schon älteren Jahrgangs sind – vor allem eins spiegelt: Die Angst, das Leben zu verpassen.

Hochphilosophisch geht es in diesem Film nicht zu. Das leichte Vergnügen an der charmant-verflixten Geschichte wird auch nicht durch überstrapazierte stilistische Eskapaden getrübt. Die Kamera ist sozusagen immer auf Augenhöhe mit der Hauptfigur und lässt die Zuschauer so ohne jede Anstrengung am Abenteuer Leben teilhaben. Die Schauspieler, einige davon Laien, durften, wie schon bei „Festmahl im August“, reichlich improvisieren. Das gibt der Geschichte von der anstrengenden Sinnsuche eine schöne Leichtigkeit. Die von den luftig-launigen Sommerbildern Roms wesentlich mitgeprägt wird – und den vielen, vielen aparten Römerinnen, denen der Film mit zärtlichen Momentaufnahmen huldigt. Das geschieht mit großer Eleganz, artet nie zu lüsterner Fleischbau aus. Im Gegenteil: Gianni Di Gregorio lässt keinen Zweifel daran, dass es die Frauen sind, denen das Attribut „das starke Geschlecht“ gebührt.

Am Ende des Films ist klar: das vielbeschworene dolce vita gibt es nicht. Aber: Mit etwas Phantasie und Lust am Träumen und mit dem Mut, zu sich selbst zu stehen, kann man sich das Leben durchaus versüßen.

Peter Claus

Gianni und die Frauen, Gianni Di Gregorio (Italien 2010)

Bilder: Neue Visionen